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#Der Mann, der unsere Tränen stiehlt

„Der Mann, der unsere Tränen stiehlt“

Der Mann, der keine Gegenwart kennt, sitzt auf einer Bank in der Berliner Schaubühne. Er schaut, während er wartet, auf seine Handflächen, als läse er daraus seine Zukunft ab. Wenn man ihn anspricht, steht er abrupt auf und schaut überrascht. Schaut und lächelt und taucht auf aus einer anderen Welt.

Der kanadische Theatermacher Robert Lepage ist in Deutschland im­mer noch nicht vielen bekannt. Anders als etwa Peter Brook oder Ariane Mnouchkine, die strahlende Gesichter des Welttheaters sind, gilt der in­zwischen vierundsechzigjährige Lepage hierzulande weiterhin als Geheimtipp. Zuletzt war er 2006 mit seinem „An­dersen Project“ bei den Berliner Fest­spielen eingeladen. Beim FIND Festival an der Berliner Schaubühne sind jetzt nach langer Zeit erstmals wieder verschiedene Arbeiten von dem Theaterregisseur, Schauspieler und Filmemacher zu sehen.

Weniger Meinung, mehr Poesie

Er wirkt wie sein eigener Stellvertreter. Nicht wie ein Großkünstler, der mit seiner Kompanie „Ex Machine“ überall auf der Welt Produktionen gezeigt hat, die in ihrer verträumten Einfachheit transnational verstanden und gefeiert wurden. Das deutsche Theater hat allerdings nicht viel übrig für Lepage – und auch umgekehrt hält sich das Interesse durchaus in Grenzen. Ihm komme das, was auf deutschen Bühnen inszeniert werde, meist etwas „rechthaberisch“ vor, sagt er leise, zu sehr darauf aus, die Stückvorlage absichtlich herabzusetzen und schlechtzumachen. „Meine Herangehensweise lautet dagegen: Weniger Meinung, mehr Poesie“.

Die Arbeiten des 1957 in Québec City geborenen Arbeiterkindes stechen in der Tat hervor durch ihre sanft poetische, nie auftrumpfende Formsprache. Lepage, der sich in Paris zum Schauspieler ausbildete und zunächst küns­tlerischer Leiter des Théâtre français in Ottawa war, begann Anfang der Neunzigerjahre mit seinen eigenen Projekten auf Tournee zu gehen – etwa mit „Nee­dles and Opium“, einem Stück über Miles Davis und Jean Cocteau. 1992 in­szenierte er Shakespeares „Sommernachtstraum“ als erster Nordamerikaner am Royal National Theatre in London. 1994 gründete Lepage dann in Québec seine Kompanie „Ex Machina“ – deren legendärste Produktion „The Seven Streams of the River Ota“ (entstanden zwischen 1994 und 1996) in einer neu besetzten und leicht überarbeiteten Version nun an der Berliner Schaubühne zu sehen gewesen ist.

Kennt keine Gegenwart: Robert Lepage


Kennt keine Gegenwart: Robert Lepage
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Bild: Picture Alliance

Ein paar Jahre lang arbeitete Lepage auch mit dem Cirque du Soleil zusammen, kreierte spektakuläre Produktionen wie „La Trilogie des Dragons“ und verdiente mit internationalen Gastspielen gutes Geld. 2015 kehrte er mit „887“, einer Erinnerungsfantasie über das Wohnhaus seiner Kindheit, auf die Bühne zurück. Auch diese Produktion wird – am 9. und 10. April – an der Schaubühne zu sehen sein.

Lepages Inszenierungen zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Sensi­bilität für Körper und Stimmungen aus, Texte und Theorien spielen bei ihm eine untergeordnete Rolle. Auch die Sphäre des Politischen wird meist nur sehr vorsichtig berührt. „Ich spreche im Grunde nur selten direkt über das Zeitgeschehen“, sagt Lepage, „weil ich das, was mich an meiner Zeit bewegt, lieber über die Physikalität der Körper oder den Ausdruck eines Gesichts erzähle.“

Heftige Debatte in Kanada

Umso härter muss diesen scheuen Künstler getroffen haben, was 2018 ge­schah. Da zensierte das Montreal Jazz Festival nämlich eine seiner Produktionen auf Druck indigener Aktivisten, die ihm vorwarfen, „weiße Schauspieler als afroamerikanische Sklaven verkleidet“ und damit die Würde der Kolonialisierten verletzt zu haben. Auch eine weitere Arbeit von Lepage, „Slav“, in der nur zwei der sieben Akteurinnen auf der Bühne Schwarze waren, führte zu einer heftigen Debatte in Kanada und darüber hinaus.

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