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#Emotion: Hass in allen Facetten: Eine Ausstellung geht dem Gefühl auf den Grund

„Emotion: Hass in allen Facetten: Eine Ausstellung geht dem Gefühl auf den Grund“



Rassistisch, antisemitisch, gegen Frauen: In Stuttgart wagt sich das Haus der Geschichte Baden-Württemberg an ein brutales Gefühl mit vielen Seiten.

Die zerstörerische Wirkmacht von Hass eskaliert aktuell im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – begleitet von Hassreden auf Sozialen-Medien-Plattformen. Waren Gewaltaufrufe wie „Tötet Putin“ auf Facebook und Instagram bislang verboten, definiert nun „Hate Speech“ den globalen politischen Diskurs und den Umgang damit neu.

Individuell und universell ist Hass leider immer aktuell. Als Emotion extremer Abneigung und Feindseligkeit gegen eine Person oder Gruppe kann Hass in Fühlen, Denken und Tun Aggression hervorrufen und von Bedrohung über Gewalt bis zu Tötung eskalieren. Auch deswegen gewinnt die große Themenausstellung „Hass. Was uns bewegt“ im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart an Relevanz. Die Schau ist der zweite Teil der insgesamt auf zwei Jahre angelegten Ausstellungstrilogie „Gier.Hass.Liebe“. Die Themen schlüsseln Geschichte aus der Perspektive und als Ergebnis von Emotionen entlang historischer Linien und gesellschaftlicher Strukturen auf. Es ist das Verdienst der derzeitigen Ausstellung, die geschichts-prägenden Formen von Hass nicht als individuelle und irrationale Einzeltaten darzustellen, sondern als ideologische Muster in kollektive Mentalitäten einzubinden.

Große Themenausstellung in Stuttgart: „Hass. Was uns bewegt“

Auf einer Fläche von 500 Quadratmetern werden „Hassgeschichten“ anhand von 200 Objekten aus 200 Jahren erzählt: Die Exponate veranschaulichen Emotionsgeschichte anhand von Themen wie Nationalismus, revolutionären Bewegungen, Rassismus, Antisemitismus, politischem Radikalismus, Islamismus und Rechtsradikalismus, LSBTTIQ- und Frauenfeindlichkeit. Der historische Bogen reicht vom ältesten Ausstellungsstück, einer zerschossenen Schützenscheibe aus der Zeit der Französischen Revolution von 1792, die den nationalistischen Hass der späteren „Erzfeinde“ Deutschland und Frankreich dokumentiert, bis zur „Demo für alle“, einem aktuellen Aktionsbündnis konservativer Christen, die Homosexualität als abartige psychische Störung stigmatisieren.

Die visuell fordernde Ausstellungsinszenierung soll das bedrohliche „emotionale Dickicht“ von Hass – „verstrickt in ein Netz von Ursachen und Auswirkungen“ – abbilden, so Ausstellungsleiter Rainer Schimpf: Den schwarz gehaltenen Ausstellungsraum, den nur künstliche Beleuchtung erhellt, unterteilen schwarz lackierte Baugerüste. Durchzogen von türkisgrünen Seilgeflechten entstehen einzelne Kompartimente, in denen schwarz-weiße Pfeiler die jeweiligen Themenschwerpunkte bezeichnen.

Mit Sprengzündern in verkabelten Schuhen plante die islamistische „Sauerlandgruppe“ 2007 einen Anschlag.

Foto: Daniel Stauch

Rudolf Höß‘ Ledermantel hängt in der Hass-Ausstellung

Eine Stärke der Ausstellungsregie besteht in der Auswahl der Exponate und deren Interaktion. Ursache und Wirkung von Hass dokumentieren (zeit-)historische Opfer- und Täterstrukturen. Revolutionärer Hass – formuliert in Georg Herweghs „Lied vom Hass“ – führte 1866 zum fehlgeschlagenen Attentat auf Reichskanzler Otto von Bismarck: visualisiert in der Pistole, der die Schlagkraft fehlte, und in dem von der Gattin geflickten, durchlöcherten Unterhemd.

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Dem Ledermantel von Rudolf Höß, 1947 hingerichteter Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, ist – in eine Genealogie des Antisemitismus eingebunden – ein als Misthaufen-Einfassung dienender Baustein der 1938 niedergebrannten Synagoge von Bad Buchau zur Seite gestellt.

Ein Exponat der Ausstellung: der Ledermantel von Rudolf Höß, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz.

Foto: Daniel Stauch

Funktionsuntüchtige Sprengzünder in verkabelten Schuhen, mit denen die islamistische „Sauerlandgruppe“ 2007 einen Anschlag auf „ungläubige“ US-Soldaten plante, stehen in Blickachse mit dem Holzkreuz, das Mitglieder der Antifa-Bewegung 2019 einer AfD-Abgeordneten mit der Aufschrift: „gestorben am 31.12.2019“ vor das Haus stellten.

Was hier fehlt, ist eine konkrete Definition von Hass

Was man hier ein wenig vermisst: Die Einordnung der einzelnen Exponate in einen emotions- und kulturhistorischen ebenso wie in einen medizinisch-psychologischen Zusammenhang würde helfen, das menschheitsgeschichtliche Phänomen Hass strukturiert erschließen zu können und es auch vor dem im Jahr 1792 angesetzten Ausstellungszeitpunkt in den Blick zu nehmen. Eine begriffsgeschichtliche Definition dieser Emotion im Kontext ihres kulturell geprägten Wandels würde dem Besucher zudem eine notwendige Orientierung bieten. So bestünde auch die Möglichkeit, die Auswahl einzelner Hassobjekte mit zugrunde liegenden Motivationen und Affekten nachzuvollziehen.

Kann etwa das Fallbeispiel für frauenfeindlichen Hass und sexualisierte Gewalt – die Vergewaltigung und Ermordung der 16-jährigen Karoline Reinbold 1905 in Folge einer Zufallsbegegnung – nicht auch in kaltblütiger Verachtung und extremer Brutalität begründet sein? Dieser Opfer-Täter-Seite gegenübergestellt ist eine Vitrine mit roten Schuhpaaren, die an eine Aktion des Vereins „Frauen helfen Frauen“ erinnert: 2020 standen 135 Frauenschuhe am Esslinger Postmichelbrunnen stellvertretend für die 135 Frauen, die in Deutschland von ihren (Ex-)Partnern 2019 getötet wurden.

Die Schau in Stuttgart kontert: „Hass hat nicht das letzte Wort!“

Mit der Botschaft „Hass hat nicht das letzte Wort!“ und „Vitrinen zur Liebe“ wollen die Ausstellungsmacher der negativen Emotion nicht das Feld überlassen. Interaktive Stationen und Adresskarten von Anti-Diskriminierungsstellen sollen dem Besucher den Weg aus dem Hasspanoptikum weisen. Ein starkes Zeichen ist das zivilbürgerliche Engagement von Irmela Mensah-Schramm, die seit 1998 über 100.000 Hassbotschaften in Eigenregie entfernt und als Archiv des Hasses dokumentiert hat.

Betroffenheit besteht, auch nachdem man aus dem Dunkelraum der Ausstellung ins Tageslicht tritt. Bleibt die Hoffnung auf „Liebe“, den letzten Teil der dortigen Ausstellungstrilogie ab 14. Oktober.

Hass Im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart, bis 24. Juli. Ergänzungsprogramm: www.gierhassliebe.de. Ein Katalog zur Emotionen-Trilogie erscheint zur Schau „Liebe“.

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