#Bundestagswahl: Taugt die Deutschlandkoalition als Modell für den Bund?

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„Bundestagswahl: Taugt die Deutschlandkoalition als Modell für den Bund?“
Mindestens 376 Abgeordnete brauchen die Parteien, um eine regierungsfähige Mehrheit bilden zu können. Orientiert man sich an einer aktuellen Forsa-Umfrage, wären drei Konstellationen denkbar: Schwarz-Grün (zusammen 381 Mandate), die Deutschland-Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP (455 Mandate) sowie eine Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP (402 Mandate). Eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP könnte sich zwar auf 488 Abgeordnete stützen – das ist beinahe eine Zwei-Drittel-Mehrheit – aber da Union und Grüne auch ohne die Liberalen eine Regierung bilden könnten, wäre eine solche Koalition eher unwahrscheinlich. Schwarz-Gelb hätten zusammen 324 Mandate und wären damit ebenso wenig regierungsfähig wie ein Linksbündnis aus Grünen, SPD und Linke (344 Mandate).
In der Deutschlandkoalition wären die Grünen außen vor
Vor allem für jene in Union und FDP, die die selbstbewussten Grünen aus der künftigen Regierung heraushalten wollen, erscheint die Deutschland-Koalition nur allzu verlockend. Auch in den Umfragen fliegen ihr durchaus Sympathien zu. Und doch sind die Hürden gewaltig – was vor allem an der nötigen Dritten im Bunde liegt: der SPD. So pragmatisch Kanzlerkandidat Olaf Scholz auch sein mag: Gerade im eher links geprägten Lager seiner Partei blickt man mit regelrechtem Horror auf eine mögliche weitere Regierungsphase gemeinsam mit der Union. Dieser seit acht Jahren währenden „Zwangsehe“ geben nicht wenige in der Partei die Verantwortung für die schwindenden Zustimmungswerte. Schon nach der Wahl 2017 versuchten Teile der Partei die Neuauflage der GroKo zu verhindern, unterlagen dann aber in einer hart umkämpften parteiinternen Abstimmung. Umso größer ist nun der Druck, eine Wiederholung auszuschließen. „Die SPD sollte dafür kämpfen, führende Kraft in einem linken Reformbündnis zu werden“, sagt Hilde Mattheis. Die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Ulm war eine der maßgeblichen Triebkräfte, die eine Große Koalition abwehren wollte. Die Zukunft ihrer Partei sieht sie in einem klaren Bekenntnis zu einer stärkeren sozialen Ausrichtung. „Die Wahlprogramme von Union und FDP lesen sich dagegen in Teilen wie ein Manifest des Neoliberalismus mit einer Umverteilungspolitik von unten nach oben“, sagt Mattheis unserer Redaktion. „Ich kann meiner Partei nur dringend abraten, bei dieser unsozialen Politik als Steigbügelhalter zu dienen.“

Foto: Sina Schuldt, dpa
Auch die Jugendorganisation der SPD sendet klare Signale in Richtung Parteispitze. „Koalitionen mit Unionsbeteiligung sind für uns als Jusos keine Option“, stellt Juso-Chefin Jessica Rosenthal klar und erklärt auch gleich, warum. Gerade für junge Menschen gehe es bei dieser Wahl um sehr viel. Denn es komme, sagt sie, jetzt darauf an, für alle einen Ausbildungsplatz zu schaffen, für bezahlbares Wohnen zu sorgen und das Wirtschaftssystem ökologisch umzubauen. „Das alles geht nicht mit einer inhaltlich völlig entkernten Union, die seit Jahren mit beiden Beinen auf der Bremse steht, wenn es um unsere Zukunft geht – ob beim Klima oder dem Breitbandausbau“, glaubt Rosenthal. „Deshalb kämpfen wir für eine starke SPD und die Union in der Opposition – mit über 80 Jusos, die für den Bundestag kandidieren.“ In der Opposition würde die Union nach jetzigem Stand allerdings nur landen, wenn die FDP zu einer Ampel-Koalition mit Grünen und SPD bereit wäre. Ein Bündnis, das noch höhere inhaltliche Hürden haben dürfte als die Deutschlandkoalition mit einer machtpolitisch vergleichsweise flexiblen Union als Puffer.
Warum das Problem der SPD in der Opposition nicht gelöst wäre
Doch tut sich die SPD wirklich einen Gefallen, wenn sie schon vor der Wahl weitreichende Optionen ausschließt? „Es ist doch eine Illusion, wenn man glaubt, die SPD könne sich in der Opposition regenerieren“, sagt Manfred Güllner, Chef des wichtigen Meinungsforschungs-Instituts Forsa. Ab den 80er Jahren, nach dem Rücktritt von Willy Brandt, sei die SPD 16 Jahre lang in der Opposition gewesen. „Hat sie sich regeneriert? Nein!“, sagt Güllner. Erst Gerhard Schröder habe es Ende der 90er Jahre durch einen Kurs der Mitte geschafft, die SPD wieder für breitere Schichten als nur die Kernanhängerschaft wählbar zu machen. Schröder sei eine attraktive Alternative gewesen für all jene, die nach 16 Jahren Helmut Kohl ermattet waren. Mit Schröder und dessen Politik allerdings hadert die SPD bis heute, nicht wenige halten ihn für einen Verräter an sozialdemokratischen Werten. Anders sehen das breite Bevölkerungsteile – und nicht nur das. „Die SPD glaubt immer noch, dass eine Regierung mit der CDU ihre Wähler abschreckt – aber das stimmt überhaupt nicht“, sagt Manfred Güllner. „Sie hat ihre Wähler nicht verloren, weil sie Teil der Großen Koalition war, sondern weil sie so ist, wie sie ist – sie hat sich in den vergangenen Jahren zu weit nach links orientiert.“ Das zeigt auch die Umfragekluft zwischen ihrem Kanzlerkandidaten Scholz, ein Anhänger der GroKo, und der Partei an sich – Scholz‘ Image ist bei den Wählern deutlich besser als das der links geführten Parteispitze.
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Foto: Christophe Gateau, dpa
Deutlich beweglicher gibt sich diesmal die FDP. Ein Debakel wie 2017, als er auf einmal als politischer Arbeitsverweigerer galt, will Parteichef Christian Lindner nicht mehr erleben. Auch wenn er sich derzeit nicht zu Koalitions-Spekulationen hinreißen lassen will, gilt es als unwahrscheinlich, dass er ein Bündnis mit der Union und einem dritten Partner ausschlagen würden. „Christian Lindner muss versuchen, mitzuregieren“, sagt Forsa-Chef Güllner. „Viele der klassischen Wählerinnen und Wähler hatten sich nach seiner Weigerung gegenüber der Jamaika-Koalition vor vier Jahren von der Partei abgewandt.“ Sie hatten gehofft, dass die FDP offensiv die Interessen des Mittelstandes vertreten würde – was in der Opposition deutlich schwieriger wurde. „Und dann ist da auch noch Lindners persönlicher Ehrgeiz“, sagt Güllner. Der FDP-Chef wolle nicht mehr nur im Fraktionsbüro seiner Partei sitzen, sondern in einem Minister-Büro.
Doch egal, wie sich die Parteien auch positionieren – dass die Diskussion um mögliche Koalitionen große Auswirkungen auf den Ausgang der Wahl hat, glaubt Güllner ohnehin nicht. „Die Wähler entscheiden sich zunächst für eine Partei und gucken dann am Montag, was sie mit ihrer Entscheidung angerichtet haben“, sagt der Wahlforscher.
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