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#Interview: Caroline Bosbach zur Klimakrise: „Verzicht kann nicht die Lösung sein“

Interview: Caroline Bosbach zur Klimakrise: „Verzicht kann nicht die Lösung sein“


Caroline Bosbach kennt das politische Geschäft von Kindesbeinen an. Nun hat sie in einem Buch beschrieben, wie Klima und Wirtschaft gemeinsam gedacht werden können – mit konservativer Politik.

Frau Bosbach, in ihrem Buch „Schwarz auf Grün“ stellen Sie die These auf, dass es in Deutschland so etwas wie eine schweigende Mehrheit gibt – wie kommen Sie darauf? Reden nicht eher alle wild durcheinander und niemand hört dem anderen mehr zu?

Caroline Bosbach: Mir geht es gar nicht um diejenigen, die im wahrsten Sinne des Wortes schweigen. Mir geht es eher um diejenigen, die zwar eine Meinung haben, aber weder laut schreiend durch die Straßen ziehen noch in Talkshows sitzen oder eine andere Bühne haben. Das sind Menschen, die am Küchentisch oder in der Kneipe diskutieren; ihr Herz eher denjenigen ausschütten, von denen sie glauben, verstanden zu werden.

Hat die Politik die Mitte der Gesellschaft aus dem Blick verloren?

Caroline Bosbach: Viele Menschen haben das Gefühl, dass Vieles wichtiger ist als ihre eigenen Probleme, zum Beispiel die Umwelt, das Klima. Aber was ist mit mir als Bürger, der von morgens bis abends arbeitet, brav seine Steuern bezahlt und dafür sorgt, dass unser Sozialstaat funktioniert? Viele Menschen glauben, dass es um sie und ihre Bedürfnisse, um ihre Hoffnungen und Wünsche kaum noch jemandem geht. Deshalb möchte ich in meinem Buch auch nicht mich und meine Meinung in den Mittelpunkt stellen, sondern die Bürger.

„Nationale Alleingänge im Klimaschutz bringen nichts“

Sie schreiben „In einer freien Gesellschaft möchte ich Menschen nur ungern dazu ermutigen, sich zu reduzieren, kleinzuhalten, Verzicht zu leben.“ – Ist das nicht ein wenig einfach? Ist es nicht ehrlicher, zu sagen: Ja, wir werden verzichten müssen! Weniger Mallorca, weniger Steak, weniger PS.

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Caroline Bosbach: Nein. Verzicht kann nicht die Lösung sein. Lassen Sie uns Zahlen, Daten und Fakten betrachten. Und einordnen. Innerdeutsche Flüge etwa sind mit einem Anteil von 0,3 Prozent an den gesamten deutschen CO2-Emissionen nicht der so große Klimakiller, wie sie oftmals dargestellt werden. Oder nehmen Sie die Elektroautos. Wer seinen normalen Golf gegen einen E-Golf eintauscht, muss wissen, dass sich das klimatechnisch erst nach etwa 130.000 gefahrenen Kilometern lohnt.

Das klingt jetzt nach der recht bequemen These: Deutschland allein kann eh nichts gegen den Klimawandel ausrichten, also lassen wir es ganz sein…

Caroline Bosbach: Fest steht, dass nationale Alleingänge nichts bringen. Verbote sind kein Fortschritt, sondern bestenfalls Stillstand. Darüber müssen wir offen sprechen und die dazugehörigen, relevanten Fakten auf den Tisch legen. Dann kann jeder für sich selbst entscheiden. Die Klimakrise ist ein globales Phänomen. Nur auf dieser Ebene kann dieses Problem auch wirksam gelöst werden.

„Ich gehöre nicht zum Team Vorsicht“

Auch in der Corona-Krise hat die deutsche Politik in den vergangenen Monaten stark auf Verbote gesetzt. War das aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Caroline Bosbach: Ich habe nicht unbedingt zum „Team Vorsicht“ gehört, weil wir wissen, dass dieses Virus nicht verschwinden wird. Wir müssen lernen, mit ihm zu leben und dürfen die Lage nicht noch mehr dramatisieren – sie ist schon schlimm genug. Es ist wie in der Klimapolitik: Wenn wir mit Weltuntergangsszenarien und Panik arbeiten, machen wir die Menschen verrückt. Kürzlich hat eine Tageszeitung geschrieben: Inzidenzwert wieder gestiegen! Dann schaust du ins Kleingedruckte und siehst: von 4,9 auf 5,1. Ja, die Delta-Variante ist unberechenbar. Und wir wissen leider immer noch viel zu wenig über dieses heimtückische Virus. Aber das „Team Vorsicht“ hat meiner ganz persönlichen Meinung nach eben viele Aspekte außer Acht gelassen, mit gravierend negativen Folgen, nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem für Kinder und Jugendliche. Das ist eine streitbare These, und ich verstehe sehr gut, wenn es Menschen gibt, die das vollkommen anders sehen, weil für sie Gesundheit eben immer Trumpf ist.

Ist es nicht die Aufgabe von Politik, über das hier und heute hinauszuschauen – wie ist die Corona-Lage im Herbst, welche Folgen hat der Klimawandel in 20 Jahren?

