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#Rosa von Praunheim über „Arschlöcher für Deutschland“, Hitlers Sexleben und sein neues Stück

Rosa von Praunheim über „Arschlöcher für Deutschland“, Hitlers Sexleben und sein neues Stück

Rosa von Praunheim ist Regisseur und Aktivist der Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. „Es macht mir Angst, wie schnell sich Menschen wieder den starken Männern zuwenden“, erzählt er im Interview mit tipBerlin. Er spricht über rechten Rededurchfall, Sexleben im politischen Geschäft und sein neues Stück am Deutschen Theater: „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“.

Božidar Kocevski (l.) und Heiner Bomhard in Rosa von Praunheims neuem Stück "Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs". Foto: Arno Declair
Božidar Kocevski (l.) und Heiner Bomhard in Rosa von Praunheims neuem Stück „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“. Foto: Arno Declair

tipBerlin Herr von Praunheim, wie schön, dass Sie wieder am Deutschen Theater inszenieren. Wie geht es Ihnen, wie haben Sie die letzten Corona-Monate überstanden?

Rosa von Praunheim Erstaunlich ruhig und überhaupt nicht hysterisch. Ich war zuerst gelähmt und faul, jetzt bin ich wieder sehr produktiv und schreibe an meinem Roman „Hasenpupsiloch“.

von Praunheim: „Mit dem Outing von 1991 wurde ich zur Hassfigur einer ganzen Nation“

tipBerlin Sie haben vor knapp 30 Jahren bei einer anderen gefährlichen Infektionskrankheit sehr mutig und entschieden für die Würde und die Solidarität mit den Erkrankten gekämpft. Was ist der Unterschied im gesellschaftlichen Umgang mit der brutalen ersten HIV-Welle Mitte der 1980er und der Covid-19-Pandemie heute?

von Praunheim Aids war lange eine tödliche Krankheit, fast alle starben, das ist der Unterschied zu heute. Damals betraf es hauptsächlich Schwule und Junkies und Bluter, und es war tragisch, dass gerade viele prominente Schwule diese Gefahr herunterspielten. Mit dem Outing von 1991 (Praunheim machte ohne deren Einverständnis die Homosexualität der damals prominenten TV-Entertainer Harpe Kerkeling und Alfred Biolek öffentlich bekannt, Anm. d. Red.), mit dem ich auf die Gefahr von Aids aufmerksam machen wollte, beziehungsweise Solidarität erzwingen wollte, wurde ich zur Hassfigur einer ganzen Nation.

Ich bin stolz darauf, mit meinen Filmen und Aufrufen möglicherweise viele Leben gerettet zu haben. Jetzt bin ich bei Corona altersmäßig in der Risikogruppe und bin vorsichtig. Die Corona-Leugner erinnern mich ein bisschen an meine damaligen Feinde in der Aids-Krise. Ich denke nur an ein Sonderheft der Zeitschrift „Konkret“ Mitte der 80er, wo man sich über Safer Sex lustig machte.

Arschlöcher im neuen Praunheim-Stück: „Ich liebe Analverkehr, aber nicht die AfD“

tipBerlin Und nun zu einer anderen Seuche: Sie übersetzen in Ihrem neuen Stück „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“, das Sie jetzt am DT inszenieren, AfD mit „Arschlöcher für Deutschland“. Tun Sie damit einer empfindlichen, nützlichen und erfreulichen menschlichen Körperöffnung nicht großes Unrecht?

von Praunheim Da haben sie Recht, ich liebe Analverkehr, aber nicht die AfD.

