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#Ein Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst – Gesundheits-Check

Ein Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst – Gesundheits-Check

Lippenbekenntnisse zum Öffentlichen Gesundheitsdienst gab es in den letzten Jahren viele. Ob es um Masernausbrüche ging, um SARS, EHEC oder auch um die Flüchtlingskrise und die Notwendigkeit, schnell die notwendigen Erstuntersuchungen durchzuführen: Immer konnte man hören, wie wichtig der ÖGD sei. Kurz danach konnte man dann z.B. im Ärzteblatt wieder lesen, wie gravierend der Personalmangel im ÖGD ist und dass die Gesundheitsämter ihren Aufgaben nicht mehr richtig nachkommen können.

Das ist kein neuer Befund. Schon 1971, als die Bundesregierung den ersten Gesundheitsbericht für Deutschland veröffentlicht hatte, konnte man dort nachlesen, dass Personal fehlt und die Gesundheitsämter „vielfach nicht mehr in der Lage“ seien, ihre Arbeit zu erledigen. Die Misere des ÖGD in Deutschland ist eine Langzeitwirkung der nationalsozialistischen Medizinverbrechen. Nach dem Krieg wollte man bewusst den staatlichen Zugriff auf das Gesundheitswesen begrenzen und hat den Ausbau der ambulanten und stationären Krankenversorgung in Selbstverwaltungsstrukturen in den Mittelpunkt der Gesundheitspolitik gestellt. Hinzu kam in den 1980er Jahren die neoliberale Staatsabbauideologie.

Ein ernsthaftes neues Nachdenken darüber, wo es mit dem ÖGD hingehen soll, begann erst in jüngster Zeit. Ein Meilenstein war die Stellungnahme der Wissenschaftsakademien zu Public Health in Deutschland 2015, in der dem ÖGD ein zentraler Stellenwert für die öffentliche Gesundheit zugemessen wurde. Nicht zuletzt darauf gestützt gab es 2016 einen weitreichenden Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zur Stärkung des ÖGD, 2018 hat die Gesundheitsministerkonferenz noch ein modernes ÖGD-Leitbild verabschiedet, und ebenfalls 2018 sprach sich auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung dafür aus, den ÖGD zu stärken. Auch der Deutsche Ärztetag hat 2018 ein Positionspapier zur Stärkung des ÖGD beschlossen und sich damit zugleich von der lange gepflegten Rhetorik des Widerstands gegen eine „Staatsmedizin“ verabschiedet.

In der Coronakrise ist dann endgültig jedem mit Verantwortung in der Gesundheitspolitik klar geworden, dass ein kaputtgesparter ÖGD ein gravierendes Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt und dass es so nicht weitergehen kann. Ohne den ÖGD gibt es z.B. keine Kontaktnachverfolgung und ohne den ÖGD ist auch niemand da, der notwendige Isolierungsmaßnahmen anordnen kann oder Altenheimen mit einer Hygieneberatung zur Seite steht. Bereits jetzt mussten ihm dazu tausende von Aushilfskräften befristet zugeteilt werden, Beschäftigte anderer Behörden und Freiwillige, z.B. Medizinstudierende. Der Koalitionsausschuss hat daher im Juni beschlossen, einen „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ auf den Weg zu bringen, um die EDV-Ausstattung der Gesundheitsämter zu modernisieren und mehr Personal einzustellen. Dazu sollen bis zur vier Milliarden Euro bereitgestellt werden.

Das ist einerseits eine Chance, den ÖGD endlich aus einer jahrzehntelangen Misere herauszubringen, andererseits könnte es dazu führen, den ÖGD zu sehr zur „Gesundheitspolizei“ zu machen, indem nur die jetzt so dringend benötigten Kontroll- und Überwachungskapazitäten gestärkt werden. Der ÖGD sollte aber, so gibt es auch das Leitbild der Gesundheitsministerkonferenz vor, weitergehend als Public Health-Agentur vor Ort profiliert werden, z.B. was Aufgaben der Prävention, der regionalen Vernetzung oder der Gesundheitsberichterstattung, also der Beobachtung der regionalen gesundheitlichen Verhältnisse, angeht. Damit diese Perspektive nicht aus dem Blick gerät, hat das Zukunftsforum Public Health, ein Zusammenschluss vieler Fachgesellschaften, jetzt eine Empfehlung zur Umsetzung des „Pakts für den ÖGD“ veröffentlicht. Ich bin gespannt, was am Ende dabei herauskommt. Vielleicht hat man ja nächstes Jahr am „Tag des Gesundheitsamtes“ wirklich Anlass für eine Standortbestimmung mit hoffnungsvollem Ausblick.

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