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#„Wir akzeptieren, dass sich viele Ungeimpfte anstecken werden“

„Wir akzeptieren, dass sich viele Ungeimpfte anstecken werden“

„Die Situation ist kritisch“, gab der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset Mitte dieser Woche auf einer Pressekonferenz zur Pandemielage zu Protokoll. Dabei bezog sich der Sozialdemokrat auf den rasanten Anstieg der Corona-Neuinfektionen in der Eidgenossenschaft, der sich in einer noch etwas höheren Sieben-Tage-Inzidenz als in Deutschland spiegelt. Am Freitag lag der Wert bei 502 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen Wochenfrist.

Trotzdem sieht sich die Regierung in Bern nicht dazu veranlasst, die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus zu verschärfen. „Das entscheidende Kriterium ist die Belegung der Intensivstationen“, begründete Berset das Laissez-faire. Bisher seien die Intensivstationen erst zu 75 Prozent ausgelastet und zu 20 Prozent mit Covid-19-Patienten besetzt. Das rechtfertige keine zusätzlichen nationalen Maßnahmen. Stark betroffene Kantone, in denen normale Operationen wegen der Corona-Patienten bereits verschoben werden müssen, könnten ja eigenständig die Zügel anziehen.

Von einem Wechsel von 3-G zu 2-G oder gar zu einer allgemeinen Impfpflicht will die Regierung nichts wissen, obwohl in der Schweiz wie in Österreich bisher nur 65 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind. „Wir akzeptieren, dass sich nicht alle impfen lassen wollen und dass sich viele Ungeimpfte anstecken werden“, sagte Berset.

Das breite Lager der Gegner

Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) vermutet, dass sich die Regierung absichtlich zurückhält, um die Stimmung gegen das Covid-19-Gesetz, über das die Schweizer an diesem Sonntag abstimmen, nicht zusätzlich anzuheizen. Die Gegner dieses Gesetzes, in dem die von Regierung und Parlament beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und zur Abfederung der wirtschaftlichen Schäden festgehalten sind, laufen seit Monaten Sturm gegen die Vorlage.

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In einer ersten Referendumsabstimmung im Juni hatten immerhin 40 Prozent gegen das Gesetz votiert. In der zweiten Abstimmung an diesem Sonntag geht es um später hinzugefügte Änderungen, die sich unter anderem um den Einsatz des Covid-19-Zertifikats und die Kontaktnachverfolgung drehen. Neu gegründete Vereinigungen wie das „Aktionsbündnis Urkantone“, die „Freunde der Verfassung“ und „Mass-voll“ lehnen das Zertifikat ab, weil es Ungeimpfte diskriminiere und die Gesellschaft spalte.

Zum breiten Lager der Gegner zählen Corona-Skeptiker, Libertäre, selbsternannte Freiheitskämpfer, in ihrer Gesundheit vermeintlich unverwundbare Naturburschen, wissenschaftsfeindliche Esoteriker und linke Netzkritiker, die das Zertifikat als Instrument der staatlichen Überwachung verteufeln. In diesen Kreisen kursieren alle möglichen Verschwörungsmythen, darunter auch jene, dass die Abstimmung zugunsten des Staates manipuliert werde.

Rechte SVP macht mobil gegen das Gesetz

Die SVP wettert als einzige Partei gegen das Gesetz und damit gegen die Politik der Mehr-Parteien-Regierung, in der zwei ihrer eigenen Vertreter sitzen, unter anderem der Finanzminister Ueli Maurer, der offen Sympathie für Impf- und Maßnahmengegner gezeigt hat. Die Anhänger der SVP, der mit einem Wähleranteil von 26 Prozent stärksten Partei des Landes, zählen zu den größten Impfverweigerern. In den Städten sowie in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz deuten Umfragen indes auf relativ hohe Zustimmungswerte für das Covid-19-Gesetz hin.

Die meisten Gegner des Gesetzes sitzen in den eher konservativen Landkantonen der Ost- und Zentralschweiz. Dort sind die Impfquoten auch am niedrigsten. In diesen Regionen hängt man stark den Mythen der freiheitsliebenden Eidgenossen an, die sich von einer fernen Macht – in diesem Fall „Bern“ – nichts aufoktroyieren lassen wollen. Beispielhaft für diese Haltung stand die Entscheidung der Gemeinde Alpthal im Kanton Schwyz, den im Rahmen der nationalen Impfwoche entsandten Impfbus gar nicht erst ins Dorf zu lassen.

Vor diesem Hintergrund laviert derzeit die Regierung und unterlässt es, die Maßnahmen im Kampf gegen Corona zu verschärfen – obwohl die wissenschaftliche Swiss National Covid-19-Taskforce gemessen an der aktuellen Infektionsdynamik erwartet, dass die epidemiologische Lage in der Schweiz bis Mitte Dezember so ähnlich sein wird wie schon jetzt in Österreich.

Der einzige Unterschied in der epidemiologischen Entwicklung der beiden Länder bestehe darin, dass Österreich auf einem höheren Niveau in die jüngste Ansteckungswelle gestartet sei als die Schweiz. Um die Krankenhäuser zu schützen, müsse der Anstieg der Fallzahlen sofort gebremst werden, mahnte die Taskforce-Präsidentin Tanja Stadler. Sonst drohten Einbußen in der Behandlungsqualität auf den Intensivstationen und Triagen. Zentral sei es nun, die Kontakte zu reduzieren.

Diese Warnungen hat die Regierung sehr wohl registriert. Trotzdem hält sie an ihrem milden Kurs fest. Berset forderte die Bevölkerung lediglich zu den altbekannten Maßnahmen auf: Maskentragen, Abstand halten, Händewaschen, Testen, Impfen. Man versuche, das Optimum zwischen dem Schutz der Gesundheit und der Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Lebens zu finden, sagte der Gesundheitsminister. Zugleich gab er zu: „Diese Strategie birgt natürlich auch Risiken.“

Schon in der kommenden Woche, also nach der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz, könnte diese Strategie überholt sein. Die Kantone, die sonst so gerne auf ihre Eigenständigkeit pochen, rufen bereits laut nach einheitlichen Verschärfungen für das ganze Land. „Manchmal habe ich das Gefühl, der Bundesrat sieht da ein kantonales Virus vor sich“, sagte Guido Graf, Gesundheitsdirektor des Kantons Luzern. Die Auseinandersetzung erinnert fatal an den Herbst 2020, als sich Bund und Kantone gegenseitig den Schwarzen Peter für Fehler und Versäumnisse in der Pandemiebekämpfung zuschoben, die viele Menschen das Leben kosteten.

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