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#Journalist oder Journalistin, das ist die Frage

„Journalist oder Journalistin, das ist die Frage“

Als ich Journalistin wurde, riet man mir, mich auf Twitter anzumelden. Ich müsse da ja keine belanglosen Beobachtungen posten, in denen sich auch wirklich jeder wiedererkennen, die wirklich jeder liken könne und die mir fame einbringen würden. Getreu dem unsäglich gewordenen Mantra, dass ein guter Journalist überall dabei sei, aber sich mit keiner Sache – nicht mal einer guten! – gemein mache, müsse ich das ja auch bei Twitter nicht tun. Aber als junge Journalistin dabei sein, wie ein guter Journalist, das sollte man schon! Also meldete ich mich an, ohne zu twittern. Binnen eines Jahres schaffte ich es, gut 100 Journalisten dazu zu bewegen, mir zu folgen – ohne Witze!

Durch Twitter erfuhr ich dann doch ganz Erstaunliches über mich selbst. Unter anderem, wer ich bin: Anhand der wenigen Daten, mit denen ich den Algorithmus über ein Jahr gefüttert hatte – Name, Mail-Adresse, Likes –, spie er Metadaten aus: Ich sprach Deutsch und Englisch, okay, darüber hinaus jedoch angeblich auch Finnisch, Holländisch und Schwedisch! Dass ein Wortschatz, der sich auf U-Bahnstationen und „Ich nehme [Gericht der Tageskarte] und ein Glas Wein dazu“ beschränkte, als echte Sprachkenntnis anerkannt wurde, schmeichelte mir. Dass ich die Sprache meines Urururgroßvaters beherrschte, hätte ihn stolz gemacht (han vilar i fred!). Aber ich hatte noch mehr mit ihm gemein: Laut Twitter hatte ich sein Geschlecht! Unter „Gender“ stand da: „male“. Ich war ein Mann, nein, besser: ein Journalist! Vielleicht gar ein guter? Einer, der in der Lage ist, alles neutral zu betrachten, über den Dingen zu stehen?

Eher Vladimir als fiktive Dolores

Ich klickte auf den Pfeil neben meinem neuen Geschlecht. Mir wurde erklärt: „Wenn Sie noch kein Geschlecht angegeben haben, wird Ihnen das zugeschrieben, das Ihrem Konto aufgrund Ihres Profils und Ihrer Aktivitäten am ehesten entspricht. Diese Information wird nicht öffentlich angezeigt.“ Vielleicht besser so. Dennoch: Warum war ich heimlich ein Mann, wodurch zeichnete sich mein maskulines Verhalten aus? Warum Journalist, nicht Journalistin?

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Ich verglich die Accounts, denen ich folgte, mit denen von Journalistinnen mit sehr vielen Followern. Auch ihr Geschlecht wurde von Twitter nicht öffentlich angezeigt. Ich nahm dennoch an, sie seien weiblich, denn sie posteten etwas über „weibliche Themen“. Gleichberechtigung und solche Dinge. Bei manchen stand sogar „She/Her“, obwohl sie doch offensichtlich lange Haare und bunte Kleider trugen! Auf meinem Profilbild trug ich zu diesem Zeitpunkt zu langem Haar eine herzförmige pinke Brille, die mir ein Instagram-Filter mal auf die Nase gesetzt hatte. Meine „Bio“ lautete: A Filter is a Filter is a Filter is a Filter is a Filter. Dass Twitter mich eher als Vladimir denn als fiktive Dolores erkannte: beeindruckend.

„Ich lasse es mal so stehen“

Aber ich war ja aus Sicht von Twitter nicht ein weltbekannter Autor, sondern ein kleiner Journalist. Wer folgte mir? 96 Prozent Journalisten. Aber nicht solche wie ich, sondern Autoren, Chefredakteure, Übersetzer! Bei einschlägigen Zeitungen! Einflussreiche Männer! Vielleicht hatte sich Twitter verkalkuliert und mein vornehmes Schweigen so gedeutet, dass ich zu ihnen gehörte.

Ich überlegte, Twitter zu kontaktieren und zu fragen: Wie wird mir diese Ehre zuteil? Ich tat es nicht. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht einen Tweet abgesetzt. Was sollte mir das Twitter-Team schon sagen können? „Unser Algorithmus spricht im generischen Maskulinum! Genießen Sie es, sich gemeint zu fühlen!“ Ich machte einen Screenshot von der Einordnung meines Geschlechts, mein erster Tweet. Dazu schrieb ich: „Was auch immer das heißt. Ich lasse es mal so stehen.“ Ich soll mich schließlich nicht mit einer Sache gemein machen. Auch wenn sie eine gute ist. Oder gar eine, zu der ich gehöre.

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