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#Besser als die echte Buchmesse

Besser als die echte Buchmesse



Moderator Tarik Tesfu präsentierte einige Stunden des Messeprogramms.

Bild: Screenshot Bookfest

Der beste Publikumstag ist einer ohne Publikum: Zehn Gründe, warum das Bookfest Digital auf zwei Youtube-Kanälen einem echten Samstag auf der Buchmesse weit überlegen ist.

Achtundzwanzig Stunden Interviews, Porträts, Diskussionen und Showkochen auf zwei Kanälen, ungewohnt schnell getaktet: Für diese Alternative zum Publikumssamstag voller Veranstaltungen auf der Messe haben sich die Veranstalter entschieden. „Wir können ja keine Stunde eine Wasserglaslesung abhalten“, sagte Projektleiterin Petra Kappler entschieden. Also gibt es beim Bookfest Digital, das noch bis Mitternacht dauert, kürzere Beiträge, die zwischen populär und ambitioniert wechselten. Warum kann das nicht jedes Jahr so sein? Es gibt nämlich viele gute Gründe dafür.

Julia Bähr

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  1. Das Publikum sitzt zu Hause. Das heißt, dass das umfangreiche Programm jetzt auch jenen zugänglich ist, die weit entfernt sind oder sich kein Hotel zu Messepreisen leisten können. Im Chat neben dem Stream wünschen munter Fremde einander einen guten Morgen und grüßen aus Alaska, Miami, Malaysia und Ungarn.
  2. Das Publikum sitzt zu Hause. Und das hat einen zweiten großen Vorteil: Alle, die sonst die Gänge zwischen den Ständen verstopft hätten, mit denen man vor den Rolltreppen angestanden und um einen Sonnenplatz im Hof konkurriert hätte, sind eben nicht da. Stattdessen genießt man gleichzeitig mit dem Bookfest die herrliche Ruhe in den eigenen vier Wänden.
  3. Auch die Autoren sind zu Hause. Deshalb bekommen wir nicht nur bei den Live-Interviews Einblicke in ihre Wohnzimmer, sondern es kommt auch zu so schönen vorbereiteten Beiträgen wie dem über Axel Scheffler: Der Schöpfer des Grüffelo lässt sich auf seinem Perserteppich nieder und zeigt sein Skizzenbuch, außerdem begleiten wir ihn in seinen liebsten Buchladen. Das kann ein Interview auf der Messe niemals bieten.
  4. Die kurze Form ist ideal. Die Lesungen auf der Messe waren noch nie Orte der Konzentration und Liebe zur Literatur – immer telefonierte jemand laut im Hintergrund oder wurde gerade ein Prominenter vorbei eskortiert. Wenn zehn Minuten Lesung nicht reichen, um das Interesse an einem Buch zu wecken, reicht eine halbe Stunde wahrscheinlich auch nicht.
  5. Die Abwechslung macht’s. Wenn man gerade findet, dass das Interview mit Elizabeth Gilbert („Eat Pray Love“) doch etwas lang und stromlinienförmig geraten ist, kommen als nächstes poetische Kurzbegegnungen mit kanadischen und norwegischen Autorinnen, die Gedichte auf Englisch und Sami vortragen, erzählen und experimentelle Musik machen. Weitgehend kontextlos. Einfach so. Man kann dem Publikum ja auch mal was zutrauen. Zumal die Künstlerinnen es bei dieser Form nicht mal mitbekämen, wenn nur noch vier Zuschauer übrigbleiben würden.
  6. Endlich ist hier mal aufgeräumt. Üblicherweise gibt es auf der Messe mindestens zwei Veranstaltungen gleichzeitig, die man besuchen möchte, und dann wieder drei Stunden keine. Das Bookfest Digital hat nach Themen geclustert, was bedeutet, dass man vormittags prima ein Kind vor Kanal 1 setzen kann, wo unter anderem Katja Brandis aus „Seawalkers“ vorliest, und nachmittags auf Kanal 2 vieles über Asien erfährt, zum Beispiel über Science-Fiction aus China.
  7. Man muss auf nichts verzichten. Wer dachte, ein auf zwei Kanäle und einen Tag zusammengeschrumpftes Programm biete wirklich nur Platz fürs Exzeptionelle, unterlag einem Irrtum: Natürlich kocht die unvermeidliche Daniela Katzenberger auch in diesem Jahr wieder. Allerdings nur zwei Minuten lang, was vollkommen ausreicht.
  8. Es geht hin und her. Wenn man sich von einem Beitrag gelangweilt fühlt, kann man schauen, was auf dem anderen Kanal gerade so läuft, ohne auch nur die Füße auf den Boden zu setzen, geschweige denn sich in eine andere Halle zu schleppen. Und wenn es nebenan auch öde ist, wechselt man eben wieder zurück. Das verbindet die größten Vorzüge von Buchmesse und Fernsehen auf äußerst bequeme Weise.
  9. Die Messe verdient Geld. Okay, ein bisschen zumindest. Es gibt jedenfalls Werbung zwischen den Beiträgen, und man muss sehr hoffen, dass Weight Watchers sich dumm und dusslig dafür gezahlt hat, dass Ross Antony unter lautstarker Begeisterung minutenlang einen kalorienarmen Kuchen backen darf, während das Logo der Firma rechts unten eingeblendet wird. Ob die ganze Angelegenheit unterm Strich übermäßig lukrativ ist, bleibt trotzdem fraglich.
  10. Es gibt Moderatoren. Wozu? Das hätten wir uns noch vor ein paar Wochen auch gefragt, aber erst ihre Anwesenheit zeigt, welch wichtige Funktion ein freundliches Gesicht und ein paar überleitende Worte in einem abwechslungsreichen Programm erfüllen. Die Moderatoren, unter anderem der ausgesprochen authentisch gut gelaunte Tarik Tesfu, machen auch Interviews selbst und verleihen dem Ganzen eine persönliche Note. Das Publikum muss sich nicht mehr selbst zurechtfinden, es wird an der Hand genommen und herumgeführt. Wenn die Messe dieses Konzept nicht zumindest ergänzend weiterführt, lässt sie sich wirklich etwas entgehen.

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