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#Karlshorst: Wo der Krieg endete und sowjetische Geschichte begann

Karlshorst: Wo der Krieg endete und sowjetische Geschichte begann

Karlowkas Geheimnisse: In Karlshorst wurde nicht nur am 8. Mai 1945 das Kriegsende besiegelt, es begann dort auch eine sehr sowjetische Geschichte Berlins. Der Spaziergang spürt der Geschichte des Zweiten Weltkriegs nach, es geht zum Deutsch-Russischem Museum, dem Biesenhorster Sand und dem 1948 eröffneten Haus der Offiziere.

Hinter propper sanierten Einfamilienhäusern versteckt: das heutige Hauptzollamt Berlin. 1948 als erster Neubau der Sowjetarmee errichtet, wurde es nach dem Mauerbau zum Sitz der DDR-Grenztruppen in Berlin. Foto: Clemens Niedenthal

Geschichts-Spaziergang in Karlshost: Spurensuche an der Wuhlheide

Am besten man beginnt diesen Stadtspaziergang am Eingang zur Wuhlheide von der Treskowallee kommend, auf Höhe der Straßenbahnhaltestelle Hegemeisterweg. Dann sieht man nämlich nichts. Und hat schon einmal viel begriffen. Dort, wo jetzt die von einem Sportartikelhersteller gesponserte Outdoorfitnessbude steht, war bis 1994 die sowjetische Berlin Brigade stationiert. Eine der größten Panzerkasernen der geteilten Stadt, die „6. selbständige motorisierte Garde-Schützenbrigade“, wurde nahezu spurlos zurückgebaut.

Hier stand bis zum Abzug der Sowjettruppen 1994 eine Panzerkaserne. Letzte Gebäudeteile entlang der Treskowalle wurden erst Ende der 2000er-Jahre abgerissen. Heute wirkt das Freizeitgelände mit dem Inlineskate-Rondell und den Fitnessgeräten als logische Fortführung der Wuhlheide. Foto: Clemens Niedenthal

Wie überhaupt der Weg zurück nach Karlowka – so haben mindestens die russischen Soldat*innen ihr Karlshorst immer genannt – einer Spurensuche gleicht. Die wenigen Überreste der Kaserne, ein paar Fundamente hier und da, hat sich jedenfalls die Wuhlheide einverleibt. Weiter hinten, wo ein Miniaturenpark steht, der Berliner Sehenswürdigkeiten im Maßstab 1:25 zeigt, war einmal der Scharfschützenstand.

In die Wehrmachtskaserne in der Zwieseler Straße ist später der russische Geheimdienst KGB eingezogen. Inzwischen wird das Areal als Eigentumswohnungen vermarkten und mit Wohnneubauten aufgefüllt. Aus der geheimen Stadt ist eine Vorstadt geworden. Foto: Clemens Niedenthal

Karlshost galt als Dahlem des Ostens

Dahlem des Ostens. So wurde Karlshorst genannt, als diese Stadt noch kein Ost und kein West kannte. Kaum nach der Jahrhundertwende war hier ein properes Villenquartier angelegt worden, das Prinzenviertel. Und im Biesenhorster Sand eines der ersten Flugfelder Berlins, mit modernen Flugzeughangars und einer riesigen Zeppelinhalle. Aber die wurde gemäß des Versailler Vertrages schon ab 1919 demontiert und der Flugplatz aufgegeben.

Der Biesenhorster Sand war einer der ersten Flugplätze Berlins und später ein großer Rangierbahnhof, der vor allem von den Sowjettruppen genutzt worden ist. Manche der hier kultivierten Pflanzen stammen  von dort, ihre Samen sind als blinde Passagiere auf den Güterwaggons gereist. Heute ist das elegische Areal ein Rückzugsort für Pflanzen und Tiere – und ein versteckter Ausflugstipp. Foto: Clemens Niedenthal

Ab den 1930er-Jahren entstand hier ein großer Rangierbahnhof, über den auch der Abzug der der sowjetischen Truppen im Jahr 1994 organisiert wurde. Nun hatte die Natur den Biesenhorster Sand zurück. Der NABU fand dort etwa 382 Farn- und Blütenpflanzen und 388 verschiedene Großschmetterlinge, von denen viele in Berlin als ausgestorben galten. Die Naturschützer haben dazu einen lesenswerten Flyer aufgelegt. Rechts am Deutsch-Russischen Museum vorbei gelangt man durch die Kleingartensiedlung zum Biesenhorster Sand.

