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#12 politische Wünsche für Berlin 2021 – von Clubkultur bis Verkehrswende

12 politische Wünsche für Berlin 2021 – von Clubkultur bis Verkehrswende

2020 endet, und damit eins der seltsamsten Jahre der Nachkriegszeit. Ob 2021 besser wird, weiß niemand. Vielleicht folgt auf Covid-19 ja Covid-20 oder die Impfstoffe taugen nichts. Aber bleiben wir für den Moment mal optimistisch. Hier sind 12 politische Wünsche für Berlin im kommenden Jahr.


Dass die Kulturwelt so vielfältig bleibt

Alle dicht: Kinos, wie hier am Bundesplatz, konnten 2020 kaum Gewinne erzielen. Foto: Imago Images/Zeitz

Klar, dass ist nach dem Elendsjahr offensichtlich: Viele kleine und große Kulturbetriebe darben. Weil die Türen entweder seit März durchgängig zu sind (Clubs) oder immer mal wieder (Theater, Museen). Hygienekonzepte ersonnen, zerronnen, von vorne und alles auf (Pandemie-)Anfang. Die Berlinale sollte als 2021 verschobener internationaler Kinorummel auch ein solches Desaster überleben. Aber was ist mit den Eva-Lichtspielen? Eben.

Doch wir denken nicht nur an die Pleiten, die drohen, sondern auch an die Verdrängung. Denn wenn wieder alles in Vollbetrieb ist, wird auch der Ausverkauf, der Umbau Berlins weitergehen. Die Wilde Renate steht der Autobahn im Weg, kleine Ateliers den Investoren, die aus „Künstler“-Lofts „Millionärs“-Lofts machen wollen. Nur, weil die Corona-Pleiten gerade dringlicher sind, ist das Problem weiter nicht aus der Welt.

In beiden Fällen wünschen wir uns, dass die Kulturwelt die Unterstützung bekommt, die sie braucht.


Dass wir weiter gegen Rassismus kämpfen

Eigentlich absurd, dass wir immer noch darüber reden müssen: Rassismus ist keine Meinung, sondern Mist. Foto: Imago Images/PopEye

Es gibt in der tip-Redaktionen Kolleg*innen, die nicht weiß sind. Die immer wieder davon berichten, dass sie an bestimmten Tagen Angst hatten, das Haus zu verlassen. Wenn Nazis durch die Kieze marschieren oder unter dem Mantel des „Querdenkens“ das Brandenburger Tor belagern. Und sich verteilen durch die Stadt, um dezentral Angst und Schrecken zu verbreiten.

Es ist leider so, dass viele bei solchen Geschichten denken: Ach, so schlimm ist das mit dem Rassismus in Berlin auch nicht, so eine bunte Stadt. Das ist Unfug, der vor allem weißen Mehrheiten einfällt. Wie plump und stumpf es hier zugeht, zeigt sich aber nicht nur, wenn kleingeistige Nazis (und das sind sie ausnahmslos) zu Versammlungen rufen. Sondern auch, wenn asiatische Menschen in der Bahn angehustet werden, weil Corona nach China zurückverfolgt wird.


Dass die Polizei sich ein bisschen Vertrauen zurückerarbeitet

Die Polizei Berlin sah sich mit viel Kritik konfrontiert. Neben Rassismus war vor allem zweierlei Maß bei Demonstrationen ein Thema. Foto: Imago Images/Pacific Press Agency

2020 hat uns noch müder gemacht als ohnehin schon. Nazi-Chats bei der Polizei, Ermittlungspannen, Alltagsgewalt, mal wieder vor allem gegen Menschen, die anders aussehen. Nein, es macht wahrscheinlich heutzutage aufgrund des Arbeitsaufkommens und der Verrohung in Teilen der Gesellschaft keinen Spaß mehr, Polizist zu sein. Muss aber auch keiner werden.

