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#Faking Hitler-Star Lars Eidinger über heimliche Nazis, die AfD und den Wunsch nach einer feministischen Revolution

Faking Hitler-Star Lars Eidinger über heimliche Nazis, die AfD und den Wunsch nach einer feministischen Revolution

In Faking Hitler erzählt RTL+ einen der größten Medienskandale Deutschlands nach. Wir haben mit Hauptdarsteller Lars Eidinger diskutiert, ob seine Figur ein Nazi ist – und warum Leute wirklich die AfD wählen.

Es ist vielleicht der größte Skandal der deutschen Journalismusgeschichte, in jedem Fall aber der absurdeste: 1983 veröffentlicht das Magazin Stern bisher unentdeckte Tagebücher. Der angebliche Autor: Adolf Hitler. Doch dann stellen sich die Tagebücher als Fälschungen heraus – und der Stern verliert mehr als die fast 10 Millionen Mark, die er in die 62 Bände investiert hat.

RTL+  hat aus der wahnsinnigen Geschichte die Serie Faking Hitler gemacht und zeigt die insgesamt 6 Folgen ab dem 30. November 2021 als Stream. Neben Moritz Bleibtreu als verschrobenem Kunstfälscher Konrad Kujau übernimmt Lars Eidinger die andere Hauptrolle – und schlüpft ins schwitzige Jackett des Journalisten Gerd Heidemann, der die Tagebücher überhaupt erst ins Magazin bringt.

Im Thriller Abgeschnitten spielte Lars Eidinger einen sadistischen Serienmörder:

Abgeschnitten – Trailer (Deutsch) HD

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Eigentlich wollten wir mit Eidinger nur über die Hitler-Obsession der Deutschen sprechen. Stattdessen sind wir über Nazis und die AfD schließlich bei dem Wunsch nach einer gewalttätigen weiblichen Revolution gelandet.

Moviepilot: Es gibt in der Serie eine Szene, in der dein Charakter von sich selbst sagt, er sei kein Nazi. Glaubst du ihm das?

Lars Eidinger: Ich versuche meinen Figuren immer erst einmal neutral zu begegnen. Natürlich ist es in gewisser Weise komisch oder absurd, wenn jemand auf der ehemaligen Yacht Hermann Görings sitzt mit Hitler-Devotionalien, mit Gläsern, auf denen die Swastika eingraviert ist, und sagt: Ich bin kein Nazi. Es gibt Aufzeichnungen vom echten Gerd Heidemann, in denen er mit Kriegsverbrechern sympathisiert oder Konrad Kujau vorschlägt, sich doch mal in Argentinien Grundstücke anzugucken, falls es zu einem atomaren Krieg kommt.

Lars Eidingers Gerd Heidemann ist Journalist mit Nazi-Fetisch

Ich finde, der Zuschauer kann sich darüber sein Urteil erlauben, aber ehrlich gesagt finde ich, dass die Antwort auf die Frage in der Darstellung liegt. Und da wird es eigentlich ziemlich offenbar, mit wem man es zu tun hat.

Wenn du sagst, dass die Antwort darauf in deiner Darstellung liegt, dann musst
du für dich ja eine Antwort auf meine Frage zu deinem Charakter gefunden haben, oder nicht?

Die Kunst des Filmeerzählens rührte daher, dass man sagt: Es gibt ein Thema und um das zu verstehen, muss man sich eineinhalb Stunden etwas anschauen, damit die Zusammenhänge auch in ihrer Komplexität klar werden. Wenn ich dir das, was ich sagen will, auch in einem Satz beantworten will, brauche ich den Film oder die Serie nicht machen. Genauso wenig, wie ein Maler sein Bild erklärt oder ein Fotograf sein Bild erklären möchte, will ich meine Darstellung auch nicht auf ein Statement reduzieren.

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Das, was Faking Hitler als Serie ausmacht, ist ja aber mehr als die Frage, ob einer der Hauptcharaktere ein Nazi ist oder nicht.

Was glaubst du denn?

Wenn jemand etwas so überhöht und verehrt und zwischen sich und dieser nach allen objektiven Maßstäben in meinen Augen furchtbaren Zeit so eine Nähe herstellen möchte, dann möchte die Person das sein, was sie da anbetet. In dem Fall ein Nazi.

Ich glaube, so einfach ist es nicht. Aber man muss sich als Gesellschaft fragen: Was
macht diese Faszination aus? Wenn man sich die Stern- oder Spiegel-Cover der letzten 40 Jahre anguckt und sich vor Augen hält, auf wie vielen Ausgaben Adolf Hitler ist und was das mit den Verkaufszahlen macht – das bedeutet ja nicht, dass wir alle Nazis sind. Wenn jemand einen Aufkleber von den Böhsen Onkelz hinten auf seinem Auto hat, ist er dann ein Nazi? Vielleicht nicht. Aber warum hört er dann die Böhsen Onkelz?

