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#Romantik als dunkle Energie

Eine Ungerechtigkeit ist es, den 1933 in Köln geborenen Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan stets nur als Doyen der Forschung zu Caspar David Friedrich zu titulieren, hat er doch ebenso Gescheites zu Schinkels Bühnenbildern, zur Malerei des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts von Graff bis Marées oder zu Schloss Charlottenburg in Berlin verfasst.

Berlin, wo er neben seiner Heimatstadt Köln, Hamburg und Freiburg Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie studiert hatte, blieb er bis heute treu, nachdem er von 1961 bis 1995 in der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten der Stadt arbeitete und viele Jahre Honorarprofessor am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin war.

Genauso treu war er seinem Säulenheiligen Caspar David Friedrich, den er nicht nur beruflich nachging, vielmehr auch in zahlreichen Publikationen verewigte und für alle verständlich verdolmetschte. Gebührt doch Börsch-Supan im damaligen Kunsthistorikerstreit 2.0 („Sind Friedrichs Bilder überinterpretiert?“) das Verdienst, als Erster entschieden aufgezeigt zu haben, wie unauflöslich sich Allegorie und Natur bei dem Maler verschränken, mithin des Malers Bildchiffren zu einer Art natürlichen Symbolen werden und seine Natur eine immer vom Künstler artifiziell geformte, „sprechende“ Landschaft, eben die viel zitierte „Seelenlandschaft“, beides aber nur als Ganzes im Verbund als Gesamtkunstwerk zu verstehen ist.

Caspar David Friedrich: „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818)


Caspar David Friedrich: „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818)
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Bild: picture alliance / Philipp Hitz/SIK-ISEA Zürich/dpa-tmn

Konkret zeigte Börsch-Supan die Auflösung des Paradoxes durch Friedrich etwa an dem Gemälde „Huttens Grab“ von 1823/1824, entstanden zehn Jahre nach den erfolgreichen Befreiungskriegen gegen die napoleonische Besatzung Deutschlands: Ein Wanderer in altdeutscher Tracht findet in der überwucherten gotischen (natürlich als urdeutscher Stil aufgefasst) Klosterruine Oybin im Wald die Grabstätte des antirömischen (Frankreich als katholische Nation!) Kämpfers und Lutherparteigängers Ulrich von Hutten, das durch diese politische Aufladung zu einem Kriegerdenkmal gerät.

Ebenso prägnant ist Börsch-Supans Interpretation des „Kreidefelsen auf Rügen“, auf dem ein junger Mann hoch oben an einem Felsvorsprung stark absturzgefährdet balanciert, während das nur zu erahnende Meer mit seiner todbringenden Tiefe am linken Rand als Denkmöglichkeit durch die malerische Komposition ins Bild gesetzt wird. Zu Recht hat Börsch-Supan gerade im Vergleich mit der zeitgenössischen Malerei nie Zweifel an Friedrich als genuinem Erfinder der Romantik gelassen, da ihr Ursprung just in jener Bewältigung seelischer Ausnahmezustände liegt, die Anfang 1801 in einen Suizidversuch des Malers mündeten. Trost und Halt empfindet Friedrich in der Religion, wie Börsch-Supan anhand seiner Briefe belegt, mit der er die dargestellte Natur in seinen Bildern durchtränkt – wobei der Gelehrte an jeder Stelle durchblicken lässt, dass es eine mehr oder weniger synthetische Kunst-Religion bleibt.

„Gefühl und Gesetz“, so der treffliche Titel seines Friedrich-Buches von 2008, führt damit die vermeintlich unvereinbaren, weil dichotomischen Positionen zusammen: Vor dem göttlichen Gesetz muss das verinnerlichte Gefühl jeder Pflanzenzelle gegenüber bestehen, muss der – Kleist zufolge – durch Wegschneiden um seine Augenlider gebrachte Betrachter des „Mönch am Meer“, der vage verirrte „Wanderer im Nebelmeer“, selbst der existenziell verlorene „Chasseur im Walde“ standhalten. Dabei verband Börsch-Supan die strenge Analyse der Form immer mit der inhaltlichen Deutung zu einem weiten Ausgriff: Wo Friedrich den Watzmann malt, tut er das nicht plein air vor dem Objekt, sondern kompiliert zahlreiche Landschafts- und Bergstudien, gar Mittel- mit Hochgebirgen, um den idealen Gipfel zu erschaffen, damit die göttliche Erhabenheit des künstlich-majestätischen Bergs maximal spürbar wird.

Heute wird Helmut Börsch-Supan, der schon phänotypisch mit seiner schlohweißen Löwenmähne der Weisheit Einsteins als „Welterklärer“ in Sachen Romantik Konkurrenz macht, neunzig Jahre alt.

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