Es macht andersrum ja auch keinen Spaß, andauernd zu lesen oder zu sehen, wie Menschen von Polizisten angegriffen werden. Oder Ewigkeiten darauf hinzuweisen, dass es eine Reihe rechtsradikaler Anschläge in Neukölln gibt und darauf quasi keinerlei polizeiliche Reaktion erfolgt. Beeindruckend manifestierte sich die Ablehnung 2020 in der „Black-Lives-Matter“-Demo.

Was viele nicht verstehen: Die Kritik richtet sich vor allem gegen den Apparat, gegen alte Denkweisen, gegen Machtstrukturen, ganz stark auch gegen den Unwillen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir sind uns bewusst, dass es nicht reicht, „Bullenschweine“ zu schreien. Wir wissen aber auch, dass ohne eine grundsätzliche Debatte viele Dinge für viele Menschen sehr unangenehm bleiben.


Dass wir die Verkehrswende vorantreiben

Die Friedrichstraße wurde teilsberuhigt und trotzdem leben noch alle. Kann es doch mehr Platz für Radfahrer geben in einer Stadt? Foto: Imago Images/David Weyand

Es ist ein Elend: Seit Jahrzehnten werden im Städtebau Autos bevorzugt, sie nehmen den meisten Platz ein, sind das tödlichste Verkehrsmittel, sie stinken und verschlechtern unsere Luft – und werden trotzdem hofiert. Doch sobald es um eine minimale Beschneidung gefühlter Autofahrenden-Rechte geht, klingen die Reaktionen, als hätte jemand gefordert, innerhalb von 24 Stunden alle Autoreifen des Landes zu zerstechen.

In Berlin hat sich zuletzt immerhin ein bisschen getan: Pop-up-Radwege gibt es inzwischen einige, auch, wenn die alternativlos schlechte AfD dagegen war. Die Friedrichstraße ist versuchsweise autofrei (was da bisher auch alle irgendwie überlebt haben). Und auch sonst hat Corona die Verkehrswende immerhin nicht nennenswert verlangsamt.

Übrigens wissen wir, dass Radfahrende wahnsinnig nervig sein können, aber sie halten sich fit, sie machen keinen Dreck und wurden jahrelang trotzdem eher als Abfallprodukt des Vorankommens behandelt. Das muss sich weiter ändern. Und was sich in Sachen Verkehr noch ändern muss: Ein Bundesverkehrsminister, der irgendeine Kompetenz aufweist, wäre ganz nett.


Dass wir wählen gehen

Ende Gelände: 2021 werden Nachfolger für Angela Merkel und Michael Müller gewählt. Foto: Imago Images/Zuma Press

Womit wir bei der politischen Mitsprache sind. 2021 ist ein wichtiges Wahljahr, und angesichts der starken gesellschaftlichen Tendenzen in unterschiedliche Richtungen bleibt jede einzelne Stimme wichtig. Das gilt auf Bundesebene: Angela Merkel packt dann doch ihre Sachen und wird nach vier Amtszeiten den Posten räumen. Irre: Einige diesjährige Erstwähler waren gerade zwei Jahre alt, als sie an die Macht kam.

Das gilt aber auch Landesebene: Ebenfalls am 26. September wählt Berlin ein neues Stadtoberhaupt. Und weil Prognosen derzeit noch sehr ungenau sind, schauen wir an dieser Stelle kurz zurück: 12 Verlierer der Bürgermeister-Wahl, die wir nicht vergessen können.


Dass Clubkultur ernstgenommen wird

Irgendwann stehen wir wohl auch wieder vor Clubs Schlange, wie hier dem Tresor. Clubkultur ist unbedingt schützenswert. Foto: Imago Images/F. Anthea Schaap

Ja, manchmal gehen wir nicht feiern, weil wir die Welt verbessern wollen, sondern um eben zu feiern. Das schließt aber nicht aus, dass Clubkultur wichtig ist – und eben doch mehr als Bumsen und Ballern im Berghain.

