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#Frage am Freitag: Fridays For Future, was passiert im Klimaaktivismus trotz Corona?

Frage am Freitag: Fridays For Future, was passiert im Klimaaktivismus trotz Corona?

„Wieso, weshalb, warum?“ ist in der kollektiven Kindheitserinnerung unserer Redaktion der dauerhafte Lieblingsohrwurm gewesen, Karla Kolumna mit ihren tausend Fragen unser Vorbild. Denn ja: Wir sind wandelnde, redaktionelle Klischees, die es lieben, neugierige Fragezeichen an die Enden ihrer Sätze zu setzen. Jeden Freitag wollen wir ab jetzt ehrliche Antworten zu Themen wie „Sollten alle Menschen vegan werden?“ oder „Was passiert eigentlich in einer Krise?“ bekommen – und das von Menschen, die es wissen sollten. 

Aber nicht nur! Weil wir Fragen mindestens genauso gerne beantworten wie wir sie stellen, geben wir auch selbst ehrliche Antworten – zu Fragen, die ans Eingemachte gehen. Habt ihr Fragen, die euch schon ewig im Kopf herum kreisen? Dann schreibt uns an [email protected]! 
Wisst ihr noch, als letztes Jahr das Thema Klimakrise plötzlich – endlich – groß diskutiert wurde? Im September 2019 wurden bei Klimastreiks weltweit Rekorde aufgestellt. Hunderttausende Menschen gingen auf die Straße, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass endlich etwas passieren muss. Allein in Deutschland waren es über 1,4 Millionen – rund 270.0000 in Berlin, 70.000 in Köln und in Hamburg, selbst in kleineren Städten kamen teilweise um die 20.000 Menschen bei den Demonstrationen zusammen.

Fast forward, September 2020: Das war dieser Sweet Spot zwischen Lockdown Nummer eins und Lockdown Nummer zwei. Da neigte sich gerade ein Sommer dem Ende zu, der unter so außergewöhnlichen Umständen stattfand, dass man sich vor allem auf die Dinge konzentrierte, die so normal wie möglich waren. Gereist wurde weniger, ja, aber nicht unbedingt dem Klima zuliebe – sondern um die Ausbreitung eines Virus zu verhindern, das seit Anfang des Jahres unser Leben bestimmt. 2019 dachten wir ja schon hin und wieder, dass die Nachrichtenlage ganz schön deprimierend ist. Und dann 2020 so: Hold my Desinfektionsmittel. Selbst die Verschwörungstheoretiker*innen haben in ihren Telegram-Gruppen wohl gerade Wichtigeres zu tun, als den Klimawandel zu leugnen.

Das Klima muss auch 2020 gerettet werden

Wie schafft man es, jetzt Aufmerksamkeit für Klimathemen zu schaffen? Wie Druck auf die Politik erzeugen, wenn man Demonstrationen mit Hunderttausenden, auch wenn sie notwendig sind, gerade nicht als verantwortungsvoll bezeichnen kann? Und was sind die Themen, die die deutsche Klimabewegung gerade besonders beschäftigen? Das haben wir zwei Aktivist*innen von Fridays For Future gefragt.

„Durch Corona haben sich unsere Organisation und die Aktionsformen auf jeden Fall verändert“, berichten Isa und Janna*. „Wir treffen uns nur noch online und planen kleinere Aktionen, weil wir große Demos zur Zeit nicht verantworten wollen.“ Isa und Janna sind Anfang 20 und seit letztem Jahr bei Fridays For Future aktiv. Normalerweise gehören sie zu denen, die die großen Demos planen. In diesem Herbst haben sie stattdessen ihre Rucksäcke gepackt und sind nach Hessen gefahren, um auf Bäume zu klettern.

