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#Baubranche: Materialengpass, Lieferprobleme: Wie viel kann die Baubranche noch aushalten?

„Baubranche: Materialengpass, Lieferprobleme: Wie viel kann die Baubranche noch aushalten?“




Die Folgen des Ukraine-Kriegs haben die Baubranche erreicht: Es fehlt an Material, die Lieferzeiten haben sich verdoppelt. Die Kurzarbeit steht im Raum. Ein Baustellen-Besuch.

Irgendwie ist die Energie an allem schuld. Zumindest an den steigenden Kosten in der Baubranche. Und die bekommen Unternehmerinnen und Unternehmer wie auch ihre Kunden gerade deutlich zu spüren. Auch Franz Schichtl vom gleichnamigen Bauunternehmen. Er steht auf einer seiner Baustellen im Ostallgäu im trockenen Gras. Vor ihm ist eine noch feuchte Betonfläche, seine Mitarbeiter stapfen in dem grauen Matsch herum, streichen die Masse glatt. Schichtl zeigt auf die Bodenplatte und fasst das Problem der Branche nüchtern zusammen: „Überall steckt hier auf dem Bau Energie drin.“ Und damit überall steigende Preise.

Die Energiekosten sind in den vergangenen Monaten so enorm gestiegen, dass auch die Preise für Materialien in bislang unbekannte Höhen schnellen. Es entstehen Lieferverzögerungen, Bauherren stehen vor explodierenden Angebotspreisen. Das Bizarre daran: Die Nachfrage im Baugewerbe ist weiter hoch, Kurzarbeit droht trotzdem.

Stahl, Holz, Dämmstoffe: enorme Preissteigerung seit Kriegsbeginn

Mit Ruhe und eingespielten Bewegungen gießen Schichtls Mitarbeiter Betonmasse auf die vorbereitete Bewehrung. Hier im Ostallgäu soll eine neue Rettungsstelle des Bayerischen Roten Kreuzes entstehen. Alles läuft bisher nach Plan, sagt Schichtl, während die zähe Masse langsam zu einer ebenen Fläche gestrichen wird. Wären da nur nicht die Preise. Die Bewehrung, also die Gitterstäbe, auf die die Bauarbeiter den Beton gießen, sind aus Stahl. Und Stahl ist allein im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt um über 50 Prozent teurer geworden. Tendenz steigend.

Der weitere Anstieg hängt dabei mit den Importländern zusammen: 30 Prozent der Stahlimporte aus Drittländern stammte laut Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) aus Russland, Belarus und der Ukraine. Doch dort, wohl auch in diesem Moment, als Schichtls Mitarbeiter Beton gießen, fallen an einem der größten Stahlwerke Europas in Mariupol Schüsse. Russische und ukrainische Soldaten kämpfen im Werk Asowstal um ihr Leben – und um Stahl. Krieg und Sanktionen verhindern den Import von Stahl aus Russland oder der Ukraine. Und der Rest der Produzenten auf der Welt hadert eben mit dem einen großen Treiber, der überall die Herstellungskosten so stark steigen lässt: der Energie.

Bei einigen Politikerinnen und Politikern läuten deshalb schon die Alarmglocken: Ina Scharrenbach (CDU), Bauministerin in Nordrhein-Westfalen, hat das Kartellamt bereits dazu aufgefordert, den Bausektor genauestens zu beobachten. Sie habe den Eindruck, dass es zu Preisabsprachen kommen könnte. Zuvor bat bereits Robert Habeck (Grüne) das Amt, einen strengen Blick auf die Preise von Benzin und Diesel zu werfen.

Aktuell ist die Auftragslage im Baugewerbe noch gut

Aktuell scheinen Häuslebauer und öffentliche Bauträger die steigenden Preise bei laufenden Projekten noch in Kauf zu nehmen. Das Landesamt für Statistik teilte mit, dass die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent auf 21.493 gestiegen ist. Doch erste Zurückhaltungen zeigen sich: Laut einer Umfrage des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen unter seinen 500 Mitgliedern, wollen knapp 60 Prozent von ihnen Neubau- und Modernisierungsprojekte zurückstellen. Meldungen über nachträglich neu genehmigte Preiserhöhungen in Stadt- und Gemeinderäten häufen sich. Abhilfe schafft seit März nun eine Preisgleitklausel, die bei Bauleistungen für den Bund sogar bis Ende Juni zur Pflicht geworden ist. Öffentliche Auftraggeber sollen sich daran orientieren können, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Die Preisgleitklausel ermögliche eine Angleichung der Preise an die Marktentwicklung. Oder wie es der Bauunternehmer Schichtl sagt: „Mit der Klausel können jetzt Materialkosten angepasst werden.“ Und das auch nach Vertragsabschluss. Bei privaten Bauten müsse man eben mit den Betroffenen sprechen, sagt Schichtl.