Clubs bieten Rückzugsräume und Realitätsfluchten, deren Wert nur jenen begreiflich wird, die diese brauchen. Wenn im About Blank lesbische Partys gefeiert werden, das Schwuz queeren Refugees eine Bühne gibt, im Berghain sexuelle Freiheit herrscht, dann sind das Erlebnisse und Schutzräume, die reinigend wirken können und sollen. Abgesehen davon, dass die berühmte Partywelt Berlins unter normalen Umständen der Stadt einige Einnahmen beschert.

Umso besser, dass der Senat nun zumindest ein Stück weiter ist und Clubs als Kulturstätten anerkennt. Da geht noch mehr, aber es ist ein weiterer Schritt.


Dass die Kosten für die Krise fair verteilt werden

Transparent in Kreuzberg: Kapitalismus ist hier so mittelebliebt, vorsichtig ausgedrückt. Foto: Imago Images/Steinach

Die Krise kostet Deutschland, kostet Berlin Unsummen. Geld, dass wieder reinkommen muss – Anfang des Jahres war ein Überschuss noch eine der guten Corona-freien Nachrichten 2020. Zahlen sollten nun keinesfalls jene, die es eh hart trifft. Mittelständler, die wegen der Einnahmeausfälle vor der Insolvenz stehen. Arbeitnehmende, die nur mit großer Not noch einen kleinen Urlaub zusammensparen können, wenn überhaupt.

Es ist nun schlicht und ergreifend an der Zeit, dass die, die am meisten haben, auch viel davon geben. Ob es nun eine Reichensteuer oder ist oder erst einmal eine Gesetzgebung, die Milliarden-Unternehmen zwingt, auch in Deutschland Steuern zu zahlen – Wurst. Aber wer hat, der – nochmal – sollte eben auch geben.


Dass alles für eine gute Bildung getan wird

Corona macht guten Unterricht nicht leichter. Vorher schon fehlten Lehrkräfte. Es ist noch viel Arbeit notwendig. Foto: Imago Images/Rolf Kremming

Lehrermangel ist ein Wort, dass wir nicht erst seit ein paar Tagen hören, und auch in den Kitas der Stadt könnte die Versorgung mit Personal besser sein. Es gibt nicht viel, was wichtiger ist, als gebildeten Nachwuchs heranzuziehen.

Genau das wird ein großes Thema im Wahlkampf 2021 werden – und das muss es auch sein. Zumal Sandra Scheeres, immerhin zehn Jahre Bildungssenatorin, nicht mehr weitermachen will. Zurück bleibt einer der unliebsamsten Posten im Senat, aber irgendwer muss und wird ihn machen. Wir wünschen Berlin, dass es jemand ist, der mehr will als muss und entsprechende Visionen mitbringt.


Dass Wohnen bezahlbarer wird

Wohnen in Berlin ist nur noch selten günstig. Der Mietendeckel könnte 2021 Realität werden – oder zum Boomerang. Foto: Imago Images/Rolf Kremming

Der Mietendeckel ist weiterhin Teil heftiger Debatten. Im Frühjahr wird sich am Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob er rechtens ist oder nicht. Bis dahin dürfen Mieten gesenkt werden, es kann aber, wird der Deckel gekippt, zur Nachzahlkeule kommen. Das Ersparte also lieber erstmal weglegen…

Richtig ist, dass die Tendenz in Berlin katastrophal ist. In guten Lagen finden Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nichts, junge Menschen sollen Hunderte für Durchgangszimmer in WGs zahlen, ohne Anmeldung, versteht sich.

Einige Vermieter drohen nun ihren Mietern mit allerlei Repressalien, mit Rauswurf, oder ignorieren ihre Pflicht, über eine Mietabsenkung zu informieren, völlig. Wer solche Geschichten hört, hofft, dass sie abgestraft werden, der Kapitalismus auch mal zurückbeißt. Wir ahnen aber, dass, hat der Mietendeckel Bestand, sich schon Wege finden lassen, die Butzen weit über Wert weiterzuvermieten.