Ein Klima-Thema sorgte nämlich in den letzten Wochen auch zwischen den Meldungen zu steigenden Corona-Fallzahlen, Querdenker-Demos und den Wahlen in den USA für Aufmerksamkeit: Die geplante Rodung im „Danni“. Der Dannenröder Wald in Hessen wird seit über einem Jahr von Aktivist*innen besetzt. Sie haben Baumhäuser und andere Konstruktionen gebaut, in denen sie leben, und ihr Ziel ist es, den Wald zu schützen: die Bäume, die Ökosysteme, die Arten. Warum das nötig ist? Weil hier eine Autobahn gebaut werden soll. Das, was hier passiert, zeigt, warum Aktivismus im Jahr 2020 nicht auf einen Impfstoff warten kann. Und dass Klimarettung nicht nur in einer abstrakten, entfernten Zukunft eine Rolle spielt, sondern hier und jetzt – und mitten in Deutschland.

Drei hessische Wälder sollen für eine Autobahn, die A49, gerodet werden: Der „Danni“ und die beiden anliegenden Wälder, der Maulbacher und der Herrenwald, obwohl der ein Naturschutzgebiet ist. Einen Wald gegen eine Autobahn eintauschen? Klingt nicht so richtig nach Klimarettung und sollte somit 2020 eigentlich nicht mehr unbedingt angesagt sein. Tatsächlich handelt es sich bei den Plänen zum Bau der A49 um ein über 40 Jahre altes Projekt. Dass das in Zeiten des immer weiter fortschreitenden Klimawandels nicht mehr wirklich zeitgemäß erscheint, darauf weisen Aktivist*innen nicht erst seit gestern hin.

„Die schon lange geforderte Verkehrswende kann nicht mit 40 Jahre alten Autobahnplänen einhergehen“, betonen Isa und Janna. Denn bei den Protesten im „Danni“ geht um mehr als dieses Stück Wald: Der „Danni“ ist in Punkto Verkehrswende das, was der Hambacher Forst für die Anti-Kohle-Bewegung ist. Er steht symbolisch dafür, dass bisher im Verkehrssektor noch bei Weitem nicht genug unternommen wird, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Rund 20 Prozent der deutschen CO2-Emissionen stammen aus dem Verkehrssektor. Um diese zu senken, braucht es eine Infrastruktur, die auf die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr setzt – und keine neue Autobahn.

Die schon lange geforderte Verkehrswende kann nicht mit 40 Jahre alten Autobahnplänen einhergehen.

Bei der Rodung werden außerdem nicht nur vollkommen gesunde Mischwälder vernichtet: „Die Autobahn würde auch durch ein wichtiges Trinkwasserschutzgebiet führen“, erklären Janna und Isa. „In diesem Gebiet gibt es noch viele Schadstoffrückstände aus der NS-Zeit. Es gibt ein ausgeklügeltes System, damit diese Schadstoffe nicht ins Trinkwasser gelangen. Karl-Heinz Schäfer, der Geschäftsführer vom Zweckverband der Mittelhessischen Wasserwerke, vergleicht die mit dem Bau der Autobahn einhergehenden Umstrukturierungen des Systems sogar mit einer Operation am offenen Herzen. Dadurch könnte die Trinkwasserversorgung von über 500.000 Menschen gefährdet werden.“

Was passiert im „Danni“ bei der Besetzung?

Fridays For Future fordern, dass die Räumungen gestoppt werden und die Wälder bleiben. Seit über einem Jahr läuft deshalb die Besetzung im „Danni“: Menschen aus ganz Deutschland sind hier vor Ort, teilweise sogar darüber hinaus. Einige leben dort seit Beginn der Besetzung, andere kommen für ein paar Wochen oder auch nur für wenige Tage. Jede*r bringt so viel Zeit auf, wie er*sie kann und mag.

Im Wald haben die Aktivist*innen verschiedene kleine Dörfer gebaut, die sogenannten Barrios. In diesen Barrios wird gelebt und sich gemeinsam organisiert. Dabei wird darauf geachtet, ohne Hierarchien auszukommen: Jede*r kann sich freiwillig da einbringen, wo er*sie möchte. „Generell sind Essens-, Kleidungs- und Materialspenden von außen immer eine riesige Hilfe. Bei der Mahnwache vor dem Wald gibt es außerdem die Küfa, das ist die Küche für alle, in der jeden Tag drei Mahlzeiten für die Waldbesetzer*innen zubereitet werden. Dabei wurde immer darauf geachtet, dass Masken getragen, Hände desinfiziert und Abstand gehalten wird“, berichtet Isa von ihrer ersten Woche im „Danni“.

