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#Zwei Trennungen und ein Todesfall

„Zwei Trennungen und ein Todesfall“

Jeden Morgen studiert er die Zeitungen, der namenlose iranische Botschafter, 1947, in Kairo. Mitten in turbulenten Umbruchs­zeiten soll er zwei Aufträge fast privater Natur ausführen: Königin Fausia aus ihrem Heimatland wieder zu dem ihr vor acht Jahren angetrauten Ehemann Mohammed-Reza Pahlavi nach Teheran zurückbringen und endlich die Überführung der Leiche vom Vater des Schahs veranlassen, der vor drei Jahren in Johannesburg gestorben ist und seitdem in der ägyptischen Hauptstadt zwischengelagert ist.

Amir Hassan Cheheltan, Jahrgang 1956, ist ein feinsinniger Beobachter der Verhältnisse und Entwicklungen in Iran, das zeigen seine Beiträge auch für diese Zeitung, die zusammen mit anderen in dem Band „Teheran Kiosk“ versammelt sind. Literarisch ist er umso besser, je weniger er sich explizit mit dem Sturz des Schahs befasst. „Der Kalligraph von Isfahan“ ist daher nicht zufällig sein bester Roman, der nebenher freilich eine Menge über die Gegenwart aussagt. Cheheltans neuer Roman, „Eine Liebe in Kairo“, beleuchtet nun die ersten Jahre nach der Thronbesteigung des Schahs.

Der Europäer: ein Wilder?

Abermals nutzt Cheheltan den historischen Rahmen für einen Kommentar zu gegenwärtigen Verhältnissen. Mitunter geht er dabei nicht gerade zimperlich vor: Der Botschafter hat ein Auge auf die zum Islam konvertierte Amerikanerin Sakineh geworfen, trennt sich jedoch von ihr, sobald er mit ihr im Bett gewesen ist. Ihr Ehemann, ein indischer Philosoph, hat eine klare Position zum Westen: „Der Europäer ist ein Wilder, ein Dieb, der sich aufführt, als sei er die Krone der Schöpfung, das Beste, was das Universum zu bieten hat.“ Mitunter hat Cheheltan aber auch einen pfiffigen Dreh heraus, so wenn er dem ägyptischen Premierminister die Worte in den Mund legt: „Man hat mich wissen lassen, dass die iranische Regierung eine in Teheran vorgesehene Demonstration zugunsten der palästinensischen Araber unterbunden hat.“

Amir Hassan Cheheltan: „Eine Liebe in Kairo“. Roman. Aus dem Persischen von Jutta Himmelreich. Verlag C. H. Beck, München 2022. 380 S., geb., 25,– €.


Amir Hassan Cheheltan: „Eine Liebe in Kairo“. Roman. Aus dem Persischen von Jutta Himmelreich. Verlag C. H. Beck, München 2022. 380 S., geb., 25,– €.
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Bild: Verlag

Die Fragen, wie sich die einzelnen Staaten gegenüber Palästina und dem zu gründenden Israel verhalten, ob und wie sie das Judentum tolerieren, wie geeint sie ihm entgegentreten und welches Staatskleid sie für sich bevorzugen, sind zentrale Momente in diesem Roman. Et­liche arabische Staaten stecken seit dem Ersten Weltkrieg noch in den Kinderschuhen, Ägypten wird in wenigen Jahren die Monarchie hinter sich lassen, während der Mufti von Jerusalem im Gespräch mit dem Botschafter im Brustton der Überzeugung festhält: „Demokratie und Parlamente sind nichts für uns.“ Und womöglich zielt Cheheltan damit keineswegs nur auf die Vergangenheit, sondern hat auch eine aktuelle Anam­nese im Hinterkopf.

Mit ironischem Unterton

Das leitet über zum Problem dieses handlungsarmen und gesprächsreichen Romans. Die Übersetzung stammt abermals von Jutta Himmelreich und garantiert damit eine „reibungslose“ Lektüre. Der ironische Unterton tut ein Übriges. Der namenlose Botschafter, der von allem Weltgeschehen furchtbar gelangweilt ist, erreicht in jedem Gespräch den Punkt, wo er sagen kann: „Eine Frage hätte ich da noch“, nämlich, wie es sein Gegenüber denn nun mit Fausia halte. Der Mann ist eine gelungene Figur, wenn es gilt, jene Unverbindlichkeiten vorzuführen, die bei ihm Diplomatie und Privatleben gleichermaßen prägen. Seine Karrierelüsternheit kann fraglos als Spiegel der Machtlüsternheit einzelner Staaten gelesen werden. Vielfach wirkt Cheheltan in diesem Roman jedoch konzeptlos. Gerade weil er einzelnen Figuren deutliche Worte in den Mund legt, nimmt sich das Unentschlossene in der Dramaturgie an anderen Stellen fast als Rumeiern aus. Der Schah im Hintergrund bleibt zudem völlig blass, und kaum etwas deutet – direkt oder ex negativo – an, warum dieser Mann mit seinem Sturz zu einem zentralen Thema der iranischen Gegenwartsliteratur werden sollte.

Cheheltan hat als Schriftsteller einen schwierigen Weg gewählt. Nach längeren, auch durch Repressionen bedingten Auslandsaufenthalten lebt und arbeitet er heute in Iran. Nach wie vor setzt ihm Zensur zu. „Eine Liebe in Kairo“ handelt vor dem Hintergrund des herauf­ziehenden Kalten Krieges das Verhältnis von islamischer und jüdischer Welt ab. Das ist brisant und hochaktuell, allein, literarisch ist ihm das Unterfangen nicht ganz gelungen. Wer den Roman als Sachbuchschmöker liest, als Stimulans nimmt, sich mit der Zeit und den Problemen zu befassen, hat Gewinn. Wer das nicht tut, wird sich vielleicht fragen, warum Cheheltan unbedingt die Geschichte eines Botschafters erzählen wollte, der auf ganzer Linie scheitert.

Amir Hassan Cheheltan: „Eine Liebe in Kairo“. Roman. Aus dem Persischen von Jutta Himmelreich. Verlag C. H. Beck, München 2022. 380 S., geb., 25 Euro.

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