Wissenschaft

#LIGO liefert lustig laufend lauter Laserlichtdetektionen – Alpha Cephei

LIGO liefert lustig laufend lauter Laserlichtdetektionen – Alpha Cephei

Was macht eigentlich LIGO, das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory? Gab es anlässlich der im September 2015 erfolgten Entdeckung der ersten Gravitationswellen von einer Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher noch den Nobelpreis und sorgte das erste im elektromagnetischen Medium entdeckte Pendant der Verschmelzung zweier Neutronensterne noch für großes Aufsehen, so ist es in den letzten Wochen ruhiger geworden, obwohl LIGO am 1. April den aktuellen Beobachtungslauf gestartet hat – und diesmal werden die Ergebnisse nicht per Embargo bis zur offiziellen Veröffentlichung zurückgehalten, sondern live ins Netz gestellt.

Die beiden LIGO-Standorte in Hanford (Washington, USA) und Livingston (Louisiana, USA) und ihr europäisches Partnergerät VIRGO in Santo Stefano a Macerata (nahe Pisa, Italien) entdecken Gravitationswellen mittlerweile mit einer Regelmäßigkeit, dass die Presse kaum noch darüber berichtet. Was ist passiert?

 

Gravitationswellen am Fließband

LIGO wird zwischen den einzelnen Beobachtungsläufen kontinuierlich verbessert. Die Geräte sind bereits seit 2007 im Einsatz, aber erst ihr Upgrade zum Advanced LIGO (advanced = engl. fortgeschritten) erlaubte die erste Entdeckung von Gravitationswellen 2015. Das Upgrade bestand in erster Linie aus einem Spiegel zur Rückgewinnung des im ursprünglichen Gerät nach der Überlagerung verloren gegangenen Lichts (power recycling), mit dem sich das Gerät nebenbei auch auf bestimmte Frequenzen abstimmen lässt. Weiterhin wurden der 10W-Laser durch einen 200-W-Laser ersetzt, die Masse der Spiegel an den langen Enden der Interferometerarme fast vervierfacht, was sie unempfindlicher gegen seismische Vibrationen macht, sowie die zu ihrer Aufhängung verwendeten Metalldrähte durch elastischere aus Fiberglas ersetzt, was die Spiegel besser isoliert.

Nach dem ersten 4-monatigen Beobachtungslauf von A-LIGO, der insgesamt drei Ereignisse aufspürte (eines davon wurde erst nachträglich 2019 als astrophysikalisch eingestuft), wurden weitere Verbesserungen implementiert und zum Schluss das VIRGO-Gerät mit in die Beobachtungen einbezogen, was dann in Lauf Nr. 2 vom 30. November 2016 bis 25. August 2017 die Beobachtung der Neutronensternverschmelzung am 17. August 2017 sowie von 7 weiteren Verschmelzungen Schwarzer Löcher ermöglichte.

Auch in der Beobachtungspause zwischen dem zweiten und dem aktuellen dritten A-LIGO-Lauf, vom 25. August 2018 bis zum 31. März 2019, wurden wieder Verbesserungen durchgeführt: die Laserleistung wurde verdoppelt und 5 von 8 Spiegeln durch solche höherer Qualität ersetzt, was die Reichweite noch einmal um 40% steigerte. 40% mehr Reichweite bedeuten aber fast 3mal soviel überwachtes Volumen und entsprechend mehr potenziell detektierbare Ereignisse. Lieferte Lauf 2 noch rund ein Ereignis pro Monat, so sind es im aktuellen Lauf schon 13 in 7 Wochen, die 2 mit dem kürzesten Abstand binnen 5 Stunden, wobei alle vorläufig erst Kandidatenstatus haben und deswegen noch als “Superevents” mit Katalognummern beginnend mit S (statt GW – Gravitational Wave) geführt werden (Events sind einfache Trigger einzelner Detektions-Verarbeitungspipelines, von denen mehrere zusammenfallen müssen, um ein Superevent zu ergeben). 3 von ursprünglich 16 Supervents wurden nach näherer Analyse als terrestrische Störungen eingestuft.

