Im Jahr 2022 hatte die Kryptobranche nicht nur mit einem ausufernden Bärenmarkt zu tun, sondern auch mit vielen anderen weitreichenden Verwerfungen innerhalb der Kryptobranche. Auch der NFT-Sektor blieb von dieser Krise nicht verschont. Alexandre Tsydenkov, der Gründer des Events NFT Paris, wagt deshalb einen Rückblick auf die wegweisenden Entwicklungen von 2022.

Cointelegraph: Der NFT-Markt wurde schwer von heftigen Verlusten auf dem Kryptomarkt getroffen. Glauben Sie, dass NFT-Kunst und die Branche als Ganzes diesen Bärenmarkt überleben werden? 

Alexandre Tsydenkov: Wenn man sich den Hype-Zyklus nach Gartner ansieht, dann wird einem schnell klar, wo sich NFTs momentan im Hinblick auf die Adoption befinden. Derzeit befinden wir uns entsprechend im Tal der Enttäuschungen nach dem Gipfel der überzogenen Erwartungen, also dem Hype der vorherigen Monate. Letzterer ging mit haushohen Preisen und großem Interesse einher, weshalb viele NFT-Fans, darunter auch ich, die Hoffnung hatten, dass die Adoption im Mainstream unmittelbar bevorsteht.

Hype-Zyklus nach Gartner. Quelle: Wikipedia

Allerdings sollten die NFT-Preise nicht als Indikator herangezogen werden, um zu bewerten, ob sich ein Markt wieder aus der Krise manövrieren kann.

Eine spezielle NFT-Kunst gibt es als solche nicht. Es gibt lediglich digitale Kunst, die durch NFTs monetarisierbar gemacht wird. Allerdings gibt es darunter komplexere Kunstwerke, die die Funktionsweisen von Blockchains und Tokens nutzen, um neuartige Kunst zu schaffen.

CT: Wie hat sich NFT-Kunst in den letzten Jahren ihrer Meinung nach entwickelt? Sie haben die Evolution des Marktes angesprochen – woran ist dieser Wandel zu erkennen?

Alexandre Tsydenkov: Die Evolution, die ich meine, betrifft allen voran die neuen Möglichkeiten zur Monetarisierung, die sich für Künstler ergeben haben. So können diese jetzt an Weiterverkäufen beteiligt werden und sind unabhängig von bestehenden Plattformen wie Manifold. Ganz besonders wichtig ist, dass sie inzwischen selbst auf ihren eigenen Smart Contracts minten können. Dabei gilt es anzumerken, dass der größte Wandel in der NFT-Branche sein wird, dass die Worte “NFT” und “Blockchain” verschwinden, sodass wir irgendwann nicht mehr von NFTs, sondern nur noch von „digitalen Kunstgegenständen“ sprechen werden.

CT: Heutzutage gibt es in der Kryptobranche ernsthafte Vertrauensprobleme, denn die jüngsten Ereignisse rund um FTX zwingen Investoren zur Vorsicht. Wie kann die NFT-Branche nach diesen Entwicklungen das Vertrauen der durchschnittlichen Nutzer zurückgewinnen?

Alexandre Tsydenkov: Es gibt mehrere wichtige Faktoren, die helfen können, das Vertrauen zurückzugewinnen. Erstens, die Regulierung, die Marktteilnehmer zu mehr Anlegerschutz zwingen wird, zweitens, die Wörter und Ausdrücke, die ich angesprochen habe; das Wort “NFT” muss weg. Außerdem braucht es dringend mehr Benutzerfreundlichkeit. Es gibt noch viel zu tun, was die Nutzererfahrung (User Experience – UX) und die Benutzeroberflächen (User Interface – UI) angeht. Es gibt auch noch große Sicherheitsprobleme, die unbedingt gelöst werden müssen, denn kein Anleger sollte das Risiko tragen, dass Assets durch einen Hack oder Sicherheitslücken gestohlen werden können.

Zu guter Letzt muss die Dezentralisierung wieder in den Mittelpunkt rücken. Das Fehlverhalten von Menschen muss mit Technologie gelöst werden.

CT: Welche Maßnahmen wurden bisher ergriffen, um gegen Betrug vorzugehen? Wie können wir die Transparenz der Branche bewerten?

Alexandre Tsydenkov: Die Blockchain macht alle Transaktionen nachvollziehbar, die Technologie macht die Branche also von Natur aus transparent. Viele Blockchain-Unternehmen können genaue Informationen zu Betrug und  Diebstahl liefern. Deshalb gibt es zum Beispiel Nutzer wie ZachXBT, der Krypto-Betrugsfälle analysiert, nachverfolgt und die Betrüger ausfindig macht.

Die dramatischen Ereignisse, die jüngst viele zentralisierte Krypto-Plattformen getroffen haben, hätten bis zu einem gewissen Grad abgemildert werden können. Da war viel menschliches Fehlverhalten am Werk, weshalb wir Blockchain und NFT brauchen, um derartiges Verhalten zu verhindern.

CT: 2022 war ein schwieriges Jahr für die Branche. Was sind Ihre Lehren für das neue Jahr?

Alexandre Tsydenkov: Die hauptsächliche Lektion, die ich aus 2022 gelernt habe, ist, dass es Zeit braucht, bis sich eine revolutionäre Technologie wie NFTs in der breiten Masse durchsetzt.

CT: Welches Potenzial hat die NFT-Branche in den nächsten zehn Jahren?

Alexandre Tsydenkov: Ich bin davon überzeugt, dass die NFT-Branche große Revolutionen in vielen Feldern vorantreiben wird, darunter Gaming, Kunst, Mode, Social-Media und Identifikation.

Dabei wird die Technologie geradezu unsichtbar – ein schrittweiser und effektiver Wandel. Irgendwann werden wir nicht mehr über NFTs reden. Ich denke, sie werden Teil einer Welt sein, die durch „digitale Knappheit“ gekennzeichnet ist. Der Handel mit digitalen Gütern wird zum neuen Standard.

All den Widrigkeiten des vergangenen Jahres zum Trotz ich bin also fest davon überzeugt, dass die NFT-Branche eine rosige Zukunft vor sich hat.