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#Die Leiden der jungen Sisi im Wiener Intrigantenstadl

„Die Leiden der jungen Sisi im Wiener Intrigantenstadl“

Chancen und Herausforderungen weiblicher Riesenreich-Regentinnen, so rar sie in der Realität sind und waren, gehören zum Serien-Geschäft der Streamingplattformen wie das gesellschaftlich relevante Benachteiligungsdrama zu den Öffentlich-Rechtlichen. Fest überzeugt, dass Politik früher allein zwischen zerwühlten Laken gemacht wurde und nicht an Kabinettstischen, verbinden die Serien visuelle Opulenz mit emotional Ergreifendem, stellen die Mächtigen ins Spannungsfeld von Frauenemanzipation und Staatsräson. Mehr ist mehr: mehr Drama, mehr Leiden, mehr Entschlossenheit, mehr Eine-Frau-geht-ihren-Weg, mehr Schwäche der Männer.

In den ansehnlichen Produktionen sorgt das für eine gewisse Horizonterweiterung. „Catherine, the Great“ (Sky) mit Helen Mirren ist ein herausragender Fall, „The Crown“ (Netflix) ist es stellenweise, Qualitäten hat auch RTLs „Sisi“ aus dem vergangenen Jahr. Die bei Arte gezeigte österreichisch-tschechische Serie „Maria Theresia“ mit Stefanie Reinsperger ist ebenfalls mehr als Kostümschmonzette und Intrigantenstadl bei Hofe.

Minister laufen gelegentlich durchs Bild

Anders als „Die Kaiserin“, die neue Herrscherinnen-Serie von Netflix, groß angekündigt, aber durchweg enttäuschend. Dabei halten in den sechs Folgen dieser „Sisi“-Mythos-Neugestaltung ausgezeichnete Schauspielerinnen und Schauspieler Hof. Vor allem Melika Foroutan, die die Kaiserinmutter Erzherzogin Sophie spielt und die, auch weil man von den neckischen Liebesspielchen Elisabeths und Franz Josephs bald genug hat, zur wahren, tragischen Heldin dieser Habsburg-Zwistanordnung wird. Jördis Triebel als Elisabeth von Österreichs Mutter Ludovika in Bayern und Andreas Döhler als Vater Max in Bayern reichen ein paar Momente einer Kutschfahrt, um das Drama einer Ehe und die späte Versöhnung glaubhaft zu machen. Elisa Schlott als ältere Schwester Helene in Bayern ist passend besetzt wie Svenja Jung als verführerische Gräfin und ehemalige Geliebte von Franz Josef, Johannes Nussbaum spielt mit leicht irrem Touch Erzherzog Maximilian, den späteren Kaiser von Mexiko von Napoleons Gnaden, gibt aber bei Hof unablässig heimliche Soirées, die nach „Babylon Berlin“ aussehen.

Fehlen darf in dieser Story, in der lesbische Liebe und Transgenderfiguren das spanische Hofzeremoniell begleiten, auch nicht Luziwuzi (hier noch als Kind: Felix Nölle), der jüngste Bruder des Kaisers, dessen Faible für Roben und Männer ein offenes Geheimnis war. Auch andere der Figuren sind gut getroffen. Das Problem ist ein anderes. Diese Produktion will so viel mehr sein als die neueste „Sisi“-Interpretation, wirft sich aber bloß auf die Liebeshändel und Familienstreitigkeiten. Minister laufen gelegentlich durchs Bild, Ungarn gibt es gar nicht, es rumort im Reich nur wegen der Armut. „Das Volk“ ist eine Ansammlung dekorativ Zerlumpter. Dazwischen schleust man eine Attentäterin, verkleidet als Hofdame Leontine von Apafri (Almila Bagriacik).

Fehlen darf auch der Verweis auf „MeToo“ nicht. Ausführlich beobachtet wird eine Szene kurz nach Ankunft der Kaiserbraut am habsburgischen Hof, in der der Erzbischof mit dem Leibarzt Gebärfähigkeit und Jungfräulichkeit Elisabeths „prüft“. Im Beisein der Hochzeitsgesellschaft beschwert sich Elisabeth später über die beiden Männer, unterstellt ihnen Amüsement bei der „heiligen Pflicht“. Daraus folgt – nichts. Man wollte es bloß mal gesagt haben. Gesprochen wird, wie der Schnabel gewachsen ist. „Ich will einen Mann, der meine Seele satt macht“, solche Plattitüden muss Elisabeth, ähnliche muss Franz Joseph von sich geben. Immer, wenn es erotisch wird, und das wird es oft, gibt es extreme Großaufnahmen der Gesichter und Haut (Kamera Christopher Aoun, Christian Almesberger, Moritz Schultheiß). Devrim Lingnau (Elisabeth) und Philip Froissant (Franz Joseph) treffen die Nuancen zwischen frisch und fesch durchaus. Die Drehbücher (Hauptautorin Katharina Eyssen) schnüren sie in ein ahistorisches, pompös-seifiges Korsett, das wenig darstellerische Freiheit lässt (Regie Katrin Gebbe und Florian Cossen).

Ein paar Figuren fallen mit satirischer Überzeichnung aus dem Raster: Gräfin Esterhazy, Johann Strauss und Franz Liszt wirken wie Figuren aus Alice im Wunderland – die Rote Königin, der verrückte Hutmacher und die Grinsekatze. Anstelle all des Liebeskitsches und brüderlichen Konflikts zwischen Franz Joseph und Maximilian wäre mehr Groteske die bessere Option gewesen. Das Ende dieser ersten Staffel der „Kaiserin“ bietet einen Cliffhanger, der Kitschapotheose und „Armutsporno“ verbindet. „Das Volk“ belagert das Tor von Schloss Schönbrunn in der Nacht, zerlumpt, dreckig, jede(r) eine brennende Fackel in der Hand, es sieht aus wie bei „Game of Thrones“. Die Soldaten stehen Bajonett bei Fuß. Bis eine Lichtgestalt mit weißer Pelerine mitten unter das Lumpenproletariat tritt und das Knie beugt. Ihr Zauberwort „Ich sehe euch“ bereitet dem Spuk ein Ende. „Das Volk“ erstarrt in Verehrung. Jetzt ist auch der Kaiser bereit, sich sehen zu lassen. Schade um unser aller Zeit.

Die Kaiserin startet heute bei Netflix.

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