 

Stecknadel im Galaxienhaufen

Superevents werden sofort als Rundschreiben (Zirkular) im Gamma-ray Burst Coordinates Network (GCN-circular) veröffentlicht, um schnellstmöglich mit der Suche nach elektromagnetischen Gegenstücken beginnen zu können. Solche sind allerdings nur zu erwarten, wenn mindestens eines der Objekte ein Neutronenstern ist, den es vor der Verschmelzung zerreisst und der dann eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch oder den größeren Neutronensternpartner bildet, die hell aufleuchtet, wenn sie ihre Bewegungsenergie in Form von Radio-, Wärme-, Licht-, Röntgen- und Gammastrahlung loswird. LIGO und VIRGO können zusammen anhand der Zeitunterschiede, die zwischen den Detektionen der Geräte liegen, die ungefähre Richtung triangulieren, aber die Position ist meist um mehrere hundert bis tausend Quadratgrad ungenau bestimmt (ein Quadratgrad ist ungefähr so groß wie ein vier Monde einrahmendes Rechteck; die gesamte Himmelskugel umfasst 41253 Quadratgrad). Das Blickfeld von Teleskopen ist typischerweise kleiner als ein Quadratgrad, und dennoch findet man in den von LIGO und VIRGO erfassten Entfernungen darin tausende Galaxien, zu denen sich vielleicht ein zusätzliches Lichtpünktchen gesellt, das vorher nicht da war. Wenn ein Neutronenstern im Spiel ist. Insofern ist das Aufspüren elektromagnetischer Gegenstücke dieser Ereignisse kein Pappenstiel.

Wie sieht nun also die Ausbeute nach knapp 2 Monaten LIGO-Run 3 aus? Die LIGO-Auswertungssoftware berechnet Wahrscheinlichkeiten dafür, in welche Kategorie ein Superevent fällt:

  • Terrestrisch, also eine Erschütterung irdischen Ursprungs.
  • BBH = Binary Black Hole, das ist die Verschmelzung eines Doppelsystems schwarzer Löcher, die am häufigsten detektierte Quelle von Gravitationswellen, weil diese so stark sind, dass sie aus einem viel größeren Volumen aufgefangen werden können als andere Quellen.
  • NSBH = Neutron Star – Black Hole, ein Paar aus einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern, der vor dem Verschlucktwerden noch elektromagnetische Strahlung aussenden kann.
  • MassGap (Massenlücke): die Theorie der Schwarzen Löcher besagt, dass ein Neutronenstern von mehr als 3 Sonnenmassen zu einem Schwarzen Loch kollabieren muss, aber man hat bisher noch nie ein Schwarzes Loch von weniger als 5 Sonnenmassen gefunden (z.B. als Partner in einem Doppelsternsystem). Das könnte Zufall sein oder einen tieferen Grund haben. Um dies herauszufinden, hat man diese Klassifizierung eingeführt, die gezielt nach Schwarzen Löchern in der Massenlücke Ausschau hält.
  • Und schließlich BNS = Binary Neutron Star, die Verschmelzung zweier Neutronensterne, die als Kilonova aufleuchten sollte (vor allem als Gammastrahlenschauer),  in der Hoffnung, die Quelle ausfindig machen zu können.

Jedes Superevent erhält initial Wahrscheinlichkeiten in all diesen Kategorien von den Auswertungspipelines zugewiesen. Zusätzlich wird als Maß für die Konfidenz der Ereignisse die Rate von Fehlalarmen angegeben, d.h. innerhalb welchen Zeitraums man mit einer zufälligen Störung der gleichen Größenordnung rechnen kann. Eine solche Störung (bzw. mehrere unabhängige) muss übrigens fast gleichzeitig mindestens 2 der LIGO-VIRGO-Detektoren betreffen, um mit einem echten Ereignis verwechselt werden zu können, denn ein echtes Signal wird immer von mindestens zwei Detektoren beobachtet; wenn es schlecht läuft, könnte ein zufällig im 45°-Winkel einfallendes echtes Signal beim dritten Detektor unsichtbar bleiben, da es beide rechtwinklig zueinander stehenden Interferometerarme in genau gleicher Weise strecken und stauchen würde, was dann nicht zu dem für eine Detektion notwendigen Längenunterschied in den Armen führen würde – ein echtes Signal braucht also nicht alle drei Detektoren zu triggern.

 

Super Events!

Das folgende Bild zeigt 10 Superevents und eine Fehldetektion gleich zu Beginn des 3. Beobachtungslaufs bis zum 17. Mai 2019. Die meisten Ereignisse sind binäre Schwarze Löcher (überwiegend rote Kreise).