Kalkulationen sind insgesamt schwierig geworden, erklärt der Bauunternehmer. Verstärkt seit Februar – seit Beginn des Ukraine-Krieges. Corona, sagt Schichtl, war im Vergleich nur eine kleine Störung. Der Krieg: ein Erdbeben. Festangebote gibt es nicht mehr, Tagespreise sind die Grundlage der Kalkulation. Neben Stahl ist auch der Preis für Holz und Dämmstoffe explodiert, die ohnehin schon in der Pandemie gestiegen waren. Weitere Beispiele fallen ihm unzählige ein: Von März bis Mai dieses Jahres gab es laut Schichtl kaum mehr Dachziegel zu kaufen. Und was derzeit kurzfristig überhaupt nicht mehr lieferbar sei, sind Fliesen. Ach ja, Fenster auch nicht mehr, sagt er. Das heißt, die Rahmen schon, nur am Glas, das in der Herstellung energieintensiv ist, mangelt es.

Der Allgäuer Unternehmer ist damit natürlich nicht der einzige Betroffene. Im Gegenteil, die ganze Baubranche sieht sich mit den wachsenden Problemen konfrontiert. Im Straßenbau mangelt es beispielsweise an Bitumen, das für die Herstellung von Asphalt notwendig ist und aus Russland importiert wurde.

Kommt eine Rezession in der Baubranche?

Auf die Baubranche rollt damit vielleicht eine Rezession zu, die wahrlich paradox ist: „Nicht wie früher das Wetter, sondern das Problem mit dem Material könnte jetzt Kurzarbeit fordern“, sagt Lothar Urmoneit. Er ist Geschäftsführer der Baufirma Josef Hebel, die Sitze in Memmingen, Ravensburg und München hat. Trotz voller Auftragsbücher könnte den Unternehmen im Baugewerbe womöglich bald Kurzarbeit drohen. Wegen Materialmangels geschlossen? Denkbar. Dieser Gedanke führt allerdings auch dazu, dass Unternehmen jetzt einkaufen, was sie vielleicht erst in einigen Monaten wirklich brauchen. Die Verknappung schaukelt sich also künstlich hoch.

Urmoneit weiß bislang nur zwei Fälle, bei denen private Bauherren ihre Pläne zurückgezogen haben. Auch Schichtl kennt bisher wenige, wenn dann seien es junge Familien, die sich nun erst gar nicht mehr für einen Hausbau entscheiden. Die erwarteten steigenden Zinsen könnten die Situation dann aber verstärken. Kredite wären dann nicht mehr so leicht finanzierbar wie jetzt – und damit der Traum vom Eigenheim. Sowohl Schichtl als auch Urmoneit denken aktuell noch nicht wirklich an Kurzarbeit. „Die Arbeit ist da“, sagt Schichtl. Zudem sind beide Unternehmen zukunftsorientiert. Ersatzinvestitionen sind ohnehin notwendig, sagt Urmoneit. Trotzdem sei „Vorsicht angesagt“, man überlege sich mittlerweile schon genauer, ob Investitionen wirklich nicht ausgelassen werden können. Der ZDB fordert vom Bund jedenfalls, die Unternehmen weiterhin zu entlasten, um Kündigungen zu vermeiden.

Und Schichtl? Auch der investiert. Na klar, sagt er auf der Baustelle im Ostallgäu stehend. Er wünscht sich, dass sein Unternehmen weitergeführt wird, deshalb plant er derzeit auch den Bau einer weiteren großen Halle. „Die Nachfolge unseres Unternehmens ist gesichert.“ Sohn und Tochter könnten einmal einsteigen. Rezessionen, sagt er, gab es im Baugewerbe schon viele in den vergangenen Jahrzehnten. Da werde man auch diese überstehen. „Es hilft ja nichts.“

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