Wissenschaft

#Menschen bekommen immer größere Gehirne

Unser Gehirn ist bereits relativ groß, verglichen mit anderen Säugetieren. Doch die evolutionäre Obergrenze scheint noch nicht erreicht zu sein: Im letzten Jahrhundert sind menschliche Gehirne immer voluminöser geworden, wie eine Studie zeigt. Wer in den 1960er Jahren geboren wurde, hat demnach ein um fast sieben Prozent größeres Gehirn als jemand, der in den 1920er Jahren geboren wurde. Dadurch könnten wir heute praktischerweise größere Reserven an Hirnmasse haben, die uns vor altersbedingter Alzheimer-Demenz schützen, vermuten die Forschenden.

In den USA leben derzeit rund sieben Millionen Menschen mit altersbedingtem Alzheimer. Weil im Zuge des demografischen Wandels die Bevölkerung immer älter wird, wird die Zahl der Betroffenen in den kommenden Jahren weiter steigen, wie Prognosen nahelegen. Dem entgegen steht allerdings ein anderer Trend: Der prozentuale Anteil der Bevölkerung, der an Alzheimer erkrankt, nimmt ab. Seit den 1960er Jahren ist der Anteil der Betroffenen pro Jahrzehnt um 20 Prozent gesunken, wie eine frühere Studie ergab. Wie passt das zusammen? Forschende vermuten einen Zusammenhang mit dem Gehirnvolumen.

MRT-Aufnahmen offenbaren Gehirnvolumen

Um dies zu überprüfen, hat ein Forschungsteam um Charles DeCarli von der University of California in Davis nun die Gehirngrößen von Menschen aus verschiedenen Generationen verglichen. Dafür untersuchten sie alte MRT-Aufnahmen aus einer groß angelegten Bevölkerungsstudie in Massachusetts. 75 Jahre lang sammelten Wissenschaftler darin verschiedene Gesundheitsdaten von tausenden Personen aus insgesamt drei Generationen. Zwischen 1999 und 2018 erstellten die Studienleiter dabei auch MRT-Aufnahmen vom Gehirn von 3.226 Menschen, die zwischen den 1920er und den 1960er Jahren geboren wurden. DeCarli und seine Kollegen verglichen nun systematisch diese Hirnscans.

Grafik zeigt die Ergebnisse der Studie
Das Volumen des menschlichen Gehirns hat bei Menschen im Laufe der Jahrzehnte zugenommen. © UC Davis Health

Dabei zeigte sich, dass die menschlichen Gehirne im Laufe der Jahrzehnte langsam, aber stetig immer größer geworden sind. Während Personen, die in den 1920er Jahren geboren wurden, noch ein durchschnittliches Gehirnvolumen von 1.234 Millilitern aufwiesen, erreichten in den 1960ern geborene Menschen ein durchschnittliches Hirnvolumen von 1.321 Millilitern. Das entspricht einer Vergrößerung um 6,6 Prozent, wie die Forschenden berichten. Die Oberfläche des Organs nahm in dieser Zeit sogar um fast 15 Prozent zu: von 2.104 auf 2.056 Quadratzentimeter. Parallel dazu wurden auch die Körper der Menschen größer: von durchschnittlich 168 Zentimetern in den 1920ern auf 172 Zentimeter in den 1960ern – ein Anstieg um 2,4 Prozent. Doch selbst wenn dieser Faktor einberechnet wurde, wuchs das Gehirn der Menschen in dieser Zeit um 5,9 Prozent, wie die Analysen ergaben.

Diese Zunahme betraf verschiedene Strukturen, verteilte sich aber nicht gleichmäßig auf die einzelnen Hirnareal, wie DeCarli und seine Kollegen bei näherer Betrachtung herausfanden. Die weiße Substanz des Gehirns nahm beispielsweise um fast acht Prozent zu, die graue Substanz nur um gut zwei Prozent. Der Hippocampus wurde um knapp sechs Prozent größer. Dieses Hirnareal ist für Lern- und Gedächtnisprozesse wichtig und bei Alzheimer-Erkrankungen häufig beeinträchtigt.

Ursachen und Folgen der größeren Gehirne

Die Neurobiologen vermuten mehrere Gründe hinter dem beobachteten Hirnwachstum. „Die Genetik spielt eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Gehirngröße, aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch äußere Einflüsse – wie gesundheitliche, soziale, kulturelle und pädagogische Faktoren – eine Rolle spielen könnten“, erklärt DeCarli. Die in der Studie beobachteten größeren Gehirnstrukturen könnten auf eine durch diese Faktoren insgesamt verbesserte Gehirnentwicklung und -gesundheit zurückzuführen sein.

Das Ergebnis könnte für uns von Vorteil sein und erklären, warum anteilmäßig immer weniger Menschen an Alzheimer erkranken, wie die Forschenden berichten. „Das Jahrzehnt, in dem jemand geboren wird, scheint die Gehirngröße und möglicherweise die langfristige Gehirngesundheit zu beeinflussen“, sagt DeCarli. Denn: „Eine größere Gehirnstruktur stellt eine größere Gehirnreserve dar und kann die späteren Auswirkungen altersbedingter Gehirnerkrankungen wie Alzheimer und damit verbundener Demenzerkrankungen abfedern.“ Das Gehirn von heute lebenden Menschen ist demnach besser gegen Alzheimerdemenz und andere altersbedingte Erkrankungen gewappnet als noch vor einigen Jahrzehnten.

Quelle: Charles DeCarli (University of California Davis) et al., JAMA Neurology, doi: 10.1001/jamaneurol.2024.0469

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