Trotz all der Argumente und Proteste gegen das Projekt steht das Bündnis von CDU und Grünen in Hessen weiter hinter dem Ausbau. Vor zwei Wochen hat daher im „Danni“ die Räumung durch die Polizei begonnen. „Bei den Räumungen geht die Polizei leider oft sehr fahrlässig vor, was dazu geführt hat, dass bereits mehrere Aktivist*innen verletzt worden sind“, berichten Janna und Isa.

Im Wald gibt es aus meist drei Baumstämmen gebaute Konstruktionen, die sogenannten Tripods: In diesen Tripods sitzt ein Mensch auf einer Art Schaukel, die mit Stahlseilen an Bäumen oder Barrikaden befestigt sind. Bei Räumungen sind immer genügend Menschen vor Ort, die darauf hinweisen, dass bei einer unvorsichtigen Räumung Menschen aus den Tripods aus hoher Höhe fallen können. Außerdem sind alle entscheidenden Stahlseile mit einem Warnschild gekennzeichnet. In den letzten Tagen wurde aber bei der Räumung im Dannenröder Wald teilweise so rücksichtslos vorgegangen, dass Warnschilder und Warnrufe der Menschen von der Polizei nicht berücksichtigt wurden: „Es ist fast schon ein Glück, dass bisher niemand gestorben ist. Auch bei einer Waldbesetzung ist es Pflicht der Polizei, dafür zu sorgen, dass niemand zu Schaden kommt, solange es keine Selbstverteidigung ist. Doch die Polizei geht hier willentlich Risiken ein, die nicht eingegangen werden dürfen“. Die Besetzer*innen appellieren deshalb an die hessischen Grünen, den Einsatz zu stoppen und die Planung der Autobahn erneut in Frage zu stellen.

Trotz Corona, nach Corona: Wie geht es weiter im Kampf für gegen die Klimakrise?

Bei der Planung weiterer Aktionen sind Fridays For Future von den Corona-Fallzahlen abhängig: „Wir müssen uns im Vorhinein natürlich immer überlegen, wie wir die Corona-Maßnahmen am besten einhalten können. Andererseits hat uns diese Einschränkung vielleicht auch kreativer in unseren Aktionen gemacht, und auch eine Aktion mit nur zehn Menschen kann wirkungsvoll sein. Neulich hatten wir zum Beispiel eine Aktion mit Holzgestellen, die man sich so über die Schultern legt, dass man damit ungefähr die Größe eines Autos einnimmt. So sind wir durch die Straßen gelaufen, um darauf aufmerksam zu machen, wie viel Platz ein Auto einnimmt, auch wenn nur eine Person darin sitzt. Das war natürlich unter Corona-Gesichtspunkten optimal, weil man durch die Dinger automatisch den Sicherheitsabstand einhält“, erzählt Isa.

Am 11. Dezember ist außerdem das 5-jährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. Zu diesem Anlass soll es in ganz Deutschland und Europa viele Aktionen geben, sowohl online als auch offline – um darauf aufmerksam zu machen, was in diesen letzten fünf Jahren nicht passiert ist: „Allgemein fordern wir natürlich noch immer die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels, was ja von der Bundesregierung eigentlich schon beschlossene Sache ist. Wir werden auf jeden Fall nicht aufhören, uns für klimarelevante Themen einzusetzen und für eine klimagerechte Welt zu kämpfen“, betonen Isa und Janna. „Trotzdem ist es gerade eine Herausforderung, das Thema in den öffentlichen Fokus zu bringen, und wir müssen alle auch gleichzeitig mit dem Corona-Alltag klarkommen.“

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