Rosa von Praunheim Anfang 2020 als Redner und Ehrengast bei der Eröffnung des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Foto: Imago Images/Becker&Bredel
Rosa von Praunheim Anfang 2020 als Redner und Ehrengast bei der Eröffnung des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Foto: Imago Images/Becker&Bredel

tipBerlin Ihr neues Stück ist eine schrille Farce: ein schwuler Hitler, jede Menge interessante Sexualpraktiken, gerne mit Fäkalien, Parallelen zwischen Trump und Hitler, ein AfD-Spitzenkandidat mit dem schönen Namen Ernst Vogelschiss, der verspricht, „als erste Amtshandlung, wenn ich an die Regierung komme, ein großes Adolf Hitler-Museum einzurichten“. Mit anderen Worten: Shit happens. Muss man Witze über das machen, was einem Angst macht?

von Praunheim Es sind nicht nur Witze, sondern schwarzer Humor, wie ich ihn in meinem Film „Hitler und Jesus – eine Liebesgeschichte“ schon verarbeitet habe.

tipBerlin Sie lassen Ihren Hitler sagen: „Meine Fürze kamen aus dem Mund. Man nennt das Rededurchfall. ‚Wollt ihr den totalen Krieg‘ war so ein Furz und der wurde unendlich bejubelt…“ Ist Ihr Stück eine Art Exorzismus, um die Anfälligkeit für autoritäre Führerfiguren zu bearbeiten?

von Praunheim Das ist meine Art, meine Angst vor dem Rechtsruck in der Welt zu verarbeiten. In meinem neuen Roman schicke ich vier ältere Damen zu den Diktatoren dieser Welt, um sie zu unschädlich zu machen.

„Das Sexleben von Politikern und Künstlern ist immer wichtig“

tipBerlin Wir erfahren in Ihrem Stück, dass Hitler nur einen Hoden und einen kleinen Penis hatte. Was bitte ist so interessant an den Weichteilen des Führers?

von Praunheim Das Sexleben von Politikern und Künstlern ist immer wichtig. Wenn sie heterosexuell sind, wird das breitgetreten, wenn sie schwul sind oder bi, wird das von den Geschichtsschreibern verdrängt oder geleugnet. Das Privatleben beeinflusst Politik und Kunst. Bei Friedrich dem Großen gibt es immer noch Historiker, die behaupten, er hätte mit 16 Syphilis bekommen und wäre unfähig Sex zu haben. Das Gegenteil ist der Fall, sehr schön beschrieben in den Büchern über Friedrich von Wolfgang Burgdorf und dem renommierten Tim Blanning.

Rosa von Praunheim, 2002 bei einer privaten Party. Foto: Privat
Rosa von Praunheim, 2002 bei einer privaten Party. Foto: Privat

tipBerlin Vermutungen über Hitlers gelebte oder nicht ausgelebte Homosexualität sind nicht neu, zuletzt hat sie Lothar Machtan in seinem ziemlich spekulativen Buch „Hitlers Geheimnis. Das Doppelleben eines Diktators“ ausgebreitet. Was ist so faszinierend an Spekulationen über das verkorkste Seelenleben eines Massenmörders?

von Praunheim Nicht zu vergessen die vier neuen Bände von Volker Elis Pilgrim über Hitlers vermeintliche Homosexualität. Hitler war bis Ende 30 extrem frauenfeindlich. Ob er je Sex hatte mit Frauen wie Männern, ist nicht bewiesen, ihm war die Macht über Menschen wichtiger. Fünf von sieben Frauen in Hitlers näherer Umgebung haben sich umgebracht.

Interessant ist bei Hitler wie bei Friedrich, dass sie beide in ihrer Jugend musisch und sensibel waren und homoerotisch, und trotzdem zu grausamen Massenmördern wurden, um ihre Männlichkeit zu kompensieren.

