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#Das große Regenlied

Das große Regenlied

Viele Lieder handeln vom Regen, aber manche werden darüber hinaus mit theatralischen Mitteln zu zu regelrechten Regen-Dramen. „Riders on the Storm“ von den Doors etwa, mit seinem Wolkenbruch, in dem der killer on the road sein Unwesen treibt. Oder „November Rain“ von Guns n‘ Roses. Oder das Signaturstück der Weather Girls, die den Himmel verbiegen, dass es kracht. Oft verbindet man auch eine spezielle Erinnerung damit, wie und wo man das gehört hat. Manchmal täuscht ein en auch die Erinnerung: Hört man nun den Regen in Tony Joe Whites „Rainy Night in Georgia“, oder bildet man ihn sich nur ein?

Wohl kein Geräusch ist hörspielhafter als der Regen, in welcher Variante er auch kommen mag: längs, quer oder gar als „Hard Rain“. Die Geschichte der Popmusik in Hörspielform, wie Bob Dylan sie mit seiner „Theme Time Radio Hour“ in mehr als hundert Stunden abzubilden versucht hat, beginnt mit Regenrauschen: Die allererste Episode hatte das Thema „Weather“, und die markante Einleitung „It’s night time in the big city…“ kommt hier aus dem Regen.

Es gibt Gewitterlieder mit Sturzbächen, es gibt Tröpfellieder. Es gibt auch solche, die unglaublich nerven, weil sie Kindern oder sogar Erwachsenen verkaufen wollen, dass man dem Regen mit einem sonnigen Gemüt, also quasi angetackertem Grinsen begegnen müsse. Und dann gibt es noch jene Lieder, in denen der Regen ein eher seelisches Grundgeräusch ist. Gluckernd, plickernd, einfach von überall hervorquellend, so, dass man sofort merkt: Das ist ein Regen, der niemals aufhören wird. Ein solches Regenlied ist „De Cara a la  Pared“ von Lhasa de Sela. Der Titel bedeutet „Mit dem Gesicht zur Wand“, und es weckt in den kurzen, aber rätselhaften Strophen schillernde Assoziationen. Wer steht mit dem Gesicht zur Wand? Trauernde. Scheue. Oder auch Hinzurichtende.

Llorando
De cara a la pared
Se apaga la ciudad

„Weinend / Mit dem Gesicht zur Wand / Die Stadt macht dicht“: Aber aus der schwarzen Nacht erhebt sich die unglaubliche Stimme von Lhasa de Sela, nach einem Oktavsprung sofort wieder abstürzend, dabei das Sonore und Rauhe hervorkehrend, dass sie so charakteristisch macht. Sie singt Spanisch, es ist Flamenco-Schmerz darin zu hören; die Musik erinnert aber eher an portugiesischen Fado. Und sie hat auf sonderbare Weise auch einen Country-Rhythmus, der an sehr langsam reitende Pferde, vielleicht auch eher Kamele denken lässt. Seltsame Mischung. Es geht eine Karawane durch die Regennacht.

Llorando
Y no hay màs
Muero quizas
Adonde estàs?

Alles so kurz und schneidend, dennoch schillernd. „Weinend / Und mehr gibt es nicht“: Also nicht mehr zu sagen? Oder keine Tränen mehr? „Ich sterbe vielleicht / Und wo bist Du?“: Dazu brauchen andere zwanzig Strophen oder einen ganzen Roman. Aber hier geht es nur noch um das Wesentliche.

Llorando – Soñando – Rezando: weinend, träumend, und schließlich betend steht die Sängerin im Regen, ohne zu atmen, wie es heißt, die Lage wird zunehmend dramatischer, während die Stadt erst brennt und dann versinkt.

Te quiero amar: Am Ende wird deutlich, dass sich vielleicht auch das schon an die heilige Maria richtet, die hier dreifach um Hilfe angerufen wird, bevor die Stimme versiegt und irgendwann auch der Rhythmus, was man aber nur noch wie betäubt wahrnimmt. Am Ende bleibt nur das Rauschen im Kopf.

Wenn man dazu noch etwas über die Sängerin erfährt, wie sie gelebt hat, wird die Wirkung dieses, ihres vielleicht stärksten Liedes, noch einmal größer. Ein kurzes, heftiges Leben scheint das gewesen zu sein, rastlos zwischen den Orten. Lhasa wurde geboren in den Catskill Mountains im Staat New York, war von Kind an ständig unterwegs, in Mexiko, in San Francisco, in Marseille, in Montreal. Fast märchenhaft klingt die Geschichte manchmal: ein Zirkusdasein zusammen mit wilden Schwestern, dazwischen die Entstehung von drei Musikalben – und dann der viel zu frühe Tod 2010. In Montréal hat man einen Park nach ihr benannt.

So wechselhaft die Existenz, so unterschiedlich sind die drei Alben geworden. Man kann vielleicht darüber streiten, aber das eindrucksvollste scheint das Debüt „La Llorona“  (“Die Heulsuse“)  aus dem Jahr 1997 zu sein. „The Living Road“ (2003) und „Lhasa“ (2009) sind auch stark, aber das Debüt ist einfach eine Wucht. Es lotet alle Leidenschaften aus, auch die der Entzündlichkeit, es gelangt unter Aufbietung aller Wüstensounds zur Erschöpfung in „El Desierto“. Das Album endet mit Klängen der singenden Säge und einem Lied über den Baum des Vergessens. Aber vergessen kann man die Platte, die Stimme und insbesondere das Lied des großen Regens nie wieder, es bleibt einem für immer.

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