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#So entwickelte sich die Wirtshauskultur der Region

„So entwickelte sich die Wirtshauskultur der Region“




Die Bier- und Wirtshauskultur hat schon bessere Zeiten erlebt. Ein Blick in die Geschichte ist immer wieder wertvoll. Zumal sich heute neue Gemeinschafts-Initiativen gründen.

Vor einigen Jahren feierte das Haus der Bayerischen Geschichte das 500-jährige Bestehen des bayerischen Reinheitsgebots und bejubelte damit die Bierkultur südlich der Donau. Seither wird im öffentlichen Diskurs eher das Sterben der kleinen Brauereien und vor allem der Wirtshäuser beklagt.

Nun wollten die Heimatpfleger des Bezirks Schwaben wissen, wie es hierzulande mit Wirtshaus und Bier aussieht und veranstalteten dazu mit der Schwabenakademie Irsee eine wissenschaftliche Tagung. Deren Ergebnis, ein von Peter Fassl und Corinna Malek herausgegebener umfänglicher Band über die „Bier- und Wirtshauskultur in Schwaben und Franken“, liegt nun vor.

Im Allgäu wurde eher Milch statt Bier getrunken

Und er bietet eine überraschende Erkenntnis: Für die Schwaben war Bier lange gar nicht so wichtig. Während es für die Altbayern ein identitätsstiftender Lebenssaft war und zum Selbstbewusstsein der Leute gehörte, zeigen die historischen Landesbeschreibungen aus Schwaben seit dem 16. Jahrhundert keinen wesentlichen Bezug zum Bier – eher zur Milch (im Allgäu) oder zu Wein und Most, etwa in Memmingen oder Lindau. „Das Hauptgetränk in Schwaben war Wasser“, fand Felix Guffler in Berichten von Amtsärzten heraus. Vor allem in den schwäbischen Regionen mit protestantischer Bevölkerung, etwa den Freien Reichsstädten, wurde wenig Bier getrunken, die religiös bedingte Nüchternheit und Sparsamkeit standen dagegen. Auch ins Wirtshaus gingen die Schwaben weniger als die Oberbayern, aber nicht nur aus religiösen Gründen: Für die Bauern im Oberallgäu war der Weg von ihren Einödhöfen ins nächste Dorf oft zu weit. 

Bier war gleichwohl spätestens ab dem Mittelalter ein übliches Nahrungsmittel – „flüssig Brot“, auf das auch die Schwaben nicht verzichten wollten. Schon um 830 bestand im Kloster Reichenau neben der Bäckerei eine Brauerei, und von da an wuchsen überall die Klosterbrauereien, denen dann Brauereien in den Städten und Dörfern folgten. Das Augsburger Kloster St. Ulrich und Afra besaß um 1175 eine „taberna“ (das lateinische Wort für Taverne, das Wirtshaus) in Prittriching; das Heilig-Geist-Spital Kaufbeuren garantierte seinen Insassen 1308 durch eine Stiftung Bier und Roggenbrot von Fasnacht bis nach Ostern.

Weißbier wurde eher in Schwaben als in Altbayern getrunken

Wenn in Schwaben also auch Bier getrunken wurde, so doch anders als in Altbayern: Man trank hier mehr Weißbier als das stärkere und teurere Braunbier – und das muss anders geschmeckt haben als ein Weißbier von heute, sagt der Braumeister Hermann Bienen, denn man wendete bis 1860 eine andere Braumethode an, das sogenannte Setzverfahren. Das Reinheitsgebot, das ab 1516 für das Herzogtum Bayern galt, wurde in Schwaben sowieso erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Aber auch davor fügten Brauer dem Malz- und Gerstensud Hopfen zu, weil der antibakteriell wirkte und das Bier länger haltbar machte. Ortsnamen wie Hopferau, Hopferbach oder Hopferried, in denen Hopfen angebaut wurde, verweisen darauf.

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Weil Bier ein begehrtes Nahrungsmittel war, wurden die Brauereien und die oftmals damit verbundenen Wirtshäuser seit dem Dreißigjährigen Krieg zu einer Sache von Macht und Herrschaft, also der Grundherren. Im kleinteiligen Schwaben waren das sehr viel mehr als im Herzogtum Bayern, und sie alle wetteiferten darin, Regeln für Brauen und Ausschank zu erlassen und Steuern zu erheben. Zusmarshausen etwa, bis heute mit der Marke „Schwarzbräu“ verbunden, setzte das grundherrliche Recht auf ein eigenes Wirtshaus gegen das Hochstift Augsburg durch, belegte Importbier aus anderen Orten mit einer speziellen Steuer, um das eigene Produkt zu stützen und machte sich wettbewerbsfähig durch den Bau von Bierkellern, um Braunbier kühl lagern zu können.

Das Zentrum der Orte entstand rund um das Bier

Zu Brauerei und Wirtshaus gehörten meist Poststation, Kramerladen, Herberge und – wie in der Tafernwirtschaft Dinkelscherben – ein Tanzhaus. Somit entstand rund ums Bier ein Ortszentrum, in dem die Bewohner Kontakt untereinander und mit der Außenwelt hielten, in dem sie feierten und ihre Geschäfte tätigten. Das Reichsstift Ursberg erließ 1785 für sein Wirtshaus einen „Tafernbrief“, in dem die Untertanen verpflichtet wurden, mit Hochzeits-, Faschings- und sonstigen Festen, aber auch mit Geschäften ins Wirtshaus zu gehen – die Bedeutung des Wirtshauses für das Sozialleben ist also kaum zu überschätzen.

Doch ab den 1960er Jahren schwand diese Bedeutung, was wohl an den Lebensgewohnheiten einer vielfältigeren, mobileren Bevölkerung liegt, die Informationen inzwischen eher übers Internet als am Wirtshaustisch austauscht. Die Wirtshauskultur werde sich weiter ändern, sagt Fassl, „aber sie bleibt“, und er verweist auf dörfliche Initiativen, die neue Formen der Gemeinschaft entwickeln. 

Buchtipp: Peter Fassl, Corinna Malek: Bier- und Wirtshauskultur in Schwaben und Franken. UVK-Verlag, 431 Seiten, 49,20 Euro.

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