Caroline Bosbach: Natürlich, aber Beispiel Klima: hier ist vieles ideologiegetrieben. Es gibt für jede wissenschaftliche Aussage eine Gegenposition. Wir müssen nüchtern darstellen, was auf uns zukommen wird und gut erklären. Wir können doch nicht Politik an den Menschen vorbei machen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass alles andere nicht funktioniert.

„Wir brauchen eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“

Wie müsste aus Ihrer Sicht eine Politik der Mitte aussehen?

Caroline Bosbach: Wesentliche Bestandteile sind zuhören und erst nehmen. Nur dann können wir die Menschen auch mitnehmen, dann sind sie bereit zu Veränderungen – aber doch nicht, wenn sie das Gefühl haben, gegängelt zu werden.

Aber es gibt doch keinen einzigen Politiker, der ernsthaft sagt, man soll die Ängste einfach ignorieren. Alle versprechen doch, die Sorgen ernst zu nehmen.

Caroline Bosbach: Ja, die Praxis sieht manchmal allerdings etwas anders aus.

Ein Politiker bringt mir doch erst etwas, wenn er mir eine Lösung aufzeigt.

Caroline Bosbach: Das sehe ich anders. Man denkt ja auch immer, man müsse die Wirtschaft erst unter Druck setzen, damit sie aktiv wird. Das stimmt aber nicht. Wir dürfen nicht glauben, dass die Menschen nur dann „funktionieren“, wenn man ihnen droht. Wir brauchen eine Versöhnung von Ökonomie, ökonomischer Stabilität und sozialen Fragen. Da gibt es kein Gegeneinander. Aber wir dürfen nicht eine Seite mehr betonen als die andere. Wenn diese Balance ausgehebelt wird, ist das nicht nachhaltig. Ich sage gar nicht, dass wir den Klimaschutz hintanstellen sollen – beim Ziel sind wir uns einig, nur über den Weg dahin nicht. Nachhaltigkeit bedeutet mehr, als E-Roller zu fahren.

Politische Karriere? „Alles kann, nichts muss“

Für Ihr Buch haben Sie sich mit Menschen ausgetauscht, die der Klimapolitik eher skeptisch gegenüberstehen. Hatten Sie den Eindruck, die erreicht man mit Argumenten?

Caroline Bosbach: Unbedingt. Wir sind mit dem Buch ganz bewusst nicht in die Tiefe, sondern in die Breite gegangen, die häufigste Reaktion der Menschen, mit denen ich diskutiert habe, war: „Oh, wusste ich gar nicht.“ Jeder hat seinen Alltag, jeder hat seinen Beruf, sein Privatleben. Die wenigsten haben Zeit, sich mit politischen und/oder wissenschaftlichen Detailfragen zu beschäftigen. Es darf aber in diesem politischen Wettbewerb nicht derjenige gewinnen, der am lautesten schreit und die radikalsten Forderungen hat.

Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach hat die politische Haltung seiner Tochter geprägt.

Foto: Oliver Berg, dpa

Haben Sie eigentlich Ambitionen auf eine politische Karriere?

Caroline Bosbach: Alles kann, nichts muss. Was ich in den vergangenen 20 Jahren durch die Arbeit meines Vaters, aber auch durch meine eigene Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag miterleben durfte, hilft mir, die politische Lage auch ohne eigenes Mandat zu beurteilen. Und was die Zukunft bringt, werden wir sehen. Ich möchte aktiv gestalten, habe aber auf der anderen Seite bei meinem Vater auch die Schattenseiten dieses Berufes erlebt.

Sie werden oft auf ihren Vater Wolfgang Bosbach angesprochen, der jahrzehntelang im Bundestag in der ersten Reihe stand. Nervt Sie das?

Caroline Bosbach: Es nervt mich nicht – aber irgendwann ist es mit der Reduzierung aufs Tochter-Dasein, so schön das auch sein mag, auch mal gut. Das war auch ein Grund, warum ich mit dem Buch etwas Eigenes machen wollte.

Haben Sie das CDU-Gen von ihrem Vater Wolfgang Bosbach geerbt?

Caroline Bosbach: Ja, total. Ich bin durch und durch konservativ.

„Die CDU ist mein Zuhause“

Das aktuelle Buch von Caroline Bosbach.

Foto: Verlag

Andere Töchter reiben sich an ihrem Vater, die Tochter von Horst Seehofer ist eben der FDP beigetreten.

Caroline Bosbach: Das wäre für mich keine Option. Die Partei ist mein Zuhause, seitdem ich denken kann.

Dabei hat der „Stern“ mal getitelt: „Bosbach-Tochter liebt einen Sozi“…

Caroline Bosbach: Die Beziehung ist lange beendet.

Hatte das etwas mit der Politik zu tun?

Caroline Bosbach: Man darf das nicht unterschätzen, wenn zwei Weltanschauungen aufeinanderprallen. Es heißt aus gutem Grund, man soll Politik und Religion in Gesprächen ausklammern. Natürlich war das nicht der einzige Grund. Aber wenn beide ehrgeizig sind und etwas erreichen wollen, dann funktioniert das nicht, wenn man in zwei verschiedenen Parteien engagiert ist.

Zur Person: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Caroline Bosbach ist die älteste Tochter des langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach. Ihr Buch heißt „Schwarz auf Grün! Was die schweigende Mehrheit umtreibt.“

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