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#Berlinale 2021 Tag 1: Allein unter vielen – ein Festival und seine Leerstellen

Berlinale 2021 Tag 1: Allein unter vielen – ein Festival und seine Leerstellen

Können virtuelle Screenings im eigenen Zuhause das so bewährte physische Festivalformat ersetzen? Ein täglicher Erfahrungsbericht zur diesjährigen Berlinale.

Kein Schlangestehen, kein Publikumsverkehr, kein Kino-Hopping. Die diesjährige Berlinale musste sich nach langem Ringen der Pandemie beugen, die sich für eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt als unerwünschtes Zugpferd manifestiert hat.

Im Jahr 2021 werden die Filme der Berlinale statt in den Kinosälen zu Hause geschaut. Vorerst unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit. Im Juni wird es, so ist zumindest die Hoffnung, ein Sommerevent geben, wo neben wenigen Pressevertreter*innen und Brancheninternen vor allem das reguläre Kinopublikum am physisch nachgeholten Filmfestival teilnehmen soll.

Bis dahin heißt es für mich: Verzicht auf direkten Austausch über das Gesehene oder hilfreiche Empfehlungen von Freund*innen und Kolleg*innen, die das akribisch zusammengestellte eigene Programm im schlimmsten Fall wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen. Auffällig unangenehm ist auch die gähnende Leere auf den benachbarten Sitzplätzen – einst die Kinosessel, nun die heimische Couch. All das, wovon kulturelle Veranstaltungen wie die Berlinale mitgetragen werden, fällt dieses Jahr pandemiebedingt weg. Und so finde ich mich am ersten Tag im März dieses Jahres zwischen Wehklagen, Dankbarkeit und Demut wieder, schließlich wird man im Lockdown gierig und sehnt sich nach allem, dem nicht das Etikett Alltag anhaftet.

Tapfer werde ich mir jeden Morgen bis zum Ende der Woche frühestmöglich meinen Wecker stellen, das gehört(e) schließlich zur Berlinale dazu und soll auch in den eigenen vier Wänden imitiert werden. Immerhin: Während der Sichtung lässt es sich ungeniert Kaffee trinken und Notizen machen, vielleicht zügelt das diesjährige Online-Format endlich die Müdigkeit – der ärgste Feind und ständiger Begleiter einer/eines jede*n fleißigen Festivalbesucher*in.

Erste Gehversuche im virtuellen Festival-Programm

Drei Wettbewerbsfilme sowie ein Biopic aus der Sektion Panorama markieren für mich den Beginn der diesjährigen Berlinale. Hong Sang-soos „Introduction“ scheint nicht nur des Titels wegen ein guter Startpunkt zu sein. Im letzten Jahr, als die Berlinale der anrollenden Pandemie noch einen Schritt voraus war, ging der koreanische Regisseur mit „The Woman Who Ran“ in den Wettbewerb, drei Jahre zuvor war es noch „On the Beach at Night Alone“ – zwei subtile, aber sehr kluge Filme, an die ich nun anknüpfen wollte.

Anschließend steht Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ auf dem Programm. Die deutsche Schauspielerin und Regisseurin, die jüngst mit der Netflix-Serie „Unorthodox“ große Erfolge feierte, widmet sich in ihrem neuen Spielfilm einem gewagten Experiment: Kann ein humanoider Roboter dank künstlicher Intelligenz einen menschlichen Lebenspartner ersetzen?

Auftritt Sandra Hüller – keine Berlinale ohne sie. Auf Lars Eidinger warte ich vergeblich. Schraders Film ist poetisch, die eigentliche Triebkraft entsteht aber durch das Zusammenspiel der beiden Protagonist*innen, verkörpert durch Maren Eggert („Ich war zuhause, aber…“, „Giraffe“) und Dan Stevens („Downton Abbey“, „Die Schöne und das Biest“).

Gespannt war ich auch auf Tony Stones Biopic über den Unabomber und ehemaligen Universitätsprofessor Ted Kaczynski, der durch seine Briefbombenattentate drei Menschen tötete und zahlreiche verletzte. Formal ist der Film etwas aus der Zeit gefallen, einen wirklichen Zugang habe ich bis zum Ende nicht gefunden. Das unkonventionelle Biopic lässt mich etwas ratlos zurück. Auch wenn die Radikalisierung Kaczynskis durchaus überzeugend nacherzählt wird, driftet Stones durch die teilweise plakativ wirkende Inszenierung ins Psychologisierende ab.

Der dritte und abschließende Wettbewerbsfilm des heutigen Tages trägt den Titel „Memory Box“ und stammt von den beiden libanesischen Regisseur*innen Joana Hadjithomas und Khalil Joreige: Eine Kiste voller analoger Erinnerungen holt Kriegstraumata an die Oberfläche zurück und zwingt Mutter und Tochter dazu, in einen Dialog zu treten – über Unaussprechliches, aber auch über generationsübergreifende Erfahrungen des Teenagerdaseins.

Wenn analoge Fotografien plötzlich lebendig werden und Tochter Alex erstmals einen Blick auf die immer noch klaffenden Wunden ihrer (Groß-)Mutter werfen darf, begründet sich hier nicht nur das Mutter-Tochter-Verhältnis neu, sondern auch die Frage nach dem Verhältnis von Erlebtem und Erinnerung.

Einsam euphorisch

Der erste Berlinale-Tag 2021 ist definitiv anders als die ersten Tage in den Jahren zuvor. Das gestauchte Festival im Taschenformat ist ein eher einsames und so stellt sich mir vor allem eine Frage: Rezipiert man (Festival-)Filme zu Hause und alleine anders, als in einem mit Euphorie und Publikum gefüllten Saal? Ob die virtuelle Berlinale die physische ersetzen kann, ist erst mal fraglich. Es bleiben Leerstellen, die vielleicht gar nicht erst ersetzt werden können. Die Gedanken darüber werden auch in den nächsten Tagen kreisen, doch jetzt gehe ich zurück vor meinen Fernsehbildschirm. Ein weiterer Pluspunkt des auf den eigenen Standort begrenzten Festivals: Es lässt sich enger planen, weil es keine über die Stadt verteilten Spielstätten mehr gibt. Mein heutiges Programm ist also noch nicht zu Ende. Es wird eine lange Nacht mit wenig Schlaf – der Kampf gegen die Müdigkeit will schließlich auch morgen wieder ausgefochten werden.

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