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#Interview: Margot Käßmann: „Kinder sind doch Hoffnung!“



Die bekannte evangelische Theologin und Autorin ist früh Oma geworden. Was sie mit ihren sieben Enkelkindern erlebt – und was sie Eltern und Großeltern rät.

Frau Käßmann, wann waren Sie zuletzt so richtig gefragt als „Omi“, wie Sie von Ihren sieben Enkelkindern im Alter zwischen drei und elf Jahren genannt werden?

Margot Käßmann: Oh, das ist oft der Fall. Ich war gerade drei Tage lang bei meinen Enkeltöchtern in Mainz. Das war ein großer Spaß, aber es kann auch eine Herausforderung sein. Ich bin ja nun schon 65 – und nach so einem Tag mit drei Kindern fix und fertig.

Hatten Sie mit derartigen Herausforderungen gerechnet?

Käßmann: Ich habe mir Enkelkinder gewünscht. In der Bibel steht: „Der Alten Krone sind Kindeskinder“. Und genau so empfinde ich das: Meine Enkel sind eine Krönung.

Dennoch waren Sie recht überrascht, als Sie erfuhren, dass Sie zum ersten Mal Großmutter werden, oder?

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Käßmann: Das stimmt, ich war ja erst 54. 2011 erklärte die älteste meiner vier Töchter an Heiligabend, dass sie schwanger ist. Das hat mich ungeheuer gerührt, das war ein tiefes Glücksgefühl. Innerhalb von sieben Jahren sollten schließlich insgesamt sieben Enkelkinder auf die Welt kommen. Es ist ein Segen, aber …

Aber?

Käßmann: Ich spürte und spüre zugleich die Verantwortung meiner Generation, unsere Erde den Kindern so weiterzugeben, dass sie auf ihr leben können. Dieser Gedanke kam mir, als ich meine Enkelkinder zum ersten Mal im Arm hielt. Angesichts der Klimakatastrophe und der gegenwärtigen Kriege denke ich, dass viele Großeltern diesen Gedanken haben. Ein frisch gebackener Großvater hat mir neulich geschrieben, dass er sich gar nicht richtig habe freuen können, weil wir die Zukunft seines Enkelkindes vergeigt hätten durch unseren Lebensstil.

Dachten Sie möglicherweise auch einmal: „Jetzt bin ich alt“?

Käßmann: Ich kenne Leute, die aus diesem Grund nicht Oma oder Opa genannt werden wollen. Ich selbst habe mit meinem Alter kein Problem. Das Alter zeichnet sich durch eine größere Lebenserfahrung aus und bringt eine größere Gelassenheit mit sich. Zumindest ich verspüre dadurch viel weniger Druck. Was mir meine Enkel aber durchaus klarmachen: Für mich hat nun meine letzte Lebensphase begonnen. Sie sagen mir das auch: „Omi, irgendwann stirbst du.“ Dann antworte ich: „Klar, meine Mutter ist ja auch gestorben und meine Oma.“ Und dann sagt so ein kleiner Kerl zu mir: „Ja, Omi – so ist das Leben.“

Gab es Fragen Ihrer Enkel, auf die Sie nichts zu antworten wussten?

Käßmann: Sie fragen natürlich nach dem Krieg, danach, warum Menschen so böse sein können. Und wir Erwachsene können sie vor den schlechten Nachrichten letztlich nicht abschirmen: Sie haben geflüchtete Kinder aus der Ukraine in ihren Kindergärten und Klassenzimmern, sie hören im Radio, was im Nahen Osten Schreckliches passiert. Die Frage nach dem Bösen fordert mich enorm heraus, ich versuche, es zu erklären. Aber wir sollten auch ehrlich sein und unseren Enkelkindern sagen: „Ich weiß die Antwort auch nicht.“ Oder: „Ich kann es selber nicht verstehen.“

Wie sprechen Sie mit Ihrer elfjährigen Enkelin über den Krieg?

