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#Drei Musketiere für mehr Medienvielfalt?

Drei Musketiere für mehr Medienvielfalt?

Warum die Branche Unabhängigkeit braucht und wie sie das erreichen kann.

Das Startups Lab der Google News Initiative (GNI) ist ein Förderprogramm, das sich auf junge Unternehmen in der Medienbranche konzentriert. Das Ziel: Unternehmenswachstum. Bisher gibt es das Programm in Nord- und Lateinamerika – ab September nun auch in Europa. In Zusammenarbeit mit dem Media Lab Bayern und dem European Journalism Center (EJC) entsteht in München das GNI Startups Lab Europe. Das Media Lab Bayern wird ab September das sechsmonatige Programm durchführen, das speziell auf europäische Content-Startups zugeschnitten ist. Lina Timm hat vor sechs Jahren das Media Lab gegründet und ist Geschäftsführerin der Medien.Bayern GmbH. Im Quotenmeter-Interview spricht sie über die Bedeutung der Kooperation für den Medienstandort Deutschland, die Rolle von neuen Playern im Markt und die Pains der Branche, zum Beispiel die Abwanderung von Talenten.

Das GNI Startups Lab Europe ist eine Kooperation mit Google und dem European Journalism Centre. Darf ich euch eigentlich die drei Musketiere der europäischen Innovation nennen?
Google möchte unabhängige Publikationen fördern, das EJC hat ein riesiges Netzwerk in ganz Europa und ist da bereits fest verankert. Wir im Media Lab haben die Erfahrung im Aufsetzen von Förderprogrammen in den Medien. Das kann zusammen schon drei Musketiere ergeben – ich würde allerdings keinen Alleinherrschaftsanspruch darauf erheben. Es darf sehr gern mehr Musketiere geben, damit noch mehr Innovation in der Medienbranche passiert. Aber unsere Kooperation hat schon eine gute Schlagkraft für den Anfang.

Dann mal ganz an den Anfang. Was heißt es für die Branche, dass sich dieses Programm insbesondere an Medien-Startups richtet?
Bei den bisherigen Förderungen von Google ging es eher um etablierte Unternehmen und es ist spannend, dass nun Startups in den Fokus gestellt werden. Wir sprechen da von Early Stage News Organisations, schon allein die Begrifflichkeit zeigt, dass auch die Startups ein Player im Markt sind und sich sehr viel in der Branche tut. Man kann beispielsweise sehr nischig Medienunternehmen gründen und damit sehr gut Zielgruppen bedienen.

Was bedeutet das konkret? Welche Bedeutung haben Startups bzw. Early Stage News Organisations in der Branche?
Startups sind ein Baustein in der Innovation und pushen die Branche. Sie trauen sich, Dinge auszuprobieren – und Medienhäuser schauen sich ab, was funktioniert. Zum Beispiel hat das damalige Startup Vox Media die Transparenz in News-Lagen eingeführt. Sie starteten mit dem Format “Was wir wissen – was wir nicht wissen”. Das war disruptiv für den Journalismus. Startups können gleichzeitig aber nicht allein an der Speerspitze der Innovation stehen, weil sie schnell Geld verdienen müssen. Wer im Hier und Jetzt profitabel sein muss, ist noch nicht so unfassbar innovativ, weil das Produkt heute am Markt funktionieren muss. Alles, was experimenteller ist und noch eine Feinabstimmung im Geschäftsmodell braucht, könnten größere Unternehmen eigentlich besser umsetzen. Das tun sie aber nicht und deshalb stockt die Innovation.

Wir sehen auch, dass alles mehr in Richtung Nische geht und sich das Nutzerverhalten ändert. Ein Newsangebot für ein spezielles Thema kann schnell ähnliche Reichweiten erzielen wie eine große Marke, die viele Bereiche abdeckt.

