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#Biosynthese von Strychnin aufgeklärt

„Biosynthese von Strychnin aufgeklärt

Strychnin, das hochgiftige Alkaloid der Brechnuss, inspiriert nicht nur Krimiautoren. Auch Chemiker sind seit der Entdeckung des Gifts fasziniert von seiner komplexen Molekularstruktur. Obwohl Strychnin seit Jahrzehnten chemisch synthetisiert werden kann, war unklar, wie die Natur dieses außergewöhnliche Gift herstellt. Nun haben Forscher den Syntheseweg in der Brechnuss detailliert nachvollzogen. Die beteiligten Gene transferierten sie in eine Tabakpflanze, die daraufhin ebenfalls Strychnin produzierte.

In Agatha Christies Erstlingswerk „Das fehlende Glied in der Kette“ stirbt das Opfer, von Krämpfen geschüttelt, an einer Strychninvergiftung. Auch in zahlreichen anderen Kriminalromanen und -filmen kommt das giftige Alkaloid der Brechnuss (Strychnos nux vomica), das lange als Rattengift genutzt wurde, zum Einsatz. Das Gift löst schon in geringer Dosierung tödliche Muskelkrämpfe aus. Chemisch isoliert wurde das Strychnin erstmals 1818, 1946 gelang es dem Chemiker Robert Robinson, die komplexe Struktur des Moleküls aufzuklären. Acht Jahre später entwickelte Robert Burns Woodward ein Verfahren, um Strychnin chemisch zu synthetisieren. Auf welche Weise Strychnin allerdings in der Natur in der Brechnuss entsteht, war lange ein Rätsel für die Wissenschaft.

Spurensuche im Genom

Ein Team um Benke Hong vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena ist diesem Rätsel nun auf die Spur gekommen. „Unsere Schlüsselfrage war, wie wir die Gene finden können, die für die Biosynthese von Strychnin in der Brechnuss verantwortlich sind“, sagt Hong. „In einem ersten Schritt haben wir die Expression der Gene von zwei Arten der gleichen Gattung (Strychnos) verglichen, von denen aber nur der Brechnussbaum Strychnin produziert.“

Auf dieser Grundlage identifizierten sie Gene, die möglicherweise an der Herstellung von Strychnin beteiligt sind. Dabei orientierten sie sich an Annahmen zu chemischen Umwandlungsprozessen, die über mehrere Zwischenprodukte verlaufen. Eines dieser Zwischenprodukte, Geissoschizin, wird unter anderem auch in der Heilpflanze Madagaskar-Immergrün produziert. Die Schritte bis zu diesem Zwischenprodukt sind bereits biochemisch aufgeklärt – und tatsächlich fanden Hong und seine Kollegen die entsprechenden Gene auch im Brechnuss-Genom.

Chemische Detektivarbeit

Für die weiteren Schritte ließen sich die Forscher von chemischen Überlegungen leiten: „Auf der Grundlage der chemischen Strukturen und Mechanismen ergab sich für jeden Schritt im Stoffwechselweg ein Vorschlag für die chemische Umwandlung“, erklärt Hongs Kollegin Sarah O’Connor. Für jede chemische Reaktion von Zwischenprodukt zu Zwischenprodukt überlegten sie, welche Art von Enzym benötigt werden könnte und suchten dann nach einem entsprechenden Gen.

Um zu überprüfen, ob die gefundenen Gene tatsächlich die vermutete Aufgabe haben, transferierten die Forscher sie in Tabakpflanzen, die daraufhin ebenfalls die jeweiligen Enzyme produzierten. Gaben die Forscher dann die entsprechenden Ausgangsstoffe hinzu, zeigte sich, ob diese durch die Enzyme zu den nächsten Produkten des Synthesewegs umgewandelt wurde. Auf diese Weise identifizierte das Team alle Gene bis zur Herstellung des Moleküls Prestrychnin, der letzten Vorstufe von Strychnin.

Entdeckung durch Zufall

Nur für den letzten Schritt der Synthese, der Umwandlung von Prestrychnin in Strychnin, konnten sie kein Enzym finden. „Wir dachten zunächst, dass dieser Prozess von einem oder mehreren Enzymen katalysiert werden muss. In der Tat haben wir viele Enzyme untersucht, aber keines von ihnen war reaktiv“, berichtet Hong. Doch der Zufall kam den Forschern zu Hilfe: „Überraschenderweise stellte ich eines Tages fest, dass eine Prestrychnin-Probe, die bei Raumtemperatur auf dem Labortisch gelagert wurde, sich im Laufe der Zeit langsam in Strychnin umgewandelt hatte“, so Hong. Offenbar benötigt der letzte Schritt also keine Enzyme, sondern läuft spontan ab.

Zusätzlich zum Biosyntheseweg von Strychnin fanden die Forscher auch heraus, wie verwandte Moleküle produziert werden – Brucin in der Brechnuss und Diabolin in einer anderen Art der Gattung Strychnos. Die Ergebnisse ermöglichen es nun, die entsprechenden Moleküle nicht nur chemisch zu synthetisieren, sondern sie auch mit einem Verfahrens namens Metabolic Engineering herzustellen. Dabei werden einzelne Enzyme in natürlichen Stoffwechselwegen so verändert, dass das gewünschte Produkt entsteht. Dies macht es unter anderem einfacher, Wirkstoffe für medizinische Anwendungen zu gewinnen.

Quelle: Benke Hong (Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04950-4

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