Käßmann: Ich erzähle ihr von meiner Mutter und Großmutter, die Kriege erlebt haben, aber eben auch, dass wieder Frieden wurde. Auch für uns Erwachsene muss doch die Hoffnung bestehen, dass Frieden wieder möglich wird. Jeder Krieg geht einmal zu Ende. Wir müssten mehr dafür tun, dass Kriege erst gar nicht erklärt werden. Bald beginnt der Advent und damit eine Zeit der Hoffnung. Weihnachten!

Großes Thema in vielen Familien: Wie spricht man über Weihnachtsmann oder Christkind? Und wie sagt man Kindern irgendwann, wer wirklich die Geschenke unter den Baum gelegt hat?

Käßmann: Vom Weihnachtsmann spreche ich persönlich nicht, der kommt im Evangelium ja auch nicht vor. Insofern finde ich es wirklich absurd, wenn mir Leute sagen: „Ich kann meinem Kind den Glauben an den Weihnachtsmann doch nicht nehmen!“ Nein, ich spreche vom Christkind. Man kann Kindern gut vermitteln: Als Christen feiern wir die Geburt von Jesus Christus – und wir beschenken uns gegenseitig, weil das Christuskind, das Christkind, uns geschenkt wurde. Angelogen habe ich meine Kinder übrigens nie, wenn es um Christkind und Geschenke ging.

Margot Käßmann ist glücklich über die Zeit, die sie mit ihren sieben Enkelkindern verbringen kann – während deren Eltern „in der ,Rushhour des Lebens‘ stecken und beim Spielen bereits ans Ausräumen der Spülmaschine denken“, wie sie sagt.

Foto: Julia Baumgart Photography

Wie würden Sie reagieren, wenn eine Ihrer Töchter oder eines Ihrer Enkelkinder aus der Kirche austreten würde?

Käßmann: Mir täte das weh. Denn ich finde, dass die Kirche ein Raum ist, der Halt bietet – bei aller nachvollziehbaren Kritik. Ich denke, das konnte ich weitergeben. Aber natürlich muss ich akzeptieren, wenn Kinder oder Enkel das anders sehen.

Sind Sie eine aktive Oma?

Käßmann: In jedem Fall. Und das ist etwas, das anders geworden ist: Im Unterschied zu früheren Zeiten spielen Großeltern meiner Generation intensiv mit den Kindern. Ich jedenfalls habe vor Kurzem erst mit großer Begeisterung eine Spielzeugeisenbahn aufgebaut. In „Checker Tobi“ und „Checkerin Marina“ bin ich inzwischen eingeweiht. Dinosaurier und „Paw Patrol“ kenne ich jetzt auch. Mein Glück ist, dass ich noch fit bin und viel mit meinen Enkeln unternehmen kann. Es ist so wertvoll, gemeinsame Zeit zu haben, ganz für sie da zu sein – während ihre Eltern in der „Rushhour des Lebens“ stecken und beim Spielen bereits ans Ausräumen der Spülmaschine denken.

Sie sind ja auch Schwiegermutter.

Käßmann:… oh, da gibt es keine Probleme. Ich verstehe mich gut mit den Jungs, wie ich sie immer nenne. Aber ich habe Freundinnen und Freunde, die hadern mit ihren Schwiegerkindern. Ich rate ihnen: Kritisiert sie nicht vor euren Enkeln! Ich würde immer versuchen, die Rolle der Eltern zu stärken. Ich würde die Eltern auch nie in ihrem Erziehungsverhalten kritisieren. Eltern müssen Autorität haben und eine Autorität für ihre Kinder darstellen, das ist schwierig genug.

Fällt es Ihnen nicht unheimlich schwer, wenn Ihrer Meinung nach tatsächlich einmal etwas falsch laufen sollte?

Käßmann: Klar, das kommt vor. Aus diesem Grund finde ich es auch gut, dass wir nicht alle unter einem Dach leben. Dann würde es vielleicht irgendwann wirklich einmal krachen.

