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#Es geht wieder nur um uns selbst

Es geht wieder nur um uns selbst

Am 17. August hat das Covid19-Dashboard der Johns Hopkins Universität für Afghanistan 101 neue Fälle bei einem Sieben-Tage-Mittelwert von 176 angegeben. Es ist seit einem Höhepunkt am 22. Juni zudem ein kontinuierlicher Abwärtstrend zu verzeichnen. Diese positive Entwicklung spielte in den vergangenen Tagen bei uns keine Rolle, auch die fehlende Impfbereitschaft der provisorischen neuen Regierung in Kabul wurde bei uns noch nicht thematisiert. Allerdings auch nicht, ob solche Daten in einem solchen Land überhaupt eine Aussagefähigkeit beanspruchen können.

Insofern konnte es nicht erstaunen, dass in der Sendung „Maischberger“ am Mittwochabend die epidemiologische Lage in Afghanistan keine Rolle spielte, obwohl es in den vergangenen bald 18 Monaten wirklich keine Sendung gab, wo solche Lagen nicht in epischer Breite thematisiert wurde. Für diese Ignoranz gibt es gute Gründe: In Afghanistan passiert gerade etwas von weltpolitischer Bedeutung, wo Inzidenzwerte kein relevantes Problem mehr sind.

In diesen Tagen kollabieren Weltbilder, insofern ist die damit verbundene Verwirrung wohl unvermeidlich. Der ZDF-Journalist Theo Koll brachte das gut zum Ausdruck, als er den Zusammenbruch des Staat genannten afghanischen Kartenhauses eine Zäsur nannte. Die westliche Welt habe „nicht überall die Attraktivität, von der wir alle dachten, das sei so.“

Fantasie für den Frieden

Markus Feldenkirchen vom Spiegel-Magazin gab dann auch gleich mit elfjähriger Verspätung der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käsmann recht. „Nichts ist gut in Afghanistan“, so hatte sie es in ihrer Neujahrsansprache in Dresden formuliert. Sie sagte übrigens damals noch: „Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen.“ Insofern könnte man annahmen, dass die Selbstauflösung von Staat und Armee in Afghanistan eine Form der Fantasie für den Frieden sein könnte.

Umgekehrt wäre es möglich, Käsmanns  Ausgangsthese zu widersprechen. Waffen schaffen in Afghanistan doch Frieden, es waren halt nur die der Taliban. Insofern ist es elf Jahre später immer noch fraglich, ob uns die Selbstvergewisserung aus dem protestantischen Pfarrhaus in komplexen geopolitischen Konstellationen weiterhilft. Afghanistan sei eine Mission ohne Zielsetzung geworden, wie es Feldenkirchen formulierte.

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Doch das ist eine fromme Lüge. Tatsächlich gab es nicht nur in Deutschland immer eine Zielsetzung: Afghanistan zu helfen, auf den eigenen Beinen zu stehen. Das war weit mehr als das bei uns berühmt gewordene Brunnenbohren. Es betraf die Polizei, Armee und Geheimdienste, genauso wie das Bildungssystem oder den Verwaltungsaufbau. Damit waren weltweit hunderte Institutionen beschäftigen: Von den Vereinten Nationen bis zu den kleinsten NGOs.

Man kann nicht behaupten, dass niemand dieses Ziel verwirklichen wollte. Das Erschrecken resultiert allein aus der Ernüchterung der vergangenen Tage, dass diese Beine nie existierten. In der Beziehung hatte Frau Käsmann bei ihren Kritikern einen wunden Punkt getroffen: Die Ahnung von der Aussichtslosigkeit der eigenen Bemühungen.

Diese Sendung war kennzeichnend für unseren politischen Umgang mit dem Thema. Es ging in Wirklichkeit nicht um Afghanistan, sondern um uns selbst. Das ist zwar nachvollziehbar, schließlich haben wir bald Bundestagswahlen mit einem offenen Ausgang. Allerdings ist es zu bezweifeln, ob das ohne diese Wahlen anders wäre. Zwar hatte etwa Anna Schneider von der Zeitung Welt darauf hingewiesen, dass wir kaum ermessen könnten, was „das geopolitisch bedeutet.“

Schaufensteranträge der Opposition

Aber solche Hinweise, auch von Gregor Gysi (Linke) oder Norbert Röttgen (CDU), blieben folgenlos. Das wichtigste Thema bei uns ist das, was Koll so schön euphemistisch einen „Managementfehler“ nannte, also der Umgang mit unseren früheren afghanischen Mitarbeitern. Im Mittelpunkt standen dabei die Schaufensteranträge der Oppositionsparteien aus dem Frühsommer. Sie hatten dort in unterschiedlicher Formulierung die Bundesregierung aufgefordert, die Rückführung dieser Ortskräfte zu veranlassen.

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