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#Das Genie des Massenmarkts schuf die schönsten Bilder für sich selbst

Das Genie des Massenmarkts schuf die schönsten Bilder für sich selbst

Den Maler Franz von Defregger hat die Kunstgeschichte völlig vergessen. Seit 1945 hatte sie es sich leichtgemacht. Defregger war Hitlers Lieblingsmaler, vorgeblicher Verherrlicher von Andreas Hofer wie auch anderer nationaler Freiheitskämpfer und Schilderer von trügerischen Bauernidyllen. Das Tiroler Landesmuseum in Innsbruck hätte es sich ebenfalls einfach machen und etwa auf Defreggers eher unpolitisches Naturell, seine sympathetischen Bildnisse von Rabbinern oder sein weit vor dem nationalsozialistischem Terror liegendes Todesdatum 1921 verweisen können, dem äußeren Anlass der jetzigen Retrospektive zum hundertsten Todestag des Malers. Der versierte Kurator Peter Scholz aber hat den schwierigeren Weg gewählt und den Untertitel der Ausstellung „Mythos, Missbrauch, Moderne“ mit Leben erfüllt – mit überraschenden Funden, die den Blick auf Defregger verändern könnten.

Stefan Trinks

Wer oder was aber war dieser Künstler in seiner Zeit? Aus einer kunstfernen Tiroler Bauernfamilie kommend, wurde er über den Umweg einer Münchner Privatschule einer der bedeutendsten Historienmaler der Zeit. Für seine „Erfindung“ eines gewagten Gattungs-Mix, der genrehaften, aber durchaus poetischen Schilderung bäuerlichen Lebens im Stil der Historienmalerei, rühmten ihn Zeitgenossen als „Homer des Bauernstands“. Wie ein Kapitel der Schau zeigt, ist selbst noch das heutige Touristenbild Tirols stark von Defreggers idealisierten und damals schon aus der Zeit gefallenen Bildern geprägt – der modernste Gegenstand auf seinen Bauernhistorien ist eine Spieluhr.

Gegen die damaligen Defregger-Sammler ist Jeff Bezos arm

Diese heilen Welten waren in der beschleunigten Industrialisierung gefragt und wurden durch die Dependancen der Münchner Repro-Anstalt Hanfstaengl millionenfach von New York bis Kalkutta verbreitet, wobei die Erlöse aus den Repro-Rechten aufschlussreich sind: Ein Bild Klimts erbrachte 1000 Mark, eine Defregger-Madonna 5000. Fast achtzig seiner Gemälde gelangten bis in die Neue Welt.

Von Rembrandt lernen heißt Orientalismus richtig lernen: Franz von Defreggers „Porträt eines Afrikaners mit weißem Kopftuch“ stammt bereits aus dem Jahr 1862.


Von Rembrandt lernen heißt Orientalismus richtig lernen: Franz von Defreggers „Porträt eines Afrikaners mit weißem Kopftuch“ stammt bereits aus dem Jahr 1862.
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Bild: Tiroler Landesmuseen

Medien-Tycoon William Randolph Hearst, von Orson Welles als „Citizen Kane“ verewigt, besaß fast selbstverständlich einen Defregger. Der einst reichste Mann der Welt, der New Yorker Eisenbahn-Magnat William Henry Vanderbilt mit einem auf heutige Kaufkraft umgerechneten Vermögen von 355 Milliarden Dollar, gab eigens ein Bild bei ihm in Auftrag, das er neben die bewunderten Franzosen Corot und Millet hängte. Enorme zweiunddreißig Jahre lang war Defregger Professor für Historienmalerei an der Münchner Kunstakademie, geadelt wurde er auch. Das „Jahrbuch der Vermögens der Millionäre Bayerns“ zählt ihn 1914 neben Lenbach und Stuck zu den elf Künstler-Millionären des Landes. Den Höhepunkt seines Ansehens genoss er in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Hernach der Massenproduktion von an die zweitausend Bauernidyllen und Tirol-Bildern geziehen, fiel er schon bei der zeitgenössischen Kunstkritik in Ungnade, verkaufte allerdings weiterhin glänzend.

Was nicht wegzudiskutieren ist, bleibt das Totreiten seines Erfolgsmodells: Dass Defregger nach den ersten ermalten Millionen nicht den Wagemut aufbrachte, nur noch so frei zu malen, wie er es nach seinen zwei Jahren Frankreich-Aufenthalt von 1863 bis 1865 tat, schmerzt heute noch. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren; die für den gelernten Maurer nie mehr aufs Spiel zu setzende materielle Basis  und das Renommee der Akademieprofessur mögen Motive gewesen sein. Der biographische Dreisprung einer Katalogüberschrift – „Bekannt, verkannt, unbekannt“ – trifft somit auf ihn wie auf wenige andere Künstler zu. Angesichts der nun zu sehenden Werke, vor allem über siebzig nur selten bis nie gezeigte bemerkenswerte Leihgaben aus dem Familienbesitz der heutigen Defreggers, ist zumindest das „unbekannt“ künftig nicht mehr begründbar.

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