Video: epd video

Konfliktpotenzial gibt es reichlich, schon vor der Geburt. Denken Sie an die Namensnennung.

Käßmann: Eine Einmischung in die Namenswahl ist ein No-Go, das geht nicht. 

Stillen oder nicht?

Käßmann: Das müssen die Mütter entscheiden. Wenn man nach so etwas gefragt wird, würde ich antworten. Ansonsten sollten Großeltern die innere Stärke besitzen, ihren Kindern zu sagen: Macht, wie ihr denkt! Gelassenheit ist angesagt.

Als Ihre Mutter Ihren Töchtern erlaubte, im Fernsehen „vollbusige Frauen in knappen Badeanzügen und athletische Männer, die am Strand im Rettungseinsatz sind“, anzusehen – wie Sie in Ihrem neuen Buch schreiben –, ging Ihnen das aber doch auch gegen den Strich.

Käßmann: Sie durften „Baywatch“ schauen und ich fand das fürchterlich. Heute muss ich darüber lachen: Denn bei mir dürfen meine Enkelkinder oft auch mehr als zu Hause, das ist so. Aber meine Töchter können sich darauf verlassen, dass ich keinen Unfug anstelle.

Interessieren sich Ihre ältesten Enkelkinder für den Klimaschutz? Für Fridays for Future?

Käßmann: Dafür sind sie noch etwas zu jung. Aber sie interessieren sich sehr wohl für das Thema Tierwohl.

Die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ beschreiben sich als „letzte Generation, die den völligen Erdzusammenbruch vielleicht noch aufhalten kann“. Demnach bestünde für Ihre Enkel keine Hoffnung mehr, als Generation nach der „letzten Generation“.

Käßmann: Die Selbstzuschreibung, eine „letzte Generation“ zu sein, halte ich für ziemlich deprimierend. Das würde ja auch bedeuten, dass man keine Kinder mehr in die Welt setzen dürfte, wie diese Formulierung heißt. Genau das hat man schon meiner Großmutter nach dem Ersten Weltkrieg gesagt und meiner Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe es in den 1980er Jahren zu hören bekommen angesichts der atomaren Bedrohung.

Nun heißt es zudem, man müsse auf Kinder verzichten, um das Klima zu retten.

Käßmann: Das ist schlimm. Ich erinnere mich gut: Als ich mit meinem vierten Kind schwanger war, sprach mich ein Brite auf einer Konferenz in Genf darauf an. Ob das denn ökologisch verantwortbar sei, dass ich noch ein Kind bekomme? Ich fand das empörend! Kinder sind doch Hoffnung! Sie sind ein Zeichen, dass es weitergeht. Auch die Kinder nach der „Letzten Generation“ werden die Kraft haben, etwas zum Positiven zu verändern. Gerade im christlichen Glauben gibt es dafür viele Beispiele. Und das will ich noch ergänzen: Die Aktionen und Methoden der „Letzten Generation“ halte ich für destruktiv.

Kürzlich trat Annette Kurschus von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Präses der westfälischen Landeskirche zurück. Man hält ihr vor, sie habe vor Jahren schon von Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen einen ihr gut bekannten damaligen Kirchenmitarbeiter gewusst und darüber geschwiegen. Wie bewerten Sie ihren Schritt?

Käßmann: Ich bin mehrfach gebeten worden, den Rücktritt von Annette Kurschus zu kommentieren, habe das aber nirgends getan und möchte auch dabei bleiben. Dafür bitte ich freundlich um Verständnis.

Zur Person: Margot Käßmann, 1958 im hessischen Marburg an der Lahn geboren, ist eine der bekanntesten evangelischen Theologinnen Deutschlands. Sie war unter anderem Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). 2010 trat sie von beiden Ämtern zurück. Im Verlag bene! ist kürzlich von ihr „Kostbare Zeit. Das Buch für Großeltern“ erschienen (192 Seiten, 22 Euro).

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