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#Geständnisse eines arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen – zoon politikon

Geständnisse eines arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen – zoon politikon

Ich gestehe: Ich bin ein arabisch und nordafrikanisch aussehender Mensch. Dazu kommt, dass in meiner Muttersprache das ‘ch’ verdächtig kratzt.

Wenn ich irgendwo gegen das Gesetz verstossen würde, wenn ich mich als Bürger an Debatten um Migrationspolitik beteilige oder beim Grenzübertritt beim nach Hause kommen in die Schweiz, ist das irgendwie wichtig. Es spielt hingegen keine Rolle, wenn ich die Steuerrechnung kriege, Gebühren zahlen muss oder gute Arbeit leiste. Es war egal als ich meine Doktorarbeit verteidigte und mein Aussehen kümmerte damals niemanden als es um die Wehrpflicht ging.

Das ist alles sehr verwirrlich. Aber was sich nun in den letzten Tagen abspielt, scheint noch viel komplizierter.

Als arabisch und nordafrikanisch aussehender Mensch war mir Feminismus schon immer ein Anliegen. Ich lerne nun, dass das nicht in meiner Kultur liegt (wie wir alle wissen, ist unsere Kultur eine direkte Funktion unserer Hautfarbe) . Geduldig wurde mir in den Kommentaren erklärt, dass ich dem “Genderwahn” verfallen sei und ich wurde als “Frauenversteher” bezeichnet. Wenn “jemanden zu verstehen” zur Charakterschwäche wird, weiss man wohl, dass man es mit einer Kultur zu tun hat, die Frauen- und Menschenrechte zu schätzen weiss.

Nach den Übergriffen in Köln scheinen nun viele doch zum Schluss gekommen zu sein, dass sexualisierte Gewalt doch ein grosses Problem ist dem man sich annehmen muss. Oder vielleicht auch nicht. Weil will ich nun über solche Gewalt als allgemeines Problem sprechen, wird mir erklärt, dass ich ein Kulturrelativist sei, ein Verharmloser und dass ich das eigentliche Thema unter den Teppich wischen möchte. Dieses eigentliche Thema sind anscheinend Leute die irgendwie aussehen wie ich.

Das Oktoberfest ist natürlich was ganz anderes. Weil es gab weniger Anzeigen. Es gibt anscheinend eine Grundniveau von solchen Übergriffen die akzeptabel sind. Dies unterscheidet wohl fortschrittliche von rückständigeren Kulturen. Auch die Basis, um diesen magischen Prozentsatz zu berechnen muss man kennen. In München sind das alle Besucherinnen und Besucher des Oktoberfests. In Köln plus minus die anwesenden Täter. Prozentrechnen ist wohl auch so ein kulturelles Problem, das ich wegen meiner Haar- und Hautfarbe nicht ganz verstehe.

Als Gloria von Thurn und Taxis über die kulturellen Eigenheiten von Afrika, ein Land irgendwo südlich vom Mittelmeer so viel ich weiss, philosophierte (“der Schwarze schnackselt halt gerne”), machte man sich über so viel Unbildung und Verallgemeinerung lustig. Heute darf man im Feuilleton der NZZ zu einer “differenzierten” Diskussion aufrufen und gleichzeitig bedenklich über einen Technoladen “voll mit arabischen und afrikanischen Männern” (wir wissen ja, wie die aussehen) schreiben, “die nicht wussten, dass die leichte Bekleidung der Tänzerinnen keine Einladung zum Begrabschen ist, und die nicht verstehen wollten, dass ein weibliches ‘No’ tatsächlich Nein bedeuten kann.” Was für eine fremde Kultur das doch ist. So was gibt es bei uns sonst nicht.

Nun kann es natürlich zu Missverständnissen kommen. So mancher Repräsentant von zivilisierteren Nationen wie zum Beispiel Spanien oder Italien könnte bei einem flüchtigen Blick mit einem arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen verwechselt werden. Aber gemäss dem Feuilleton der NZZ mögen es diese Männer (wohl im Gegensatz zu uns arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen), als “Machos” bezeichnet zu werden. Es ist für sie “ein Kompliment und Teil ihrer Selbstdefinition”. Darum soll der Begriff bitte auch auf “islamische Gesellschaften kritisch angewendet” werden dürfen. Ich finde das macht total Sinn. Ausserdem wird mir zum Glück im Netz bei jeder Diskussion um Islamophobie immer wieder erklärt, dass das nichts mit Rassismus zu tun hat, weil “der Islam schliesslich keine Rasse” sei. Zum Glück gibt es alle diese Erklärbären im Netz. Sonst hätte der Eindruck entstehen können, dass “muslimisch” irgendwie synonym mit “arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen” benutzt wird. Feuilletons muss man halt lesen können. Als kulturell christlich geprägter Atheisten, der regelmässig erklären muss, dass er nicht Muslim ist, finde ich das sehr beruhigend.

Fakten sind Fakten höre ich immer wieder. Es liegt wohl daran, dass ich ein arabisch und nordafrikanisch aussehender Mensch bin, dass es mir so schwer fällt diese auszumachen. Ich bin wohl einfach zu emotional (so sind wir “Orientalen” habe ich schon von Sarrazin gelernt). Ich glaubte in den letzten Tagen unzählige Texte von Feministinnen zu den Übergriffen in Köln gelesen zu haben, lerne nun aber dass sie sich zum Thema ausschweigen. Eine Kriminalstatistik auf Nationalitäten runter zu brechen ist ein Fakt mit klaren Implikationen was zu tun ist. Dies gilt aber nicht, wenn es um das Geschlecht geht (statistische Kontrollen sind übrigens auch völlig irrelevant). Dass sexualisierte Gewalt ein riesiges Problem ist in unserer Gesellschaft und das der typische “Täter kein Fremder ist (kein generisches Maskulinum) ist kein wichtiges Fakt. Dass gemäss Zeugen “arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen” solche Gewalt ausgeübt haben ist hingegen nicht nur ein zentrales Fakt, sondern es soll auch sofortige politische und rechtliche Konsequenzen haben. Es ist auf jeden Fall genug Fakt um aufs gröbste zu Verallgemeinern und gigantische Sprachräume und Regionen über einen Kamm zu scheren und seinen ganzen Vorurteilen freien Lauf zu lassen.

Aber niemand muss diesen Eintrag ernst nehmen. Schliesslich wurde er von einem arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen geschrieben. Ich bin offensichtlich Partei. Und anders.

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