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#Auch unter wechselnden Bedingungen erfinden sie sich immer wieder neu

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Eine Globalgeschichte Griechenlands? Der heutige Staat um die Hauptstadt Athen macht mit knapp elf Millionen Einwohnern etwas mehr als ein Promille der Weltbevölkerung aus. Es gibt ihn erst seit weniger als zweihundert Jahren, zudem anfangs mit einem deutlich kleineren Territorium als heute. Dennoch spannt Roderick Beaton, Professor in London und ein Kenner des byzantinischen und modernen Hellas, seine Erzählung von der Bronzezeit bis in die Gegenwart. Den Kern der historischen Kontinuität sucht er in den Menschen, genauer: den Sprechern der griechischen Sprache.

Allerdings übergeht er dabei weitgehend die Frage nach den tiefgreifenden Wandlungsprozessen des antiken hellenischen Idioms während der byzantinischen Epoche sowie der vierhundert Jahre währenden osmanischen Herrschaft über den Südbalkan. Unerwähnt bleibt der gelehrte Außenseiter Jakob Philipp Fallmerayer, der den philhellenischen Zeitgeist des neunzehnten Jahrhunderts störte, indem er durch die Analyse von Orts- und Flussnamen nachzuweisen suchte, die auf der Peloponnes siedelnden Menschen seiner Zeit seien nicht etwa Abkömmlinge der antiken Hellenen, sondern stammten von Albanern und Slawen ab, die während des Mittelalters dort eine neue Heimat gefunden hatten. Die neugriechische Nationalität ruhe, so seine These, auf einem von den alten Griechen ganz verschiedenen, slawisch-balkanisch dominierten Völkergemisch.

Auch wenn Fallmerayer wütende Kritik erfuhr oder ignoriert wurde, so hatte er doch einen Punkt getroffen. Denn lange blieb in der Tat strittig, ob die neuen Griechen, auch die Elite, die im Land gesprochene Sprache (Demotiki) mit ihren Dialekten benutzen sollte oder eine ‚reine‘, von Philologen geschaffene Sprache, die Katharevusa, die sich in Lexik und Morphologie stark am Altgriechischen ausrichtete. Formal bestand diese besondere Zweisprachigkeit bis vor knapp fünfzig Jahren; allerdings hatten praktische Erfordernisse da längst eine Annäherung bewirkt, und die heute gebräuchliche Koini Neoelliniki ist eine Synthese aus den beiden einander lange gegenüberstehenden Paradigmen.

Die Schwäche des schrumpfenden Reiches

Auch wenn man über die Entwicklung der Sprache gern mehr erführe, handhabt Beaton die Identitätsfrage undogmatisch und pragmatisch. Denn seine Griechen zeichnen sich gerade durch eine bemerkenswerte Anpassungsbereitschaft und Neugierde aus – eine Bestimmung, die nahe bei der von Edith Hall für die Antike vorgetragenen liegt. Ihre Fähigkeit, sich unter wechselnden Bedingungen immer wieder neu zu erfinden, mündete nicht nur in gewandelte Identitäten über die Zeiten und Räume hinweg, sie eröffnete den meist wenig zahlreichen und nur mit knappen Ressourcen versehenen Hellenen überdies, stets neue Wege, Räume und Möglichkeiten zu finden.

Roderick Beaton: „Die Griechen“. Eine Globalgeschichte.


Roderick Beaton: „Die Griechen“. Eine Globalgeschichte.
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Bild: Reclam Verlag

Von den expandierenden Mykenern bis zu den griechischen Gemeinden in Astoria im New Yorker Stadtteil Queens, in Boston, Chicago und vielen anderen Städten der Welt außerhalb des Kernlandes: Beatons Griechen erweisen sich als weltgewandt, weil sie mobil sind, ferner bereit, sich neu zu orientieren, und dabei doch immer als Griechen erkennbar bleiben und die Kräfte des familialen wie des ethnokulturellen Zusammenhalts zu nutzen wissen – selbst wenn die meisten von ihnen gar kein Griechisch mehr sprechen. Weil sie fast überall angekommen seien, so die schlichte wie treffende Quintessenz, konnten sie zuletzt eine herausragende und unverwechselbare Rolle beim Entstehen der globalen Kultur spielen.

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