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#Die Staatsmedien sollen das Publikum beruhigen

„Die Staatsmedien sollen das Publikum beruhigen“

Russische Staatsmedien und solche, die von kremlnahen Konzernen kontrolliert werden, erhalten regelmäßig Anweisungen aus der Präsidialverwaltung, in welchem Ton und mit welcher Tendenz über wichtige Themen berichtet werden soll. Das System dieser als „Metoditschka“ bezeichneten Dokumente ist aus Berichten ehemaliger Mitarbeiter russischer Fernsehsender bekannt. Eine solche Anweisung ist auch am Mittwoch verschickt worden, nachdem Präsident Wladimir Putin während einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates den Kriegszustand für die vier von Russland annektierten ukrainischen Gebiete verkündet hatte. Das Exilmedium „Meduza“ ist in ihren Besitz gelangt.

Der erste Punkt dieser „Metoditschka“ lautet: „Es ist wichtig, das Publikum zu beruhigen – nichts wesentliches hat sich geändert!“ In den umkämpften Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson herrsche ja faktisch ohnehin schon der Kriegszustand (was richtig ist), heißt es in dem Dokument. Russische Bürgerrechtler und Juristen bewerten den Erlass über den Kriegszustand und vor allem einen damit verbundenen zweiten Erlass Putins vom Mittwoch freilich vollkommen anders.

Maßnahmen aus dem Kriegsrecht in Russland

Der ausdrücklich mit der Verhängung des Kriegszustands in den vier annektierten Regionen begründete Erlass 756 hat laut Präambel das Ziel, die „Effizienz“ der Exekutive in Russlands Regionen zu erhöhen. Dazu erhalten die Gebietsgouverneure zusätzliche Vollmachten. Die sind umso größer, je näher ein Gebiet an der ukrainischen Grenze ist. Die unmittelbar an die Ukraine grenzenden Regionen wurden in einen Zustand „mittlerer Bereitschaft“ versetzt, die übrigen Regionen Süd- und Zentralrusslands in den der „erhöhten Bereitschaft“ und der Rest des Landes in eine „Grundbereitschaft“.

Erlass Nummer 756 „bedeutet, dass der Krieg auf das Gebiet Russlands gekommen ist“, zitiert der russische Dienst der BBC den Bürgerrechtler Sergej Kriwenko. Denn die Vollmachten, die den Gouverneuren darin zugeschrieben werden, sind direkt aus Artikel 7 des Gesetzes über den Kriegszustand übernommen. Ihnen steht zwar nicht der ganze Katalog von Maßnahmen aus dem Kriegsrecht zur Verfügung, aber einige der neuen Vollmachten können sehr weit in das Leben der russischen Bürger eingreifen. So können in Gebieten mit „erhöhter Bereitschaft“, zu denen auch Moskau zählt, Fahrzeuge durchsucht werden und der Verkehr kann eingeschränkt werden. Objekte der Infrastruktur und Rechenzentren können für Bedürfnisse der Verteidigung unter staatliche Kontrolle gestellt werden.

Das kann sich zum Beispiel auch auf private Anbieter von Mobilfunk und Internetdiensten erstrecken. In den betroffenen Unternehmen ist es möglich, Regeln wie die Begrenzung von Arbeitszeiten auszusetzen. In die Gebiete mit „mittlerer Bereitschaft“, in denen Großstädte wie Rostow, Kursk, Woronesch und Belgorod liegen, können zudem Menschen aus gefährdeten Gebieten ausgesiedelt werden. Außerdem kann für die Ein- und Ausreise aus diesen Regionen ein „besonderes Regime“ erlassen werden. Auch innerhalb dieser Gebiete kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.

Hinzu kommt, dass auch die Verhängung des Kriegsrechts in den besetzten Gebieten direkte Auswirkungen auf russische Regionen haben kann. Das geht aus Punkt 3 des Erlasses hervor. Darin heißt es ohne räumliche Einschränkung, bei „Notwendigkeit“ könnten auch „andere Maßnahmen“ aus dem Gesetz über den Kriegszustand angewendet werden. Gegenüber kremlkritischen (also im Exil arbeitenden) russischen Medien haben Juristen das als Verweis auf Artikel 8 jenes Gesetzes interpretiert, der es den Behörden ausdrücklich erlaubt, auch außerhalb der direkt vom Kriegsrecht betroffenen Gebiete zur Sicherstellung der Bedürfnisse von Staat, Armee und Bevölkerung tief in die Wirtschaft einzugreifen.

Geheime Erlasse Putins

Der Jurist und Menschenrechtler Pawel Tschikow weist in seinem Telegram-Kanal noch auf weitere mögliche Folgen des Kriegsrechts in den vier besetzten Gebieten für ganz Russland hin. Weil die Ausrufung des Kriegszustands einen Angriff auf russisches Gebiet voraussetze, setze dieser Schritt eine ganze Kette weiterer Maßnahmen in Gang, die im Gesetz „Über Verteidigung“ festgelegt seien, schreibt Tschikow. So werde damit der in einem Erlass Putins voriges Jahr festgelegte Verteidigungsplan in Gang gesetzt. Der Inhalt des Plans ist ebenso geheim wie ein Erlass Putins aus dem Jahr 2014 über die Territorialverteidigung. Der wird in Erlass 756 ausdrücklich erwähnt: In den Regionen sollen Stäbe der Territorialverteidigung gebildet werden, denen sowohl Vertreter der Zivilverwaltung als auch der Sicherheitskräfte und der Streitkräfte angehören.

Die „mobilisierenden Maßnahmen“, von denen in den Erlassen die Rede ist, stehen in Widerspruch zu Äußerungen Putins und anderer russischer Politiker über die im September verkündete Teilmobilmachung. Putin hat unlängst angekündigt, sie werde Anfang November abgeschlossen sein; Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin hat in der offensichtlichen Absicht, die Einwohner der Stadt zu beruhigen, Anfang dieser Woche schon Vollzug gemeldet. Er gehörte auch zu den ersten Gebietsoberhäuptern, die nach der Verkündung von Putins Erlassen mitteilte, diese würden keine Auswirkungen auf das Leben in der Stadt haben. Auch die Gouverneure der grenznahen Gebiete versicherten noch am Mittwoch einer nach dem anderen, es würden keine Einschränkungen geplant. Alles sei in ihren Gebieten unter Kontrolle.

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