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#Die Kolonie im Wohnzimmer

Die Kolonie im Wohnzimmer

Ameisen zu beobachten ist spannend wie ein Krimi, findet Bernhard Seifert vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz. Der Entomologe forscht seit vielen Jahrzehnten zu den Hautflüglern. Schon als Kind habe er ihnen begeistert bei ihrem Treiben zugesehen, das so viele Menschen fasziniert: wie Ameisen in oft gigantischen und dennoch effizient organisierten Staaten leben, Blattläuse melken, Lasten tragen oder gegen andere Völker kämpfen. Seit etwa zehn Jahren zeigt sich ein neuer Trend: Ameisen-Fans holen sich eine Kolonie ins heimische Wohnzimmer, beliebt sind auch invasive Arten. Das kann gefährlich werden.

Rebecca Hahn

Freie Autorin in der Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

So ein eigener Ameisenstaat ist schnell gegründet: Im Internet lassen sich ohne Mühen in einem der vielen Onlineshops eine oder gleich mehrere Königinnen samt einiger Arbeiterinnen oder Larven bestellen. Für mitteleuropäische Ameisen muss man nur wenige Euro hinlegen, bei exotischeren Importen bewegen sich die Preise ab etwa dreißig Euro aufwärts. Verschickt werden sie in Reagenzgläsern, meist innerhalb weniger Tage, ganz normal per Post. Anschließend sollten die Krabbeltiere in ein Formicarium umziehen, ein spezielles Terrarium für die Ameisenhaltung, womit ihre Halter im Auge behalten können, wie sie Gänge anlegen, Futter transportieren und Abfälle entsorgen.

Krabbeltiere im Gepäck

Zwei Forscher der Universität Lausanne haben untersucht, welche Ameisenarten im Internet gehandelt werden. Überproportional häufig würden invasive Arten verkauft, berichteten sie im April in der Fachzeitschrift PNAS. „Wir haben inzwischen über 600 Ameisenarten entdeckt, die im Internet angeboten werden“, sagt Cleo Bertelsmeier, neben Jérôme Gippet Autorin der Studie. Darunter seien 14 der 19 eroberungslustigsten Spezies weltweit. Werden diese weiterhin rund um den Globus versendet, könnten sich invasive Arten stärker ausbreiten, fürchten die Forscher.

Weltweit sind über 15 000 verschiedene Ameisenspezies bekannt. Schon ohne Tierhandel haben es einige geschafft, sich weit über ihr angestammtes Verbreitungsgebiet hinaus anzusiedeln, meist versteckt im Gepäck von Menschen. „Der passive Transport durch den Menschen ist der Hauptfaktor dafür, dass fremde Ameisenarten in ein Gebiet eingetragen werden“, sagt Bernhard Seifert. Häufig würden die Insekten zum Beispiel in Pflanzentöpfen mittransportiert. Andere Arten sind so klein, dass sie sich sogar in der Tastatur eines Laptops verkriechen können.

Zweignester sind schnell gegründet

Schwarzkopfameisen zum Beispiel haben sich als blinde Passagiere fast weltweit verbreitet. Dank ihrer geringen Körperlänge von kaum zwei Millimetern und des milchigen, fast durchsichtigen Hinterleibs sind die Arbeiterinnen von Tapinoma melanocephalum leicht zu übersehen. Mittlerweile ist die Art in allen Ländern der Tropen und Subtropen verbreitet, wo sie sowohl in Innenräumen als auch im Freien vorkommt. Zumindest in Gewächshäusern und beheizten Gebäuden finden sich Schwarzkopfameisen inzwischen auch in den gemäßigten Breiten, unter anderem in Japan, Europa und Nordamerika.

Haben sich die Tiere einmal eingewöhnt, wächst die Kolonie in Windeseile. In einem einzigen Nest leben hundert bis tausend Ameisen. Wird der Platz zu klein, bilden sich Zweignester, mit denen sich die Kolonie weiter ausbreitet. Bei der Nahrungswahl sind Schwarzkopfameisen sehr flexibel. Im Haushalt stillen sie ihren Appetit am liebsten mit süßen Lebensmitteln, draußen oder in Gewächshäusern hegen sie Blattläuse, um deren Honigtau-Ausscheidungen einzusammeln.

Prädikat „sehr aktiv“

Die Weltnaturschutzunion zählt Schwarzkopfameisen zu den extrem invasiven Ameisenarten. Händler bieten sie dennoch zum Kauf an. Sie werben online sogar mit den Eigenschaften, die Schwarzkopfameisen so invasiv machen: Die Art sei „sehr robust“ und „extrem aktiv“, auch das starke Koloniewachstum wird betont. Dass es sich um eine invasive Spezies handelt, wird nicht erwähnt. Höchstens verweisen die Verkäufer darauf, dass das Becken gründlich abgedichtet sein muss, damit die winzigen Insekten nicht entkommen.

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