Das Kriegsende und Karlshorst gehören zusammen

1945, 1994. Das sind also die Eckdaten des sowjetischen Karlshorsts. Am 8. Mai 1945 wurde im damaligen Offizierskasino der Wehrmachtskaserne in der Zwieseler Straße 4 die Kapitulation der Wehrmacht besiegelt. Später residierte in diesem Gebäude der sowjetische Stadtkommandant, ehe das heutige Deutsch-Russische Museum bereits ab 1967 als Ausstellungsraum genutzt werden sollte. Zunächst nur für die eigenen Streitkräfte inszenierte die Sowjetarmee dort den „Sieg im Großen Vaterländischen Krieg“. 

Die verfallenen und hinter Wellblechzäunen provisorisch abgeriegelten Flugzeughallen stammen noch aus dem Ersten Weltkrieg. Die Straße, an der sie liegen, wurde gerade erst in „Am alten Flugplatz“ umbenannt. Bauland wird erschlossen. Foto: Clemens Niedenthal

Berliner*innen durften damals nicht nur nicht in dieses Museum. Sie durften auch nicht in große Teile Karlshorst. Grundstücke wurden enteignet, Gebäude östlich der Treskowallee, die damals freilich nach dem Gewerkschaftsfunktionär Hermann Duncker benannt war, lagen im Sperrgebiet. Privathäuser waren beschlagnahmt worden und hohen Militärs als Wohnhaus zur Verfügung gestellt.

Zentraler Ort dieses Stadtspaziergangs: das Deutsch-Russische Museum in der Zwieseler Straße 4. Nebenan im Pförtnerhäuschen der ehemaligen Wehrmachtskaserne liefert das Bystro handgemachte Kleinigkeiten für die Rast. Foto: Clemens Niedenthal

Die große Wehrmachtskaserne in der Zwieseler Straße, seit einigen Jahren zum familienfreundlichen Wohnquartier transformiert, wurde ab 1953 Zentrale des russischen Geheimdienstes KGB. Auch das Grenzkommando Mitte, nach dem Mauerbau zuständig für die Grenzkontrollen in Berlin, hatte sein Quartier in Karlshorst (Grafennauer Weg 18). Heute ist dort das Berliner Hauptzollamt untergebracht, die Garagen der Grenztruppen aber verwildern noch immer vor sich hin.

Picknickdecke mitnehmen und im Bisenhorster Sand ausbreiten

Der 1948 eröffnete erste Theaterneubau des Nachkriegsberlins gleich vis-á-vis des S-Bahnhofs Karlshorst wird heute als Musikschule genutzt. Foto: Clemens Niedenthal

Verwiesen sei zuletzt noch auf das bereits 1948 eröffnete Haus der Offiziere direkt am Bahnhof Karlshorst. Heute von einer Musikschule genutzt, war es der erste Theaterneubau im Nachkriegsberlin. Sowie auf das nachbarschaftliche „Bystro“ im Pförtnerhäuschen der ehemaligen Kaserne in der Zwieseler Straße, das in diesen Tagen als Takeaway geöffnet hat und handwerkliche Kleinigkeiten von der Boulette mit Kartoffelsalat bis zum Butterkuchen aus der Bio-Bäckerei für eine Pause bereit hält. Picknickdecke mitnehmen und im Bisenhorster Sand ausbreiten, fast denkt man man sitze in den Dünen.

Spaziergang ab S-Bahnhof Karlshorst durch die Rheinstraße bis zum Biesdorfer Sand (und von dort etwa zurück durch die Wuhlheide). Den Faltplan „Geheimes Karlshorst“ gibt es für drei Euro im Deutsch-Russischen Museum, Zwieseler Straße 4, Karlshorst.


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Diese Fotogalerie mit Bildern vom Kriegsende zeigt 1945 vs. 2020 – das zerstörte Berlin im Vergleich mit dem modernen Berlin. Es gab auch eine Zeit kurz vor dem Krieg: 12 Farbfotos aus Berlin in den 1940er-Jahren. Der 2. Weltkrieg wirkt an vielen Stellen in Berlin nach. An diesen wichtigen Orten wurde Geschichte geschrieben.

Regisseur Volker Heise über seinen Film „Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt“. Mehr zum Film und Kriegsende: 12 Filme, die man jetzt sehen sollte.

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