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#Kriege im Schatten von Putins Krieg

„Kriege im Schatten von Putins Krieg“

Im Ukrainekrieg versucht Russland jetzt, mit „Referenden“ über den Anschluss der besetzten Gebiete das Eroberte zu konsolidieren und Entschlossenheit zu vermitteln. Doch wirken Ansehen und Einfluss des Landes auch im postsowjetischen Raum, den Präsident Wladimir Putin als Einflusssphäre sieht, erschüttert. Je länger der Krieg Russlands militärische und politische Kräfte bindet und verringert, desto schwächer erscheint die ohnehin durch China und die Türkei herausgeforderte Rolle des Landes als Ordnungsmacht in der Region.

Seit sich russische Truppen aus weiten Teilen des ukrainischen Gebiets Charkiw zurückgezogen haben, angeblich gar „in Panik“ flohen, sind zwei alte Konflikte zwischen früheren Sowjetrepubliken in neue Eskalationsrunden gegangen. Im Ringen Aserbaidschans mit Armenien sind in der vergangenen Woche mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen; es waren die schwersten Zusammenstöße seit dem jüngsten Aufflammen des Kriegs zwischen den beiden Staaten, in dem im Herbst 2020 auf beiden Seiten mehr als 6500 Menschen getötet wurden. Zudem wurden seit Mitte voriger Woche im Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und Kirgistan mindestens 100 Menschen getötet. Dort kommt es zwar immer wieder zu Zusammenstößen im Ringen um Land und Wasser. Doch die Bilder der Zerstörung aus der Gegend erinnern dieses Mal weniger an frühere Scharmützel, sondern an kriegsähnliche Zustände.

So verschieden die Konflikte im Südkaukasus und in Zentralasien auch sind, sie eint, dass frühere Eskalationen unter russischem Einsatz beendet wurden. So der von Moskau vermittelte Waffenstillstand aus dem November 2020 zwischen Aserbaidschan und Armenien. Letzteres ist Mitglied im von Russland dominierten Verteidigungsbündnis ODKB, in Armenien sind russische Soldaten stationiert. Im Konflikt um das Gebiet Nagornyj Karabach sicherte Moskau traditionell Einfluss, indem es sich zugleich mit Armeniens Feinden gut stellte, Baku etwa Waffen verkaufte. Schon im Krieg 2020 wirkte die alte Autorität Russlands in dem Konflikt gefährdet, als Baku mit türkischer Rückendeckung siegte; das Regime von Machthaber Ilham Alijew sieht Gewalt als Mittel, um Forderungen an Eriwan durchzusetzen. Putin mag 2020 eigene Gründe gehabt haben, den aus einer friedlichen Revolution hervorgegangenen armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan nicht stärker zu unterstützen, und konnte infolge des Waffenstillstands Friedenstruppen im Konfliktgebiet stationieren.

Unmut in Armenien über Russland

In der jüngsten Eskalation jedoch, in der es um die Republik Armenien ging, jedoch armenische Rufe nach der Schutzmacht und der ODKB nur in Mäßigungsappellen an beide Seiten sowie eine Beobachtungsmission mündeten, erweckte Putin noch weniger den Eindruck, er könne Alijew und dessen türkische Verbündete bremsen. So regt sich in Armenien Unmut über Russland. In Eriwan gab es während des Besuchs der Sprecherin des amerikanischen Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am vergangenen Sonntag eine (wiewohl eine mit einigen Hundert Teilnehmern nach armenischen Maßstäben eher kleine) Demonstration für den Austritt aus der ODKB. Pelosi, der ranghöchste Besuch aus den Vereinigten Staaten im Land seit 1991, gab den Armeniern, wonach es sie dürstet: Sie verurteilte jüngste „Angriffe“ Aserbaidschans, legte Blumen am Mahnmal für die von vielen Ländern, so den Vereinigten Staaten, als Völkermord eingestuften Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges nieder, tupfte Tränen aus dem Gesicht. Moskaus Position im Südkaukasus ist die Entwicklung nicht zuträglich, und die ODKB erscheint neuerlich als „Papiertiger“.

Dabei war Putin noch Anfang des Jahres mit der ersten Entsendung von „Friedenstruppen“ in der Geschichte des Verteidigungsbündnisses ein Coup gelungen: Anfang Januar hatte er der ODKB mit dem Einsatz während der Unruhen in Kasachstan praktische Bedeutung gegeben. Russland – das den größten Teil der Truppen stellte – erschien als „Gendarm“ im Bündnisgebiet, die ODKB als multilaterale Bemäntelung des Moskauer Führungsanspruchs. Doch sind Kirgistan und Tadschikistan beide Mitglieder des Bündnisses, formal also Verbündete, überdies beide Gründungsmitglieder der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Putin für seine „multipolare Weltordnung“ aufwerten will. Während des während der jüngsten Zusammenstöße stattfindenden Gipfels der Organisation im usbekischen Samarkand sollen die Machthaber beider Staaten, der Tadschike Emomali Rachmon und der Kirgise Sadyr Schaparow, eine Feuerpause vereinbart haben, doch die Gefechte gingen weiter. Das in Moskau ansässige ODKB-Sekretariat bot an, zwischen beiden zu „vermitteln“, was auch nichts half.

Wollte Russland „seine“ Bündnisse als Gegengewicht zum Westen etablieren, müsste sich Putin gerade jetzt dafür einsetzen, Eskalationen wie die jüngste rasch zu beenden. Doch Putin, der in Samarkand auch dabei war, telefonierte laut dem Kreml erst am vergangenen Sonntag mit Rachmon und Schaparow, rief dazu auf, „keine weitere Eskalation zuzulassen“. Die Worte kamen spät und erinnerten an die Appelle der Vereinigten Staaten, der EU und der Vereinten Nationen. Am Montagabend folgte eine neue kirgisisch-tadschikische Vereinbarung, am Dienstag wirkte die Lage ruhig; doch dürfte eine neue Eskalation nur eine Frage der Zeit sein. Während Russland riskiert, sein Bild der Stärke im Ukrainekrieg zu verlieren, machen seine zentralasiatischen Partner für ihre eigene Entwicklung längst einem Land die Aufwartung, um das Putin selbst mit durchwachsenem Erfolg buhlt: China.

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