Es gibt doch aber auch Fachmedien, die Nischenprodukte herstellen. Die Verlage und Medienhäuser kämpfen auch dort mit schwächelnden Zahlen, trotz großer Markenbekanntheit…
Etablierte Unternehmen nutzen oft etablierte Mittel – das macht die Sache schwer. Sagen wir mal, der Verlag macht ein Magazin für Mountainbiker und möchte ein neues für Handarbeit launchen. Dann kopiert er oft einfach den Businessplan, denn so hat es immer funktioniert. Er vernachlässigt dabei aber die Zielgruppe. Die Zielgruppe hat unterschiedliche Interessen. Ein weiterer Faktor ist die Übertragung von Print ins Digitale. Das bedeutet nicht nur, ein digitales Format anzubieten, sondern auch, das Nutzerverhalten von heute ebenfalls zu integrieren. Zum Beispiel, wie Leute ihre Medien konsumieren und ihre Informationen gerne hätten.

Das GNI-Programm wird vom Media Lab umgesetzt. Ihr schreibt euch das Wort Innovation auf die Fahne. Was verstehst du unter dem Begriff Innovation?
Viele erwarten von diesem Begriff das ganz große Ding. Ich bin davon weggekommen, ob es das überhaupt gibt oder jemals gab. Alles, was wir als innovativ begreifen, ist erst einmal nur der “eine nächste Schritt” gewesen. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist Netflix. Alle halten Netflix für innovativ und disruptiv. Aber man muss bedenken: Die haben am Anfang DVDs in Umschläge gesteckt und per Post versendet. Das war genau ein Schritt weiter, als DVDs im Laden anzubieten. Netflix war keine Onlineplattform und es gab keine Eigenproduktionen. Wenn man schaut, wo Netflix heute steht, dann bedeutet Innovation für mich, schrittweise Dinge zu optimieren und besser für die Leute zu machen.

Was bedeutet Innovation so gesehen in der Medienbranche?
Die Rettung. Es zeigt sich einfach: Wenn Produkte immer auf dem gleichen Stand bleiben und sich gleichzeitig das Verhalten der Nutzer:innen ändert, dann verlieren wir Kundinnen und Kunden. Gerade auch im Nachrichten- und Informationsbereich ist das unglaublich essenziell. Umso wichtiger ist es, dass wir die Produkte und Distribution an die Lebensrealitäten anpassen.

Ist das ein Problem der deutschen Medienlandschaft? Das GNI Startups Lab wendet sich an Startups aus ganz Europa. Sind andere Länder in Europa da schon weiter?
Die skandinavischen Länder haben schon sehr viel früher das Digitale umarmt, auch die etablierten Verlage. Jüngst haben sich auch in Spanien viele News-Startups entwickelt. Ich denke, Europa ist sehr vielfältig in diesem Thema. Das wird sehr spannend, wie die Jury die Teams auswählen wird.

Mit den großen Plattform-Anbietern im Gespräch bleiben ist auch etwas, was ich für sehr, sehr wichtig halte. In Deutschland gab es im Kontext der großen Plattformen auch immer Diskussionen und teilweise harte Fronten. Wir sehen im Startups Lab auch ein Beispiel, wie es sein kann, wenn die Förderung von neuen Medienfirmen sich auf mehrere Schultern verteilt. Die Staatskanzlei und die Bayerischen Landeszentrale für neue Medien unterstützen durch uns als Accelerator die deutsche Medien-Startup-Szene. Google macht das nun auch, wenngleich europaweit. Je mehr Unternehmen Innovation fördern, desto unabhängiger gestaltet sich die Medienbranche und ihre Zukunft. Durch Kapital kann sich die Medienbranche weiterentwickeln und bewahrt sich eine Unabhängigkeit. Und diese Unabhängigkeit wird es auch in der Ausrichtung des Programms geben. So werden die teilnehmenden Startups beispielsweise von einer unabhängigen Jury ausgewählt.

