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#Für die Patienten bleibt zu wenig Zeit

Für die Patienten bleibt zu wenig Zeit

Über die Pflege wird viel gesprochen, nicht erst, aber insbesondere seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Die größten Probleme sind bekannt: zu viele Patienten, zu wenig Personal und Zeit. Was das im Alltag in den deutschen Kliniken konkret bedeutet – für die Pflegekräfte ebenso wie für die kranken Menschen –, davon dürften jedoch die wenigsten eine Vorstellung haben. Denn Stimmen von Pflegekräften selbst sind selten zu hören. Diese Lücke schließt das Buch „Systemrelevant“ von Maximiliane Schaffrath.

Es ist ein schonungsloser und persönlicher Einblick: Die Autorin hat eine Ausbildung in der Krankenpflege gemacht und beschreibt, was sie in dieser Zeit auf den Stationen eines großen Krankenhauses erlebte. Das Buch beginnt unvermittelt mit ihrem ersten praktischen Einsatz nach drei Monaten Pflegeschule, auf der Hämatologie, oder, wie Schaffrath schreibt, der „Krebsstation“. An Tag zwei soll sie auf der Palliativstation aushelfen, weil eine Kollegin ausgefallen ist.

Was, wenn einer ausrastet?

Schon in diesen ersten Wochen offenbart sich all das, was sich wie ein roter Faden durch ihre Ausbildung ziehen wird. Das mit Abstand größte Problem ist der Personalmangel. Er führt dazu, dass kaum jemand Zeit hat, ihr etwas zu erklären, dass sie oft überfordert ist und ihr ständig vorgeworfen wird, sie sei zu langsam, etwa beim Essenausteilen oder dem Waschen von Bettlägerigen. Ihre Kolleginnen – die meisten sind weiblich – sind häufig selbst am Ende ihrer Kräfte. Fünfzehn Tote in acht Wochen, das ist die Bilanz ihrer ersten Station. Sie würde gerne mit jemandem aus dem Arbeitsumfeld darüber sprechen. „Aber es hat keiner Zeit dafür.“

Doch nicht nur sie selbst und ihre Ausbildung kommen ihrer Schilderung nach zu kurz, sondern auch die Patienten. Die Autorin nennt es „die ewige Kluft zwischen dem, wie es sein soll, und dem, wie es ist, weil es anders einfach nicht geht“. Ein Beispiel: In der Unfallchirurgie meldet sich eine Kollegin krank, so dass Schaffrath mit einer weiteren Pflegekraft für fünfunddreißig Patienten verantwortlich ist. Als einer davon ausrastet, ist die Frage: Schaffen sie es, ihn zu beruhigen, oder bleiben die anderen vierunddreißig auf der Strecke? Zumal bei allen frisch Operierten regelmäßig verschiedene Werte gemessen werden müssten. „Wir können froh sein, wenn wir das einmal pro Schicht schaffen.“

Blut, Schmerz, Leid und Tod

Weitreichende Rückschlüsse und Handlungsempfehlungen zieht Schaffrath aus dem, was sie erlebt hat, nur an wenigen Stellen. Zum Teil sind das konkrete Vorschläge, etwa Stationen, die mit dem Nachwuchs schlecht umgehen, für die Ausbildung zu sperren. An anderer Stelle wird sie grundsätzlich: „Ich möchte für meine Entscheidung, einen Beruf zu erlernen, der mich tagtäglich mit Kotze, Scheiße, Blut, ansteckenden Krankheiten, Schmerz, Leid und Tod konfrontiert, besser behandelt werden.“

So emotional schreibt sie in weiten Teilen des Buches. Auch, wenn es darum geht, wie sie immer wieder an Grenzen kommt, zeitweise jeden Tag weint, weil sie nicht abschalten, keine Distanz zum Job mehr schaffen kann. Von einem bestimmten Punkt an geht es für sie nur noch ums Durchhalten, um die Frage, wann die „Quälerei“ endlich ein Ende hat. „Systemrelevant“: Diese in der Corona-Krise entstandene Zuschreibung für die Pflege dürfte in ihren Augen wie Hohn wirken.

Restlos desillusioniert

Für den analytischen Überbau, einen nüchterneren Blick auf die Probleme in der Pflege, ist das Nachwort zuständig, in dem der Pflegerechtler Thomas Klie mit Andreas Krahl spricht, einem Krankenpfleger und Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Doch so subjektiv die Schilderungen Maximiliane Schaffraths auch sein mögen, machen sie schon für sich genommen deutlich, wie schwierig die Situation in der Pflege ist und was sich ändern muss.

Es seien jedenfalls nicht der Beruf an sich, die Krankheiten oder die Patienten, die auf ihr lasteten, schreibt Schaffrath. Und tatsächlich zeigt die Autorin auch, wie vielfältig eine Ausbildung in der Krankenpflege sein kann und dass Kollegialität möglich ist. Voller Idealismus gestartet, auf der Suche nach einer Arbeit, die sinnvoll ist, sei sie nach drei Jahren „restlos desillusioniert“.

Maximiliane Schaffrath: „Systemrelevant“. Hinter den Kulissen der Pflege. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2021. 240 S., br., 18,– €.

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