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#Der Herr des Ausnahmezustandes

Der Herr des Ausnahmezustandes

„Ich dachte, ich folge meinem Präsidenten. Ich befolgte, wozu wir aufgerufen worden waren. Er forderte uns auf, da hin zu fliegen. Er bat uns, da zu sein.“ Jennifer Ryan war dabei, als Donald Trumps Anhänger am 6. Januar nach monatelangen Ankündigungen ihren „Sturm“ aufs Kapitol in die Tat umsetzen wollten. Nun steht die Immobilienmaklerin aus Texas vor Gericht. Ihre öffentlichen Bitten um eine Begnadigung waren in Trumps Amtstagen ungehört verhallt. Stattdessen verlas eine der Anklägerinnen Ryans Aussagen gegenüber Journalisten nun im Impeachment-Verfahren. Die Abgeordnete Diana DeGette aus Colorado wollte damit zeigen, was viele der Angreifer nach monatelangem Konsum von Trumps Propaganda gedacht hatten: „Sie kamen her, weil der Präsident sie dazu angewiesen hatte“, sagte DeGette.

Den Anklägern ging es am dritten Tag des Impeachment-Verfahrens im Senat vor allem darum, diese Verbindung zwischen Trumps Worten und den Straftaten vom 6. Januar zu belegen. Dazu zeigten sie abermals Videos, zitierten aus Gerichtsakten und riefen Interviews in Erinnerung, die die Aufrührer gegeben hatten. Wieder und wieder wurde klar, dass viele der rechten Trump-Anhänger offenkundig davon ausgingen, auf dessen Wunsch zu handeln, als sie das Kapitol und die Politiker darin attackierten. Ziel war es, das Wahlergebnis umzukehren oder so viel Chaos und Zerstörung zu erzeugen, dass Trump gleichsam Herr des Ausnahmezustandes werden sollte.

Das aus Abgeordneten des Repräsentantenhauses bestehende Anklageteam spielte etwa ein Video ab, auf dem ein Randalierer wiederholt in ein Megafon rief, der Präsident habe ihn eingeladen. Die Demokraten argumentierten auch, dass die rechtsextremen Angriffe auf das Parlament in Michigan gleichsam Vorboten für den gescheiterten Aufstand in Washington gewesen seien. Ende April 2020 hatten in Lansing bewaffnete Gegner der Coronavirus-Schutzmaßnahmen protestiert und waren dabei auch ins Kapitol marschiert. Nicht einmal zwei Wochen zuvor hatte Trump den Gegnern von Gouverneurin Gretchen Whitmer bei Twitter den Rücken gestärkt – mit den Worten „Befreit Michigan“. Anfang Oktober wurden schließlich dreizehn Männer wegen Terrorismusverdachts festgenommen. Sie hatten unter anderem geplant, Whitmer zu entführen und Selbstjustiz-Schauprozesse abzuhalten. Die Aggression in Michigan sei eine Vorschau auf den 6. Januar gewesen, sagte Chefankläger Jamie Raskin aus Maryland.

Statt zur Ruhe aufzurufen, habe Trump die Situation dann nach seiner Niederlage immer weiter angeheizt – während er etwa Georgias Innenminister Brad Raffensperger dazu anstiften wollte, das Wahlergebnis zu manipulieren. Auch nach Warnungen der Sicherheitsbehörden habe Trump nichts zur Deeskalation unternommen, sagte Joe Neguse, Abgeordneter aus Colorado. „Von den Behörden und überall in den Medien wurde Trump gewarnt, dass diese Leute bewaffnet und bereit für reale Gewalt waren. Er wusste es“, so Neguse. Trump habe das „Pulverfass“ auf seinen Kundgebungen erschaffen.

„Ich habe Angst davor, dass er noch einmal antritt und verliert“

Am letzten Tag der Anklagepräsentation wollten die Demokraten den politischen Sinn des Verfahrens noch einmal besonders hervorheben. Mitten in der Pandemie und mit einem neuen Präsidenten, der gerade Erfolge bei der Beschaffung von Impfstoffen verkünden konnte, waren sich längst nicht alle Beobachter sicher, dass das Impeachment Trumps überhaupt noch einen Wert habe. Dem hielt Raskin entgegen, dass es darum gehe, Schaden von der Demokratie abzuwenden. Es handele sich schließlich nicht um ein strafrechtliches Verfahren oder darum, dass der Schuldige auch nur einen Tag im Gefängnis verbringe. Das Mittel des Impeachment sei dazu da, Staatsdiener zu bestrafen und von der Macht fernzuhalten, wenn sie gefährliche Vergehen gegen die Republik begingen.

Er habe keine Angst davor, dass Donald Trump in vier Jahren noch einmal antrete, sagte auch Ankläger Ted Lieu, der einen kalifornischen Wahlbezirk im Repräsentantenhaus vertritt. „Ich habe Angst davor, dass er noch einmal antritt und verliert.“ Dann nämlich könne Trump genau das, was am 6. Januar passierte und Schlimmeres wiederholen, so Lieu. Raskin fragte, wer ernsthaft glaube, Trump sei zu einer Wiederholung nicht fähig. Angesichts der fünf Todesfälle bei den Ausschreitungen warnte er: „Würden Sie die Leben von mehr Polizisten darauf verwetten? Würden Sie die Sicherheit Ihrer Familie darauf verwetten? Würden Sie die Zukunft der Demokratie darauf verwetten?“

Ab Freitag werden die Republikaner und Trumps Anwälte die Präsentation der Verteidigung beginnen. Sie haben dafür bis zu 16 Stunden an zwei Tagen Zeit, signalisierten aber, dass sie sich wesentlich kürzer fassen wollten. Anschließend können die Senatorinnen und Senatoren Fragen an beide Seiten stellen. Dann wird darüber beraten und abgestimmt, ob Zeugen geladen werden. Die Anwälte von Trump erklärten am Donnerstag abermals, die Demokraten hätten keine Beweise für eine Verbindung ihres Klienten zu den Angreifern vom 6. Januar erbracht. David Schoen, einer der rechtlichen Vertreter, sagte, es sei beleidigend, dem amerikanischen Volk immer wieder die Bilder und Videos von den traumatischen Ereignissen vorzuführen, die Trump schließlich deutlich verurteilt habe. Drei republikanische Senatoren, die als Geschworene fungieren, wurden unterdessen für ein Treffen mit Trumps Anwälten kritisiert. Ted Cruz aus Texas, Mike Lee aus Utah und Lindsey Graham aus South Carolina setzten sich in einem Raum im Kapitol mit Schoen und Bruce Castor zusammen. Man habe lediglich seine Gedanken geteilt, sagte Cruz anschließend.

Von Trump selbst war auch am dritten Tag des Senats-Verfahrens nichts zu hören. Die amerikanischen Medien meldeten, dass der ehemalige Präsident nachmittags in West Palm Beach Golf gespielt habe. In New York konnten Passanten unterdessen zum ersten Mal seit fast fünf Jahren wieder ungehindert die 5th Avenue auf Höhe der 56. Straße entlang spazieren. 

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