„Es macht mir Angst, wie schnell sich Menschen wieder den starken Männern zuwenden“

tipBerlin Ihr Künstlername Rosa erinnert an den rosa Winkel, den Männer, die im Nationalsozialismus wegen ihrer Homosexualität in den Konzentrationslagern waren, tragen mussten. Gleichzeitig ist die homosexuelle Note in rechtsradikalen Männerbünden offensichtlich. Einer der einflussreichsten harten Neonazis der 1990er-Jahre, Michael Kühnen, war schwul und starb an Aids. Sie selbst haben vor 15 Jahren einen wichtigen Film über schwule Nazis gemacht. Bearbeiten Sie in Ihrem neuen Stück eines Ihrer Lebensthemen?

von Praunheim Nein, kein Lebensthema. In meinen 150 Filmen habe ich viele Themen bearbeitet, und auch meine zukünftigen Projekte sind vielfältig. Aber es macht mir Angst, wie schnell sich Menschen wieder den starken Männern zuwenden. Ich finde es wichtig, dagegen Stellung zu beziehen, und das tue ich mit meinem Theaterstück. Es ist ja auch ein Musical, und vielleicht sollten wir lernen, gegen Antidemokraten anzusingen.

„Alice Weidel darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie homophob die AfD in Wirklichkeit ist“

tipBerlin Einen AfD-Politiker nennen Sie in Ihrem Stück mit Namen, Herrn Höcke. Was hat der Rechtsradikale aus Thüringen zwischen all den Nazi-Schwulen in Ihrem Stück verloren?

von Praunheim Höcke ist ja eng verbunden mit dem Brandenburger Ex-AfD-Politiker Andreas Kalbitz. Kalbitz hat sich als AfD-Fraktionsvorsitzender auffällig eng mit jungen Männern umgeben, er wurde angezeigt, weil er minderjährige Parteifreunde sexuell belästigt haben soll. Und auch die Vorzeigelesbe Alice Weidel darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie homophob die AfD in Wirklichkeit ist.

tipBerlin Die deutsche Gewaltgeschichte als Kontinuum von Friedrich dem Großen bis Hitler, die grotesken Comicfiguren, das Grand Guignol der Kriege und Massaker  – das erinnert sehr deutlich an Heiner Müllers Preußen-Nazi-Schocker „Germania Tod in Berlin“. War das Stück von Müller eine Inspiration für Sie?

von Praunheim Ich kenne Müllers Stück leider nicht. Müllers Sprache ist nicht meine. Die Intellektualisierung des deutschen Theaters macht mir Angst. Ich arbeite mit unterhaltsamen, sinnlichen, bewusst kitschigen Mitteln. Vielleicht zum Schluss ein Gedicht:

„Wenn alle Menschen nackt wären
Und Tiere angezogen
Und Nazis zwei Penisse hätten
Dann würde sich nur ändern
Dass wir freundlicher wären.“


Rosa von Praunheim (bürgerlicher Name: Holger Mischwitzky) wurde 1942 in Riga geboren und wuchs in der Nähe von Berlin und in Frankfurt am Main auf. Er gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films in den Genres Dokumentar-, Autoren- und Avantgardefilm. Rosa von Praunheim war vor allem mit seinem Dokumentarfilm von 1971 „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ der öffentliche Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik.

Der Film löste unter anderem die Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen aus. In dem Film kommt es auch zum ersten Kuss zwischen zwei Männern im deutschen Fernsehen. Sein Werk umfasst etwa 150 Filme, Bücher, Hörspiele und Theaterstücke. 2015 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Am Deutschen Theater inszenierte er 2019 sein autobiografisches Stück „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“. 

  • Deutsches Theater, Schumannstraße 13A, Mitte. „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“ von Rosa von Praunheim. Premiere war am 1.10. im Rahmen der „Autoren[theater]tage“. Aufführungen bis 8.11., ggf. Restkarten an der Abendkasse, www.deutschestheater.de

Mehr zu Rosa von Praunheim

Unsere Kritik zu Rosa von Praunheims Film „Darkroom“ (2019) findet ihr hier. Die Besprechung des Praunheim-Films „Männerfreundschaften“ (2018) lest ihr hier. Der Tod, die Hölle, der 70. Geburtstag und die Bettwurst – nur einige der Themen, um die es 2012 ging, als tipBerlin-Autorin Ulrike Rechel Rosa von Praunheim interviewt hat. Und Tom Tykwer verriet uns im Gespräch, dass Rosa von Praunheim maßgeblichen Einfluss auf ihn hatte.

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