Wissenschaft

#Dienten frühe Federn zum Beute-Aufscheuchen?

Was stand am Anfang der Evolution zu den komplexen Federn, die Vögel später in die Luft beförderten? Zu dieser Frage präsentiert ein Forschungsteam nun eine neue Hypothese: Kleine Dinosaurier könnten ihre Federn an den Vorderarmen und dem Schwanz zunächst eingesetzt haben, um Insekten aus ihren Verstecken aufzuscheuchen. Auch heute nutzen noch einige Vogelarten diese Strategie, zeigen die Wissenschaftler auf. Ihre Hypothese untermauern sie zudem durch Versuche mit einem Dino-Roboter, der durch simulierte Federstrukturen besonders erfolgreich Heuschrecken aufscheuchen konnte.

Sie sind groß und belastbar und dennoch leicht und flexibel: Die komplexen Federn der Vogelflügel gehören zu den bedeutendsten „Erfindungen“ in der Evolutionsgeschichte. Mittlerweile ist klar, dass die Entwicklungsgeschichte der Federn schon bei den Dinosauriern begann. Man geht davon aus, dass sich im Jurazeitalter bei Vertretern der Gruppe der Pennaraptora aus daunenartigen Gebilden komplexere Formen entwickelten, die den Schwungfedern der heutigen Vögel entsprechen. Doch wozu dienten die komplexen Federn am Anfang dieser Evolution? Die frühesten bekannten Federformen wurden bei Fossilien von kleinen zweibeinigen Dinosauriern identifiziert, die sie an ihren Armen und am Schwanz trugen. Aus dem Körperbau dieser Tiere geht aber hervor, dass sie sich noch nicht in die Luft erheben konnten.

Wozu dienten die Federn vor dem Fliegen?

Es wurden bereits verschieden Möglichkeiten in Betracht gezogen, welchem Zweck die frühen Komplex-Federn gedient haben könnten. Unter anderem wurde vermutet, dass sie den kleinen Dinosauriern beim Rennen flinkere Manöver ermöglichten. Sie könnten aber auch zunächst ein Showelement beim Balzverhalten dargestellt haben. Außerdem wurde bereits vorgeschlagen, dass die langen und breiten Federn an den Protoflügeln wie eine Art Netz eingesetzt wurden, um Beutetiere an der Flucht zu hindern. Doch offenbar bieten die bisherigen Hypothesen Platz für eine weitere. Das Forschungsteam um Jinseok Park von der südkoreanischen Seoul National University präsentiert nun die sogenannte „Aufscheuch-Verfolgungs-Hypothese“.

Sie besagt, dass kleine Dinosaurier mit ihren Protoflügeln bei der Jagd eine ähnliche Strategie anwendeten, wie einige insektenfressende Vogelarten sie auch heute noch nutzen: Wenn sie auf dem Boden laufend nach Grashüpfern und Co. suchen, klappen sie immer wieder ihre Flügel oder zusätzlich auch ihre Schwanzfedern ruckartig auf. Dadurch verursachen sie bei Beutetieren einen intensiven Fluchtreflex, der sie aus ihren Verstecken treibt. Ein Entkommen ermöglicht ihnen diese Schreckreaktion aber meist nicht: Den Vögeln gelingt es häufig, die aufgescheuchten Insekten zu schnappen. Dieses Verhalten kann die Effizienz bei der Futtersuche stark steigern, geht aus Beobachtungen einiger der Studien-Autoren hervor. Interessant ist auch, dass Vogelarten aus verschiedenen Gruppen diesen „Trick“ entwickelt haben. Möglicherweise war das somit auch schon vor Jahrmillionen der Fall und wurde dann zur Grundlage der weiteren Entwicklung komplexer Federn, so der Erklärungsansatz.

Ein Dino-Roboter scheucht Heuschrecken auf

Um die Hypothese weiter zu untermauern, entschloss sich das Team um Park für einen experimentellen Ansatz: Sie bauten den Roboter „Robopteryx“, der dem Pennaraptora-Dinosaurier Caudipteryx nachempfunden ist. Es handelte sich dabei um einen etwa Truthahn-großen Räuber, der Federn an den Armen sowie dem Schwanz besaß und vor etwa 124 Millionen Jahren lebte. Die Forschenden gaben Robopteryx die Form, Größe und die geschätzte Beweglichkeit des Vorbildes. Er wurde dann so programmiert, dass er das Aufscheuch-Verhalten imitieren konnte, wobei die vollständige Sequenz aus dem Ausbreiten der Proto-Flügel und dem Anheben des Schwanzes bestand. Dabei konnten die Forschenden auch die simulierte Federfläche variieren. Als Versuchs-Beutetier wählten sie eine Heuschreckenart, die bekanntermaßen schon Vorfahren in der Ära der Caudipteryx-Dinosaurier besaß.

Wie das Team berichtet, ergaben ihre „Scheuch-Versuche“: Wenn simulierte Federstrukturen an den Armen angebracht waren, war das Aufscheuchen fast doppelt so häufig erfolgreich wie ohne die Strukturen. Besonders ausgeprägt war der Effekt zudem, wenn zusätzlich die simulierten Schwanzfedern präsentiert wurden. Außerdem flohen die Heuschrecken noch deutlich häufiger, wenn die Proto-Flügel Muster aufwiesen, als wenn sie schlicht schwarz waren. Dabei handelt es sich um ein Merkmal, das einige Vogelarten aufweisen, die das Scheuch-Konzept nutzen. Außerdem wurden auch bei frühen Fossilien von Pennaraptora-Dinosaurier Hinweise auf Farbkontraste im Gefieder gefunden, erklären die Wissenschaftler.

Sie sehen in ihren experimentellen Ergebnissen somit eine Bestätigung dafür, dass ihre Hypothese eine plausible Erklärungsmöglichkeit für den ursprünglichen Zweck von komplexen Federn darstellt. Abschließend betonen die Autoren allerdings, dass sie andere Erklärungsmöglichkeiten nicht ausschließen wollen. Denn möglicherweise ergaben sich schon früh verschiedene Vorteile für größere und steifere Federstrukturen. „Mehrere Faktoren können zur Entstehung der Proto-Flügel beigetragen haben“, so die Wissenschaftler.

Quelle: Seoul National University, Fachartikel: Scientific Reports, doi:
10.1038/s41598-023-50225-x

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