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#“Irgendwas wird schon dran sein” – wie soziale Narrationen und damit Realitäten entstehen – SocioKommunikativ

“Irgendwas wird schon dran sein” – wie soziale Narrationen und damit Realitäten entstehen – SocioKommunikativ

Den Satz: “Irgendwas wird schon dran sein.” habe ich in den letzten Tagen oft zu hören bekommen. Davon auszugehen ist gefährlich. Wissenschaftliche Arbeiten, die diese Tendenzen unterstützen, agieren unethisch. Warum ist ‘nicht unbedingt etwas dran’ und was unterscheidet alltägliche, subjektive Wahrnehmung von sozialwissenschaftlicher Analyse?

Cartoon von Toby Morris: On a plate - a short story of privilege

Cartoon von Toby Morris: On a plate – a short story of privilege

Unsere individuellen Wahrnehmungen sind immer subjektiv. Wir sind geformt durch unsere Herkunft, Bildung und viele andere Faktoren. Gut transportiert wird das in diesem Cartoon: On a plate – a short story of privilege. Im Laufe unseres Aufwachsens lernen wir unseren gesellschaftlichen Platz kennen, akzeptieren ihn oder auch nicht, transformieren ihn oder auch nicht. Wir sehen was wir gelernt haben zu sehen. Wir schätzen was wir als positiv erfahren haben. Wir verachten was uns geschadet hat. Das sind komplizierte und auch individuell sehr unterschiedliche Wege. Weder determiniert uns unser soziales Umfeld zur Gänze, noch können wir gänzlich individuell und individualistisch selbst entscheiden. Sozialisation ist ein komplexer Prozess. Wer daran interessiert ist, soll Bourdieu lesen.

Werden diese individuellen Eindrücke verarbeitet und verallgemeinert – z.B. in einem Interviewleitfaden oder Fragebogen – sind sie trotzdem immer noch genau das: Eine individuelle Meinung auf der Basis subjektiver Wahrnehmungen.

Sozialwissenschaften machen anderes: Wir holen Meinungen und Erzählungen ein. Wir transkribieren sie und verarbeiten sie. Wenn die Meinungen in Zahlen verarbeitbar sind, nennt sich dies quantitative Forschung. Repräsentative Ergebnisse die soziale Realitäten auf der Basis von Grundgesamtheiten abbilden. Ein Resultat dieser Forschungen sind die bekannten Prozentangaben oder Tortendiagramme zu gewissen Fragestellungen.

Geht es nicht um Zahlen, sondern darum zu verstehen, wie soziale Phänomene funktionieren, kommen qualitative Ansätze zum Einsatz. Dabei geht es um eine andere Form der Repräsentativität: Darum alle Denkweisen und Perspektiven zu einem sozialen Phänomen zu erheben. Umgangssprachlich könnte man formulieren: Es geht darum herauszufinden wie Menschen ticken und anzuschauen welche kollektiven Orientierungen es da gibt, d.h. welche gemeinschaftlich geteilten Perspektiven es bezüglich eines Themas gibt.

Wie kann dieses Wissen hergestellt und erhoben werden?

Durch die richtigen Werkzeuge: Methoden und deren Methodologie, die Theorie hinter den methodischen Werkzeugen. Die Auseinandersetzungen rund um diese Themen dienen dazu die Werkzeuge zu fundieren, zu überprüfen was diese genau leisten können und messen, das Instrumentarium zu schärfen und reflexiv mit diesen umzugehen. Methoden entwickeln sich immer weiter, der Bereich der visuellen Soziologie ist da derzeit das beste Beispiel. Aktuell laufen vielfältige Bemühungen den empirischen Umgang mit Bildmaterial zu professionalisieren.

Warum ist es wichtig, dass diese nachvollziehbar und korrekt angewendet werden?

Weil nur so zwischen einer individuellen und subjektiven Meinung und der tatsächlichen Beschreibung eines sozialen Phänomens unterschieden werden kann. Vergleichbar wäre das mit einem Chemiebaukasten, der zuhause genutzt wird, und einem professionellen Labor. In beidem können chemische Experimente gemacht werden, nur sind in ersterem die Wissenschaftlichkeit und die Bedingungen egal. Dort geht es um ein Ausprobieren und erstes Testen. In einem professionellen Labor ist nicht daran zu denken Versuchsbedingungen zu ignorieren, die Umstände zu vernachlässigen, keine Dokumentation anzufertigen usw..

Warum ist das für sozialwissenschaftliche Laien oft schwer nachzuvollziehen?

Weil unser aller Alltag wie eine Decke über den sozialen Phänomenen liegt, sonst wäre dieser Alltag viel zu anstrengend. Wir haben gelernt, auch evolutionär bedingt, viele Aspekte auszublenden, um schneller und effizienter wahrnehmen und entscheiden zu können.

Warum aber sind dann solche Studien, wie die von mir kritisierte, gefährlich?

Sie geben vor wissenschaftlich zu sein, eine Aussage treffen zu können und soziale Realitäten abzubilden. Und sie werden gehört. Die Menschen denken, dass etwas dran sein muss und schwupps steht eine ganze Bevölkerungsgruppe pauschal im (medialen) Kreuzfeuer. Das vergiftet das gesellschaftliche Klima und schürt Ängste. Und Angst, da bin ich ganz der Meinung von Angela Merkel, (so spooky so ein Satz ist ? ), ist ein schlechter Ratgeber. Angst lässt uns auf ein kleines Spektrum fokussieren, schränkt unseren Blick ein, verringert, in der Annahme, das schnell irgendwas passieren muss, unsere Handlungsmöglichkeiten und –optionen. Meist folgt dann irgendeine einfache, flotte Maßnahme, die ein Symptom behandelt und uns wieder Sicherheit gibt. Auch wenn diese Sicherheit oft vermeintlich ist.

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