Wissenschaft

#Antarktischer Eisverlust im Spiegel von Oktopus-DNA

Heute durch das Eis getrennte Populationen waren offenbar einst verbunden: Forscher haben im Erbgut einer antarktischen Oktopus-Art Hinweise auf einen Zusammenbruch des Westantarktischen Eisschildes während einer Warmphase vor rund 120.000 Jahren entdeckt. Besorgniserregend ist dabei: Man geht davon aus, dass die globalen Durchschnittstemperaturen damals nur etwa ein Grad Celsius über den vorindustriellen Werten lagen. Die Ergebnisse bestätigen damit bisherige Befürchtungen, wonach der westantarktische Eisverlust und der daraus resultierende Anstieg des Meeresspiegels schon durch moderate Temperaturanstiege ausgelöst werden könnte, sagen die Forscher.

Es ist wohl das deutlichste Anzeichen der globalen Erwärmung: Die Eismassen unseres Planeten schrumpfen zusehends und dies wird zur Gefahr für die Menschheit: Durch den Zustrom der gigantischen Schmelzwassermengen steigt der globale Meeresspiegel und damit drohen einigen dichtbesiedelten Küstenregionen Überflutungen. Neben den Eismassen des Nordens richtet sich der sorgenvolle Blick dabei auch auf den eisigen Süden. Als besonders anfällig für steigende Temperaturen gilt dort der Westantarktische Eisschild. Es handelt sich dabei um eine kilometerdicke Eismasse, die teils auf dem Festland der Westantarktis aufliegt und sich auch bis in das angrenzende Meer erstreckt.

War der Eisschild einst verschwunden?

Studien zufolge zeichnet sich bereits ab, dass der Klimawandel am Westantarktische Eisschild nagt. Doch wie sich dies im Zuge des Klimawandels weiterentwickeln könnte, ist unklar. Klar scheint hingegen, dass in einem weiteren Abschmelzen der gigantischen Eismassen großes Gefahrenpotenzial steckt: Bei einem Totalverlust des Westantarktischen Eisschilds würde der Meeresspiegel um etwa drei bis fünf Meter ansteigen. Aus einigen Untersuchungen geht auch hervor, dass es dazu kommen könnte. Denn möglicherweise liegt der Kipppunkt, der zu einem völligen Verlust der Eismassen führt, sogar innerhalb der aktuellen globalen Klimaziele von 1,5 bis 2 Grad Celsius Erwärmung.

Als Beleg dafür gelten geologische Hinweise darauf, dass der westantarktische Eisschild während der letzten Zwischeneiszeit vor 129.000 bis 116.000 Jahren abgeschmolzen sein könnte. Schätzungen zufolge lag damals die globale Durchschnittstemperatur nur um etwa ein Grad Celsius über den vorindustriellen Werten. Ob das Eisschild aber tatsächlich verschwunden war, gilt bisher als umstritten, denn es gab auch Studienergebnisse, die diesem Szenario widersprachen.

Achtarmige Zeugen des Eisverlustes?

Um neue Hinweise zu dieser geologisch-klimatischen Frage zu liefern, haben die Forscher um Sally Lau von der australischen James Cook University in Townsville nun einen Ansatz verfolgt, der zunächst überraschend erscheinen mag: Sie suchten nach Spuren des möglichen Eisverlustes in der genetischen Geschichte einer Oktopus-Art, die in den Randmeeren rund um die Antarktis vorkommt. Der Knackpunkt ist dabei: Die Populationen von Pareledone turqueti im Rossmeer und dem Weddellmeer werden heute durch die Eismassen des Westantarktischen Eisschilds und seiner Ausläufer geografisch voneinander isoliert. Spiegelt sich im Genom der Art vielleicht wider, dass dies in der Vergangenheit einmal nicht der Fall gewesen war?

Um diese Frage zu beantworten, sequenzierten die Forscher die Genome von insgesamt 96 Exemplaren des Pareledone-Kraken, die in verschiedenen Randmeeren der Antarktis gefangen wurden. Sie untersuchten das Erbgut der Tiere dabei auf sogenannte Einzelnukleotidpolymorphismen (SNP) – charakteristische Veränderungen jeweils nur einer DNA-Base, anhand derer sich Populationsgruppen unterscheiden lassen. Zunächst zeigte sich dabei, dass sich die Subpopulationen in den verschiedenen Meeresbereichen tatsächlich in charakteristischer Weise genetisch unterscheiden. Doch zwischen den heute getrennten Kraken des Rossmeeres und des Weddellmeeres stellten die Forscher auffällige Anzeichen einer Vermischung im Erbgut fest.

Das Team führte anschließend bio-geografische Modellierungen durch, um genauer zu beleuchten, was die plausibelste Erklärung für diesen Genfluss in der Geschichte der Art gewesen sein könnte. Eine Vermischung über einen Austausch von Individuen über die zirkumantarktische Strömung passt demnach nicht zu den festgestellten Mischungsmustern bei beiden Oktopus-Populationen. Stattdessen lassen die Daten darauf schließen, dass es einst einen direkten Kontakt zwischen den Kraken beider Meeresregionen gegeben hat. Konkret folgern die Forscher daraus: Die Kraken mischten sich durch eine direkte Meeresverbindung zwischen dem Rossmeer und dem Weddellmeer, die sich offenbar in der letzten Zwischeneiszeit gebildet hatte. Mit anderen Worten: Es handelt sich bei dem genetischen Befund um einen deutlichen Hinweis darauf, dass der westantarktische Eisschild während der letzten Zwischeneiszeit abgeschmolzen war.

Passiert nun das Gleiche?

Damit steht nun eine kritische Frage im Raum: Ist der Prozess, der einst zu dem Verlust des Eises führte, noch abzuwenden? Dazu schreiben die Forscher: „Unsere Ergebnisse liefern einen Hinweis dafür, dass der Kipppunkt zum Verlust des Westantarktischen Eisschilds selbst unter strengen Klimaschutzszenarien erreicht werden könnte“. Wenn die globale Erwärmung bei plus 1,5 bis 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen wird, könnte das Schmelzwasser des Westantarktischen Eisschilds in den kommenden Jahrhunderten für einen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter sorgen, so die Wissenschaftler.

Um die möglichen Entwicklungen zu beleuchten, seien nun allerdings weitere Untersuchungen nötig, schreiben Andrea Dutton von der University of Wisconsin–Madison und Rob DeConto von der University of Massachusetts in Amherst in einem Kommentar zur Studie. Ihnen zufolge sollte geklärt werden, wann genau und unter welchen Bedingungen es zu dem einstigen Abschmelzen gekommen war. Beispielsweise sei auch denkbar, dass eher veränderte Meeresströmungen als die Lufttemperatur zu dem Prozess geführt hatten.

Quelle: Science, doi: 10.1126/science.ade0664

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