Dass wir das mit dem Klima nicht vergessen

2000 Kerzen bilden „Fight for 1,5 Points“ im Dezember am Brandenburger Tor. Eine Mahnung, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Foto: Imago Images/epd

Das Ding ist ja: Sobald es demnächst mal wieder richtig kalt wird, meckern wieder alle, dass das mit der Erderwärmung ja wohl doch nur verklärter Unfug ist. Ist es nicht. 2020 war trocken, warm, und auch ein paar kalte Tage ändern nichts daran, dass wir nicht nur im Hochsommer teils Wochen ohne nennenswerten Niederschlag verbrachten.

Gerade letzteres gefällt dem Stadtmenschen sicher gut, maximal belastet ihn da, die Bäume vor der Haustür zu gießen. Auf dem Land sorgt das für Ernteausfälle, zum Beispiel.

Aber auch das ist egal, wenn wir die Erde weiterhin wie eine Müllhalde und ein Rohstofflager behandeln, und uns ansonsten alles egal ist. Denn dann sterben wir eben alle irgendwann wie die Dinosaurier einfach aus. Nur haben die das hinbekommen, ohne gleich den Planeten hinzurichten.


Dass wir nicht mehr quer denken

Demo in Berlin Anfang Dezember; Trommeln gegen all die bösen Verschwörungen. Foto: Imago Images/JeanMW

Das Absurde an der derzeitigen Situation ist ja nicht einmal, dass es Menschen gibt, die hinterfragen. Die nicht alles glauben wollen. Die Zusammenhänge herstellen. Das Absurde ist die absolute Vehemenz, mit der nichts als der eigene Standpunkt zugelassen wird. Wer einmal bei einer Querdenker-Demo war (und mal die ganzen Nazis dort ignoriert), weiß, dass da die Teilnehmenden mehrheitlich einfach das rausposaunen, was ihnen gerade passt.

Wissenschaft ist nicht unfehlbar, und Politiker sind es schonmal gar nicht. Aber dass absolut jede Gegenmeinung sofort – wenn auch mit dünnen Argumenten, im Zweifel einem „Lügenpresse!“ – weggefegt wird, ist kein Ausdruck eines Quer- sondern eines Gar-nicht-mehr-Denkens.

Wieso nun ausgerechnet der Chef eines mittelmäßigen Vegan-Imbisses alles besser weiß, können uns die Fans des peinlichsten Berliners 2020, Attila Hildmann, wohl auch nicht sagen. Genauso wenig, wie wir in einer Diktatur leben und gleichzeitig demonstrieren können.

Das Gute: Nur, weil einige sehr laut schreien, sie seien das Volk, heißt das nicht, dass sie auch die Mehrheit darstellen. Die Mehrheit in Deutschland vertraut auf Wissenschaft. Das muss mit aller Kraft so bleiben.


Dass wir die Nachtigall feiern

Eine Nachtigall (Luscinia megarhynchos) in Berlin. Die Hauptstadt ist auch die Hauptstadt der Nachtigall. Foto: Imago Images/Metodi Popow

Berlin ist das bundesweit größte Brutgebiet der Nachtigall, die Hauptstadt der Singvögel quasi. Das Museum für Naturkunde ließ Nachtigall-Fans den Gesang ihrer Lieblinge mit einer App aufnehmen, um zu ergründen, ob es Dialekte gibt und Standards im Repertoire. Das finden wir ganz wunderbar herzlich, alles. Lasset uns also öfter mal innehalten, lauschen (vor allem im Frühling) und durchatmen. So schlimm ist es alles gar nicht, wenn wir uns alle ein bisschen Mühe geben. Beobachten könnt ihr die Nachtigall und andere Tiere in Berlin besonders gut hier.


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