Sind solche Förderprogramm denn exklusiv oder können externe Interessierte mal einen Blick hineinwerfen? Gerade für Medienhäuser könnte das ja durchaus interessant sein…
Bei uns kann man grundsätzlich immer vorbeikommen und ich glaube auch, dass das der beste Weg ist, um Innovation voranzubringen. Unsere Content-Startups, gerade auch die, die Nischen bespielen, kooperieren häufig mit etablierten Medienhäusern. Zum Beispiel RosaMag aus dem Media Startup Fellowship. Das ist ein Onlinemagazin für Schwarze, deutsche Frauen, das mit der Süddeutschen Zeitung kooperiert. Das passt gut zusammen, denn so einen Content hat die SZ nicht und gleichzeitig ist es der Kern von RosaMag. Über Kooperationen entsteht Fortschritt für alle beteiligten Partner:innen. Daher kann sich jeder bei uns melden, sei es, um Unterstützung in Innovationsthemen zu bekommen oder zu Kooperationsfragen mit Startups.

Wenn wir über die Branche reden: Was sind denn die Kernelemente, die die Medienbranche für die nächsten zehn Jahre brauchen wird?
Da möchte ich gern zwischen etablierten Häusern und Startups unterscheiden. Für etablierte Unternehmen ist das für mich eine Innovationsstrategie, die Innovationskultur und das Talentmanagement.

Zum Thema Strategie: Es ist superschwer, sich für einen Weg zu entscheiden, erst recht, wenn man nicht genau weiß, wohin es gehen könnte. Aber durch das Vakuum wabert alles herum und läuft in unterschiedlichste Richtungen. Das Resultat ist: Es kommt gar nicht vom Fleck. Man sollte eher sagen: Wir probieren für einen gewissen Zeitraum, zum Beispiel ein Jahr, eine Linie aus und prüfen regelmäßig, ob unser Plan aufgeht. Medienunternehmen haben eine Menge Kund:innen und Daten – daraus lässt sich so manche Strategie ableiten. Sollte sie nicht aufgehen, dann kann sie immer noch angepasst oder geändert werden.

Das bringt mich zum nächsten Punkt: Innovationskultur. In vielen Unternehmen sind die Prozesse auf Effizienz bestehender Projekte ausgerichtet, aber nicht darauf, neue ins Leben zu rufen und schnell auszutesten. Diese Prozesse braucht es aber genauso wie ein sicheres Umfeld, in dem Leute sich trauen, etwas auszuprobieren. CEOs sagen im Vorbeilaufen, Innovation sei ihnen wichtig, aber am Ende fragen sie doch nach den Zahlen der bestehenden Produkte. So entsteht keine Sicherheit für Mitarbeitende, in der sie wirklich kreativ neu denken können.

Und abschließend sehen wir so viele Talente, die aus der Medienszene abwandern, weil Innovationsstrategie und Innovationskultur nicht existieren. Der Wechsel ins Marketing in einem Unternehmen liegt dann nahe, denn dort ist man oft schon weiter. Das ist ein herber Verlust für die Branche.

Startups haben da weniger Probleme. Junge Firmen müssen vor allem eine klare Vision haben und die Frage beantworten: Welches Problem wollen wir denn lösen? Dazu gehört aber auch, sich nicht zu versteifen, sondern flexibel zu bleiben. Insgesamt könnten sich natürlich gern noch mehr Talente trauen, zu gründen.

Was wäre dein Wunschszenario für die Fellows nach dem GNI Startups Lab Europe?
Ideal wäre, wenn wir ihnen so weiterhelfen können, dass sich das Wachstum in den Zahlen widerspiegelt und die Nutzerzahlen und die Einkünfte gestiegen sind. Wir möchten mit den Teilnehmer:innen einen klaren Wachstumsplan entwickeln und wir wollen, dass die jungen Unternehmen auch finanziell auf einem sicheren Fundament stehen können.

Vielen Dank für das Interview!

Disclaimer: Sabrina Harper arbeitet als Digital Communications Managerin im Media Lab Bayern und ist darüber hinaus als freie Autorin und Coachin tätig.

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