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Das Geisterhaus

Poltergeister spielen nicht. Das wissen wir dank Steven Spielberg seit bald vier Jahrzehnten. Sie spuken sich die Seele aus dem toten Leib und zermalmen ein komplettes Haus, wenn es auf einem entweihten Friedhof errichtet wurde, zumindest eines in amerikanischer Sperrholzbauweise. Dass diese Rache der Entmieteten sich 1982 keinen müden Fluch lang um Realismus scherte, machte ihren Reiz aus. An der heruntergekommenen massiven Steinvilla im Dresdner Umland, in der es im „Tatort“ zu poltern scheint, hätten sich die Klapperskelette allerdings ihre morschen Zähne ausgebissen. Und nicht nur daran: Auch der psychologische Abwehrzauber kommt hier knüppelhart zum Einsatz, hat sich bis in den Titel „Parasomnia“ hinein durchgeätzt.

Erklärter Horror ist freilich nur halber Horror. Und manchmal nicht einmal das, wenn etwa die optisch schöne Szene der in Form eines Menschen auf dem Boden stehenden Farbdosen, von denen eine („die mit der roten Farbe“) blubbernd ausläuft, schnell im Bild aufgelöst wird – wir sehen einen Toten in Krimileichen-Pose –, bevor man sie für Begriffsstutzige auch noch doppelt wegerklärt: „Ich denke, sie verdrängt es. Sie macht aus etwas Schrecklichem etwas, das sie verkraften kann.“

Sie, das ist das Mädchen Talia (Hannah Schiller), das Gesichte aller Art hat, wobei es dieselben – klassischer Zombiespuk mit Angstkitzelmusik – meist nicht sonderlich gut zu verkraften scheint. Wie traumatisch müssen da erst die Erinnerungen sein, die hier verdrängt werden. Überall in diesem Haus, in dem es auch noch ständig Nacht ist, hocken Schatten mit toten Augen, die nach dem Mädchen (und den Zuschauern) griffeln. Es war offenbar keine allzu gute Idee, wieder in jene Villa einzuziehen, die Talia und ihr Vater (Wanja Mues) nach dem frühen Tod der Mutter verlassen hatten, zumal der Vater, ein monstermalender Illustrator, von den Albträumen und Schlafwandeleien der Tochter ohnehin überfordert wirkt.

Autor Erol Yesilkaya und Regisseur Sebastian Marka sind ein bestens eingespieltes Team; für die klug verschachtelte, anspielungsreiche „Tatort“-Episode „Meta“ haben sie einen Grimme-Preis erhalten. Dass sie sich hier beherzt beim Horror- und Mystery-Genre bedienen (Talia scheint verborgene Wahrheiten zu sehen), ohne dem Effekt die den „Tatort“ definierende Realitätsnähe zu opfern, ist charmant umtriebig. Etwas mehr Zurückhaltung beim Psychologisieren wäre zwar angenehm gewesen, auch eine angedeutete Spiegelhandlung auf der Ebene von Kommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel), die gegen ihren Willen zur Vertrauten des Mädchens wird, hätte es nicht gebraucht.

Aber als bildstark ins Trotzdem-Gruselige erweiterter Beziehungs-„Tatort“, der um das auch politische Thema des Verdrängens kreist – alles deutet auf einen vor Jahrzehnten umgehenden Serientäter hin, doch solche durfte es im Sozialismus nicht geben, weshalb nur halbherzig ermittelt wurde und die Akten unter Stasi-Verschluss blieben („Wir Deutschen lieben es ja, zu vergessen; da sind wir die größten Meister drin, vor allem Sachen, die wir nicht so gerne gemacht haben wollen“) –, ist diese Episode atmosphärisch und ästhetisch rundum gelungen.

Erzählerisch schwächt sich die Handlung allerdings immer stärker ab, bis schließlich nur noch unklar ist, welcher der Verdächtigen hinter den offenbar von Talia wahrgenommenen Verbrechen steckt. Das Haus hat, wie bei Spielberg, seine eigene Vergangenheit, jedoch ganz ohne Hokuspokus. Logisch oder gar glaubhaft wirken viele Details der Story schon beim Ansehen nicht, noch viel weniger im Rückblick: Warum lässt ein Mörder eine Augenzeugin einfach stehen? Warum kleidet er sich wie der reitende Tod?

Dass die eher nüchterne Krimiseite des Films den von Schiller, Gröschel und Mues getragenen emotional starken Geister-Plot halbwegs auszutarieren vermag, hat vor allem mit der ungefilterten Darbietung von Karin Hanczewski und Martin Brambach zu tun. Als pfiffig-resolute Kommissarin Gorniak und tief im Herzen von der ganzen Weiberwirtschaft nicht ganz überzeugter, aber doch grummelnd gutherziger Kommissariatsleiter Schnabel führen die beiden ein Ermittlungsduett auf, das vor allem deshalb sehenswert ist, weil es zeigt, wie gut dem Fernsehkrimi das Zurückgenommene steht.

„Parasomnia“ ist nicht der originellste „Tatort“ von Yesilkaya und Marka, aber eine elegante Improvisation über das altehrwürdige Geisterthema, die durch bestechende Optik, freihändiges Zitatespiel und ruhig-reduzierte Darstellung überzeugt. Gegen Ende gönnt sich der Film noch einen kleinen Ausflug ins Seherische, der die Zuschauer schockend fordert, um sie dann, versöhnt mit dem vom auktorialen Olymp herab umgebogenen Schicksal, der Einsicht zuzuführen, dass die Filmhistorie nie etwas anderes war als eine Eruption des Möglichkeitssinns, die alle auf diesem schwankenden Grund errichteten Wirklichkeiten zermalmt wie splitternde Sperrholzbuden.

Der Tatort: Parasomnia läuft an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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