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#Diesmal wäre es ein menschengemachter Atomunfall

„Diesmal wäre es ein menschengemachter Atomunfall“

Rafael Grossis Appell war eindringlich. „Wenn es jetzt einen Atomunfall gibt, dann wird die Ursache diesmal nicht ein Tsunami sein, den Mutter Natur hervorgebracht hat“, sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am Montag in Wien. „Vielmehr wird es passieren, weil wir Menschen versagt haben, das zu tun, wovon wir wissen, dass wir es könnten und sollten.“ Der IAEA-Chef sprach vor den 35 Botschaftern, die stellvertretend für die 173 Mitgliedstaaten der zur UN-Familie gehörenden Organisation im Gouverneursrat sitzen, unter ihnen auch ein Vertreter Russlands. „Wir müssen verhindern, dass das passiert.“

Wieder und wieder hat der Chef des IAEA-Apparats seit dem Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine davor gewarnt, dass dort eine nukleare Katastrophe geschehen könnte, selbst dann, wenn keine der Kriegsparteien das beabsichtige. Dabei versucht er, seiner Rolle gemäß, jeden Eindruck einer Parteinahme zu vermeiden. Es gehe ihm allein um seine Aufgabe als Haupt der in Wien ansässigen Agentur, für die Sicherheit und Absicherung nuklearer Anlagen zu sorgen.

„Das war eine knappe Sache“

Vergangenen Freitag war es auf dem Gelände des Kernkraftwerks Saporischschja im Südosten der Ukraine zu einem Brand in einem Gebäude gekommen. Es gehörte nicht zu den sechs Reaktorblöcken, die an dem größten Kernkraftwerk Europas betrieben werden, doch stand es nahebei: ein Verwaltungsgebäude, das als Schulungszentrum genutzt wurde. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den Russen vorgeworfen, das Kernkraftwerk bombardiert zu haben, Russland bezichtigte ukrainische Saboteure. Grossi sprach von einem „militärischen Projektil“, das, soweit er wisse, von russischer Seite abgeschossen worden sei.

Bilder, die im Netz kursieren, legen nach Ansicht von Militärfachleuten nahe, dass ein nächtlicher Schusswechsel unter Einsatz von Leuchtspurmunition stattgefunden hat und dass es ein Geschoss zur Gefechtsfeldbeleuchtung war, durch welches der Brand verursacht wurde. Das Feuer war dann relativ schnell durch das örtliche Personal gelöscht, die Reaktoren waren nicht betroffen, Radioaktivität wurde nicht freigesetzt.

Für Grossi ändert das nichts an der Bedrohlichkeit des Vorfalls: „Das war eine knappe Sache“, sagte er laut ­Manuskript. „So eine Situation darf es unter keinen Umständen wieder geben.“ Die „militärischen Operationen“ bei Nukleareinrichtungen erzeugten eine „nie da gewesene Gefahr eines Atomunfalls, der die Leben von Menschen in der Ukraine in Gefahr bringt, aber auch in Nachbarländern, einschließlich Russlands“. Inzwischen kommt ein weiterer Grund zur Sorge dazu. Die russischen Kräfte beherrschen nicht mehr nur das Betriebsgelände, sondern haben auch das Kommando im Kraftwerk selbst übernommen.

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Damit hingen technische Entscheidungen des ukrainischen Betriebspersonals von der Zustimmung der Soldaten ab. „Das ist kein Weg, ein Kernkraftwerk sicher zu betreiben“, mahnte Grossi. Außerdem gefährde es die Sicherheit, dass die innere wie äußere Kommunikation unterbrochen worden sei, wie es durch die ukrainische Atombehörde berichtet worden sei. „Ich bin sehr besorgt über diese Wendung.“

Grossi will Treffen in Tschernobyl

Doch nicht nur die Kernkraftwerke mit dem Maximalrisiko einer nuklearen Katastrophe bereiten der IAEA Sorgen, sondern auch die Gefährdung der zahlreichen Stätten, an denen schwach radioaktives Material gelagert wird. Auch dort sei bei Freisetzung von Strahlung zu befürchten, dass Menschen zu Schaden kämen. Inzwischen gebe es fast täglich solche „Episoden“, sagte Grossi vor Medien. Er nannte als jüngstes Beispiel den Fall eines durch Kampfhandlungen am Sonntag zerstörten Neutronengenerators in Charkiw, der erst kürzlich für ein ukrainisch-amerikanisches wissenschaftliches Projekt installiert worden sei.

Eindringlicher Appell: IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi am Montag in Wien


Eindringlicher Appell: IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi am Montag in Wien
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Bild: Reuters

Deswegen dringt Grossi auf ein Treffen mit russischen und ukrainischen Bevollmächtigten, um eine Vereinbarung zum Schutz nuklearer Stätten vor den Kampfhandlungen zu schließen – oder vielmehr zu erneuern, denn im Prinzip sind beide Staaten als Mitglieder der IAEA ohnehin dazu verpflichtet. Grossi hatte am Freitag Tschernobyl als Ort dafür vorgeschlagen, das inzwischen ebenfalls unter russischer Kontrolle befindliche, 1986 havarierte Kraftwerk, wo sich immer noch ein „heißes“ Atommülllager befindet.

Gegen den Ort hat Russland Vorbehalte angemeldet und darauf verwiesen, es gebe genügend geeignete „Hauptstädte“ dafür. Grundsätzlich sei man jederzeit zu einem solchen Treffen bereit. Grossi versicherte, wo, sei ihm egal, Hauptsache bald. „Wir haben nicht viel Zeit, ich hoffe, ich kann reisen, ehe es eine neue Episode gibt.“ In diesem Fall scheint es die ukrainische Seite zu sein, die Vorbehalte gegen einen solchen auf nukleare Einrichtungen beschränkten Gewaltverzicht hat, sondern die Sicherheit naheliegenderweise dadurch gewährleistet sehen möchte, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht. Grossi sagte: „Ich wiederhole meinen Aufruf laut und klar, dass wir einen nuklearen Unfall in der Ukraine verhindern müssen. Verstecken wir uns nicht hinter Alles-oder-nichts-Lösungen.“

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