Wissenschaft

#Antikes Pendant zum Stacheldraht

Zuvor waren die „pila fossata“ nur aus schriftlichen Überlieferungen bekannt. Doch nun konnten Archäologen erstmals Überreste dieser römischen Annäherungshindernisse bergen, untersuchen und konservieren. Die Konstruktionen aus angespitzten Holzpfählen wurden an einem Fundort in Rheinland-Pfalz entdeckt. Dort sollte die stachelige Wehrtechnik vor rund 2000 Jahren offenbar Germanen davon abhalten, zu den Wällen eines römischen Militärlagers zu gelangen, berichtet das Forschungsteam.

In der Nähe von Bad Ems schlummern die Überreste von zwei römischen Militärlagern aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. im Boden: Dies hat seit 2017 ein mehrjähriges Grabungsprojekt aufgedeckt. Aus den 2023 abgeschlossenen Auswertungen der Funde geht hervor, dass die Anlagen einem antiken Bergbauprojekt dienten: Die Befunde passen zu einem überlieferten Text des römischen Historikers Tacitus, wonach es in der Region eine Suche nach Silberadern gegeben hat. Sie blieb allerdings offenbar erfolglos, weshalb die Anlagen wohl nur wenige Jahre genutzt wurden. Zunächst waren die Archäologen unter der Leitung der Goethe-Universität Frankfurt a.M. auf die Spuren des größeren der beiden befestigten Lager gestoßen. In seinen Ausmaßen spiegelt sich der enorme Aufwand für das antike Bergbauprojekt wider: Die Anlage umfasste etwa acht Hektar, war mit einem Erdwall sowie hölzernen Türmen ausgerüstet und bot Platz für 3000 Mann.

Eine stachelige Struktur taucht auf

Der besondere Fund, den das Team nun in den Vordergrund rückt, stammt allerdings aus der zweiten Anlage, die später etwa zwei Kilometer entfernt von der ersten entdeckt wurde. Den Grabungsergebnissen zufolge handelte es sich bei der Konstruktion auf dem „Blöskopf“ um ein Kleinkastell, das offenbar dem Schutz des römischen Bergbaureviers diente. Der Fund einer im Jahr 43 n. Chr. geprägten Münze verwies ebenfalls auf die Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. Bei der besonderen Entdeckung handelte es sich um die Überreste eines speziellen Elements der Befestigung der Anlage: „Im inneren Spitzgraben des Kleinkastells haben wir angespitzte Holzpfähle in einem Verteidigungssystem gefunden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Funde in ihrem ursprünglichen funktionalen Konstruktionskontext erhalten geblieben sind“, berichtet Markus Scholz von der Goethe-Universität Frankfurt.

Nach der Untersuchung vor Ort wurden die insgesamt 23 hölzernen Elemente geborgen und zur genaueren Untersuchung und Konservierung in die spezialisierten Labore des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) in Mainz gebracht. Nun hat sie das Forschungsteam im Rahmen einer öffentlichen Präsentation vorgestellt und ihre Bedeutung erklärt. Es handelte sich demnach um eine römische Wehrtechnik, die als „pila fossata“ bezeichnet wurde. „Diese Annäherungshindernisse wurden von antiken Autoren wie Caesar beschrieben, aber erstmals gelang hier im gesamten Römischen Reich der archäologische Nachweis“, sagt Scholz.

Die am LEIZA konservierten Spieße bei der Präsentation. © LEIZA / Sabine Steidl

Erstmals archäologisch fassbar

Aus den Untersuchungen ging hervor, dass es sich um Anordnungen von etwa 55 Zentimeter langen Spießen gehandelt hat, die aus hartem Eichenholz gefertigt waren. Um sie zu befestigen, hatte man sie in den Grund des spitz zulaufenden Grabens geschlagen, der einst das Kleinkastell auf dem Blöskop umgab. In diesem Zustand fanden sie die Archäologen auch noch vor. „Diese ungewöhnlich gut erhaltenen archäologischen Funde verdanken wir vor allem dem sauerstoffarmen Feuchtboden, der von dichten Sedimentschichten bedeckt war“, sagt Markus Wittköpper, Experte für Nassholzkonservierung im LEIZA. Dies bremste die Zersetzung des Holzmaterials.

Visualisierung der Funktion der pila fossata. © Goethe Universtität Frankfurt / Karlheinz Engemann

Die stachelige Konstruktion diente offensichtlich dazu, Angreifer davon abzuhalten, zu dem mit Palisaden befestigten Wall des Kastells vorzudringen und ihn zu erklimmen. Dabei hatten die pila fossata am Grund des Grabens auch eine Fallen-Funktion: Wer in die Spitzen rutschte, konnte sich lebensgefährliche Verletzungen zuziehen. Greifbare Überreste dieser antiken Wehrtechnik nun vor sich zu haben, ist etwas ganz Besonderes, erklären die Archäologen. Dazu sagt Alexandra Busch vom LEIZA: „Diese auf den ersten Blick unscheinbaren Holzpfähle aus dem Militärlager bei Bad Ems sind für die Archäologie eine kleine Sensation, über die ich mich als Spezialistin für das römische Militär besonders freue.“

Quelle: Leibniz-Zentrums für Archäologie

Die Ergebnisse der Ausgrabungen wurden in einer Publikation zusammengefasst: Dr. Peter Henrich und Prof. Dr. Markus Scholz (Hrsg.): Die frühkaiserzeitlichen Militäranlagen bei Bad Ems um Kontext des römischen Bergbaus, Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel Bd. 23, 2024.

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