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#„Putin war bestens informiert“

„„Putin war bestens informiert““

Herr Bergmann, als Vorstandsvorsitzender der Ruhrgas AG waren Sie lange Zeit der einflussreichste Manager der deutschen Gaswirtschaft. Wenn Sie auf die gegenwärtige Erdgasdebatte im Land blicken, gibt es da blinde Flecken?

Reinhard Bingener

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

Die Entstehungsgeschichte ist bisher wenig beleuchtet worden. Das Problem begann Anfang der Neunzigerjahre mit dem Einkauf großer Gasmengen aus Russland durch ein Joint Venture von BASF und Gazprom und durch die Integration von Ostdeutschland. Während Ruhrgas strikt die Geschäftspolitik der Diversifikation verfolgte mit einem Anteil der größten Lieferquelle von nicht mehr als etwa 30 Prozent, erhöhte sich der Anteil des russischen Gases für Deutschland insgesamt dann ganz erheblich. Ruhrgas war weiterhin in der Lage, den Ausfall der größten Quelle zu beherrschen. Dies galt aber nicht mehr für Deutschland insgesamt.

Welche Rolle spielte die Liberalisierung?

Die Problematik der Versorgungssicherheit wurde durch die Liberalisierung verstärkt. Die auf EU-Ebene entwickelte Liberalisierung des Gasmarktes hatte das Ziel, einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Dies war im Grunde genommen richtig, um den Wettbewerb bei der Versorgung mit Gas zu intensivieren. Es fehlten dann aber politische Rahmenbedingungen zur Gewährung der Versorgungssicherheit im Falle des damals noch hypothetischen Ausfalls der größten Importquelle über einen längeren Zeitraum. Dies wäre notwendig gewesen, denn man hatte es mit sehr mächtigen, meist staatlich kontrollierten Produzenten außerhalb der EU zu tun.

Geht die hohe Abhängigkeit von russischem Gas auch auf die Wiedervereinigung zurück?

Anfang der Neunzigerjahre war Ostdeutschland überwiegend von russischem Gas abhängig. Moskau wollte seine dominante Stellung im ostdeutschen Markt nach der Wiedervereinigung weiterhin behalten. Dazu war die damalige Bundesregierung aber nicht bereit. Stattdessen erhielt die Ruhrgas AG eine starke Stellung und half der ostdeutschen VNG, neue Quellen zu erschließen. Ich persönlich habe damals zum Beispiel dem VNG-Chef das Entree für einen eigenständigen Bezug von Gas aus Norwegen bereitet. Die russische Gazprom hat dann praktisch als Ersatz mit BASF ein Joint Venture gebildet, das aggressiv russisches Gas in Ost- und Westdeutschland vermarktete.

Waren die Ruhrgas AG und Sie persönlich eigentlich so russlandorientiert, wie dies oft in der Öffentlichkeit den Anschein hatte?

Nein, denn für uns galt der Grundsatz, dass die größte Lieferquelle eben diese 30 Prozent nicht überschreiten sollte, auch nicht 2008, als ich in den Ruhestand gegangen bin. In meiner Zeit habe ich sogar mehr Gas aus Norwegen dazu gekauft als aus Russland, um den Anteil des norwegischen Gases auch auf 30 Prozent zu erhöhen. Der Eindruck in der Öffentlichkeit ist insbesondere dadurch entstanden, dass die Beziehungen zu Russland immer als etwas exotisch und geheimnisumwittert galten und oft politische Begleitung hatten.

Würden Sie auch heute die 30 Prozent als Maximum für den Lieferanteil aus der größten Quelle ansehen?

Das kann ich nicht so salopp beantworten. Wir haben heute veränderte Rahmenbedingungen. Der europäische Binnenmarkt für Gas existiert, das Leitungsnetz in Europa ist ausgebaut, und wir verfügen über zusätzliche Flexibilität durch die Anbindung an den internationalen Flüssigerdgasmarkt. Aber wir verfügen nicht mehr über die große Lieferflexibilität aus den Niederlanden, die uns früher geholfen hätte, Lieferstörungen aus anderen Quellen zu kompensieren. Der Ausgangspunkt für die Bewertung der deutschen Situation sind die Gesamtlage auf dem Gasmarkt der EU und mögliche politische Vorgaben bezüglich der Produzentenländer.

Wie bewerten Sie im Rückblick den Verkauf des Gasspeichers in Rehden im Jahr 2015?

Ich habe nicht verstanden, warum Gazprom als größter Erdgaslieferant den größten deutschen Erdgasspeicher kaufen durfte. Die Bundesregierung hätte das aus meiner Sicht nicht genehmigen sollen. Es passt nicht zusammen, dass wir in Russland weniger Chancen haben, eine kleine Minderheitsbeteiligung an einem vergleichsweise kleinen Erdgasfeld zu erwerben, der dominante Lieferant aber umgekehrt die Möglichkeit haben soll, wesentliche deutsche Gasinfrastruktur mehrheitlich zu erwerben.

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