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Ich glaube, die Frage ist vielmehr, warum Leute die AfD wählen. Ich glaube nicht daran, dass das Protestwähler sind. Ich bin der festen Überzeugung: Die Leute teilen die Werte dieser Partei. Oder wenn jemand sagt: „Ja, ich benutze diesen oder jenen Begriff, aber ich bin doch kein Rassist!“ Und das bereitet mir viel mehr Sorgen. Ich glaube, dass Sprache da verräterisch ist und dass Phänomene wie das, was wir in Faking Hitler beschreiben, dabei helfen kann, Gesellschaft zu begreifen.

Was glaubst du, warum es Leuten trotz rassistischer Sprache wichtig ist, nicht als Rassist zu gelten? Dein Charakter in Faking Hitler möchte ja offensichtlich auch nicht als Nazi bezeichnet werden, weil er sich selbst gar nicht so sieht.

Vielleicht müssen wir uns unsere Fremdenfeindlichkeit zuallererst eingestehen und fragen, inwieweit unsere Gesellschaft fremdenfeindlich ist, um unser Verhalten dahingehend verändern zu können. Es gibt eine Beschreibung von Bertolt Brecht, die man eigentlich auf nahezu jedes Phänomen übertragen kann. Das ist ein Monolog aus der Heiligen Johanna der Schlachthöfe. Da sagt die heilige Johanna: „Ich sehe das System. Da sind welche, wenige oben und viele unten. Das ganze System ist ein Schaukelbrett mit zwei Enden, die voneinander abhängen, und die oben sind nur oben, weil jene anderen unten sind.“

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Wir müssen uns also eingestehen, dass wir oben sind, weil die anderen unten sind und die anderen können nicht rauf kommen, weil wir sonst absteigen würden. Die elementare Frage bei solchen Diskussionen ist für mich: Sind wir bereit abzusteigen? Und wenn ich ehrlich bin, bin ich es nicht. So lange, wie diese Ungerechtigkeit besteht, werden die unten versuchen raufzukommen und darum kämpfen, dass wir absteigen, um die Waage ins Gleichgewicht zu bekommen. Das kann man auch auf die Feminismus-Debatte übertragen.

Was würde in Bezug auf die Feminismus-Debatte für dich das Absteigen
bedeuten?

Dass Männer ihre Privilegien abgeben, dass Männer ihren Mehrverdienst abgeben und ihre Macht. Männer führen Kriege, Männer sind dafür verantwortlich, dass die Städte zerstört wurden. Männer sind dafür verantwortlich, dass eine Stadt so aussieht, wie sie aussieht. Das ganze Stadtbild ist geprägt von Straßen. Ich glaube nicht, dass eine Stadt, die von Frauen geprägt ist, so aussehen würde wie eine Stadt, die vom Patriarchat beherrscht wird.

Wie würde eine von Frauen beherrschte Stadt aussehen?

Im Zuge von Black Lives Matter war ich auf mehreren Demos, zu denen es ein Briefing im Internet gab: Da hieß es, man soll sich nicht positionieren, wenn man darauf angesprochen wird, sondern auf die Veranstalter verweisen. Weil wir als Weiße nicht den Schwarzen erklären können, was Rassismus ist. Genauso kann ich als Mann nicht sagen, wie eine weibliche Stadt auszusehen hat. Ich weiß es nicht.

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Ich kann nur sagen: Wenn wir uns einfach nur umschauen, in welcher Situation wir gerade sind, dann sind wir so nah am Ende der Welt wie nie zuvor. Das ist für mich das Ergebnis des männlichen Entwurfs. Und wir müssen begreifen, dass das eine Sackgasse ist in der wir uns befinden. Entweder wir denken komplett um und lassen jemand anderen ans Steuer, oder das war’s mit der Menschheit.

Ich habe ein Interview mit dir gesehen, in dem dir zugeschrieben wurde, „fragile Männlichkeit“ darzustellen. Fühlst du dich damit korrekt dargestellt?

Nein. Ich finde es tatsächlich in gewisser Weise obszön, als Mann zu sagen, ich würde fragile Männlichkeit darstellen. Dazu bin ich viel zu gefangen in der Rolle des Mannes und selbst Teil des Problems. Wenn ich jetzt sowas anziehe wie diese Glitzerjacke hier, dann ist das Zeichen meiner Befreiung aus gewissen Rollenvorstellungen. Ich mache es für mich. Nicht, weil ich damit irgendwas bewegen will oder weil ich damit die Gesellschaft kritisieren will.

Moritz Bleibtreu spielt den Hitler-Fälscher Konrad Kujau

Ich würde allerdings gern mehr von der Verantwortung und Macht abgeben, die ich als Mann habe. Ich träume von einer weiblichen Revolution. Eigentlich komisch, dass es meines Wissens keine Filme gibt, in denen Frauen gewaltsam die Macht an sich reißen. Freiwillig werden die Männer ihre Macht nicht abgeben.

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Die beiden diskutieren über bisexuelle Klischees in Serien und in ihrem Alltag, die sie nicht mehr sehen und hören können sowie ihre liebsten und die prägendsten queeren Serienfiguren.

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