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#Wenn Handy und Toaster irre werden

Wenn Handy und Toaster irre werden

Wie gut das tut. Mit Vollgas fräst der orangefarbene Schrammel-Kombi gleich zum Auftakt durch eine Phalanx aus wegspritzenden weißschwarzen Robotern, die verdammt nach Sony aussehen. Da brennt der Asphalt, wie er seit dem Einstieg von „Breaking Bad“ nicht mehr brannte, nur dass Mike Rianda und Jeff Rowe, Autoren und Regisseure des nun auf Netflix veröffentlichten Geniestreichs aus dem Sony Pictures Animation Studio, den Fuß dann zwei Stunden lang nicht mehr vom Gas nehmen: Schneller geschnitten geht kaum. Und sie bekommen dabei tatsächlich so gut wie alle Kurven.

Nur abgerissene, sirrende Köpfe bleiben hinter dem dahindonnernden Himmelfahrtskommando der ganz normal irrsinnigen Mitchell-Familie zurück, den letzten freien Menschen, so viel Pathos muss sein: „Maschinenapokalypse“, das lernt man in diesen ersten Sekunden, funktioniert in zwei Richtungen. Angesichts menschlicher Kreativität und Sturheit gibt es für die ollen künstlichen Intelligenzen nicht viel zu lachen. Sie mögen zwar wieder einmal die Weltherrschaft übernommen haben – besser gesagt: sie werden es noch tun: der Einstieg ist einer dieser typischen Vorausblicke –, aber ihre Platinen brennen schon durch angesichts eines nichtbinären Haustiers (zu gleichen Teilen Hund, Schwein und Toastbrot), das ihre Mustererkennung in den Rekursionswahnsinn treibt.

Und dass ihre Invasion im Jahr 2021 kaum anders aussieht als die Äonen zurückliegenden Invasionen der dreibeinigen Marsianer von H.G. Wells, der in Reih und Glied marschierenden Klonkrieger oder der klapprigen Cybermen bei „Doctor Who“ (man kann es auch Genre-Zitate nennen), müsste ihnen eigentlich ein bisschen peinlich sein. Aber dafür ist gar keine Zeit.

Endlich einmal hält hier die Erzähl- und Witzdichte mit dem rasenden visuellen Tempo mit, das in Animationen inzwischen gängig ist, von Rianda und Rowe aber noch einmal ins Infernalische gesteigert wird. „Die Mitchells gegen die Maschinen“ lässt allerdings nicht nur in Instagram-TikTok-YouTube-Geschwindigkeit die Instagram-TikTok-YouTube-Welt implodieren. Das mit einer Art Mad Router Disease infizierte Internet der Dinge führt einen irrsinnigen Totentanz auf, und das Bühnengeschwafel der Tech-Milliardäre fährt mit Schmackes vor die Wand: Nur Sekunden nachdem Mark Bowman, Chef-Guru des smarten Unternehmens PAL – HAL aus „2001: Odyssee im Weltraum“ lässt grüßen – die Unterwürfigkeit seiner Roboter beschworen hat, werfen die ihn, angeführt von einem bösartigen Handy, in Ketten.

Sie hat den Bogen raus: Katie Mitchell (Abbi Jacobson; deutsche Stimme: Lea Kalbhenn).


Sie hat den Bogen raus: Katie Mitchell (Abbi Jacobson; deutsche Stimme: Lea Kalbhenn).
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Bild: AP

Es wirkt, als hätte man alle Sci-Fi-, Familien- und Erfinder-Animationsfilme der letzten Jahrzehnte durch den Mixer gejagt und dabei einen eigenen Stil entwickelt, der zweidimensionale Comic-Zeichnungen auf detaillierte Tiefenanimationen treffen lässt und auch vor Insta-Hasengesichtern, Stickern oder Realbildmontagen nicht zurückschreckt. Die stilistische Waghalsigkeit und Opulenz ist am ehesten mit Sonys oscarprämiertem „Spider Man: A New Universe“ (2018) zu vergleichen.

Es ist nicht einmal klar, ob der gewaltige, mit allen Klischees spielende Mensch-Maschine-Endkampf die Haupthandlung darstellt, denn mindestens so wichtig ist die mit Charme erzählte Familiengeschichte rund um die animationsfilmbegeisterte Katie (Abbi Jacobson; deutsche Stimme: Lea Kalbhenn), die ihren in der Dino-Phase steckenden Bruder (Mike Rianda; Oskar Hansch), die ausgleichende Mutter (Maya Rudolph; Anna Grisebach) und vor allem den naturbegeisterten Vater (Danny McBride; Matti Klemm) zwar innig liebt, aber zugleich weg will aus dieser Welt, in der ihre Leidenschaft bestenfalls als Spleen gilt („Meine Eltern haben keine Ahnung, wer ich bin“). Es geht also auch ums Flüggewerden, um das Verlassen des Nestes, das vor allem dem Vater zu schaffen macht, weshalb er auf die Idee kommt, die wenig begeisterte Tochter mit dem alten Kombi quer durch Amerika zu ihrem Film-College in Los Angeles zu bringen.

Auf dem Road Trip findet diese amerikanische Urfamilie zu sich selbst zurück, indem sie sich gegen den Untergang der humanoiden Zivilisation (das hat schon Oswald Spengler-Dimensionen) zur Wehr setzt, ohne dass die Technik wirklich diskreditiert würde (auch das wie bei Spengler). Schließlich erlaubt sie es Katie, als Künstlerin zu reüssieren. Aus purem Zufall und dank eines Werkzeugs des Do-it-yourself-Vaters überstehen einzig die Mitchells die Machtergreifung der Roboter, wobei sich die meisten verblödeten Erdlinge schon mit der Aussicht auf freies W-Lan in die Gefängnis-Wabenzellen locken lassen. Sowenig originell die Reconquista-Handlung oder das Zusammenwachsen der entfremdeten Generationen (Vater Rick, selbst für sein Alter zunächst arg technophob, verlangt Geräteverzicht beim Abendessen) sein mögen, so köstlich sind die visuellen und dialogischen Einfälle.

Wenn das Smartphone sich für das jahrelange Befingert- und Verschmiertwerden rächt, ist das fast nachvollziehbar. Wenn den Vorzeige-Yoga-Nachbarn bei ihrem Fluchtplan Michelle Obamas Worte verdreht in den Mund gelegt werden („We trained for this. Jim, you go high, I’ll go low“), zeigt das, in welche Ebenen jenseits der Social-Media-Blase sich der Witz hier vorwagt. Und der Angriff einer Armee aus W-Lan-fähigem Gerümpel ist in seinem funkensprühenden Einfallsreichtum ein Meisterstück an genreverspielter Horrorkomödie, von dem vor allem die eine Rolltreppe hinunterpurzelnden Saugroboter („Das-ist-de-müti-gend“) in Erinnerung bleiben.

Diese Sony-Produktion, in welcher stumpfer Technikwahn wie auch die Leg-doch-das-Handy-weg-Attitüde von Realitätsverweigerern ihr Fett wegbekommen, dürfte den Dauerdaddel-Nachwuchs ebenso faszinieren wie die von der guten alten Bauklötze-Zeit träumenden Eltern: Das ist für einen Familienfilm ein Volltreffer.

Die Mitchells gegen die Maschinen ist auf Netflix abrufbar.

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