Das Ereignis S190412m hat eine extrem hohe Konfidenz mit einer Fehlalarmrate von 1 in 20 Trillionen (!) Jahren. Das Event, das sich in einer Entfernung von 2,7 Milliarden Lichtjahren zutrug, enthält laut GCN-Zirkular mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Komponente von rund 3 Sonnenmassen, es könnte sich also um einen Fall innerhalb der Massenlücke oder einen Neutronenstern handeln, allerdings gibt es keine Spuren eines Rests, der verzögert verschluckt wurde. Deswegen geht man von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher aus.

LIGO/VIRGO-Superevents des dritten Beobachtungslaufs bis zum 17. Mai 2019 (seitdem folgten 3 weitere, 2 davon am 21. Mai). Die Größe der verschiedenfarbigenden Segmente der als Tortendiagramme dargestellten Superevents geben die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Kategorien an (siehe Artikeltext). Die Größe der Kreise gibt ihre Konfidenz an (Fehlalarmhäufigkeit von einem Jahr bis zu 1 Billion Jahren, siehe Skala rechts). Auf der x-Achse das Datum und auf der y-Achse die Leuchtkraftentfernung in Megaparsec. 3000 Mpc entsprechen fast 10 Milliarden Lichtjahren. Bild: Wikimedia Commons, Spto, CC BY-SA 4.0.

Das Ereignis S190425z geht mit mehr als 99% Wahrscheinlichkeit auf die Verschmelzung zweier Neutronensterne in 500±133 Millionen Lichtjahren Entfernung zurück. Leider war das Signal beim nicht so empfindlichen VIRGO-Detektor so verrauscht, dass die Quelle nur sehr schlecht lokalisiert werden konnte. Im riesigen Suchbereich von 7461 Quadratgrad befinden sich rund 45.000 Galaxien. Ein Gammasignal konnte leider auch nicht geortet werden, der einen Burst auslösende Jet ging offenbar nicht annähernd in unsere Richtung los und die Entfernung war zu groß (die 2017 geortete Neutronensternverschmelzung war nur 130 Millionen LJ entfernt). Bisher blieb die Suche nach einem elektromagnetischen Gegenstück leider erfolglos.

Nur einen Tag später wurde der nächste Kandidat S190426c entdeckt, der in einer Entfernung von 1200±300 Millionen LJ mindestens eine Komponente enthält, die kein Schwarzes Loch ist. Zwar ist die initiale LIGO-Wahrscheinlichkeit mit 49% am größten für die Verschmelzung zweier Neutronensterne, aber laut GCN-Zirkular ist das kleinere Objekt mit großer Konfidenz kleiner als 3 Sonnenmassen und die Wahrscheinlichkeit für den verzögerten Einfall von Restmaterial größer als 99%. Daher machte das Event einige Schlagzeilen in der Presse als mutmaßlich erste Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit einem Neutronenstern. Leider konnte auch hier kein optisches Gegenstück gefunden werden.

Am 17. Mai ging mit einer Entfernung von 9,6 Milliarden Lichtjahren das bis dahin fernste entdeckte Event S190517h ins Netz, nur um in jeweils 2 Tagen Abstand am 19. Mai von S190519bj  (10,3 Milliarden LJ) und am 21. Mai von S190521g (12,8 Milliarden LJ) übertroffen zu werden. Da es sich allerdings um Leuchtkraftentfernungen handelt, die aus dem 1/r²-Gesetz der “Helligkeits”-Abnahme errechnet sind, das die kosmische Expansion und Rotverschiebung z ignoriert, muss man die Zahl durch 1+z dividieren, um auf die Eigendistanz zu kommen, und z beträgt laut Ned Wright’s Cosmology Calculator für diese Entfernung ca. 0,65. Wir reden also von einer Eigendistanz von 7,75 Milliarden Lichtjahren und das Event fand vor 6,1 Milliarden Jahren statt. Trotzdem eine beachtliche Entfernung. LIGO horcht einen großen Teil des beobachtbaren Universums ab. Und mit weiteren Upgrades wird dieses Volumen in zukünftigen Läufen noch größer werden.

LIGO liefert also lustig laufend lauter Laserlichtdetektionen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Neutronenstern- oder NSBH-Verschmelzung entdeckt wird, für die dann auch eine leuchtende Quelle gefunden werden kann. Vielleicht ist sie schon gefunden, wenn Ihr diesen Artikel lest.

 

Referenzen

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!