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#Ten Cities: Fotoband über Großstadt-Nachtleben von 1960 bis heute

Ten Cities: Fotoband über Großstadt-Nachtleben von 1960 bis heute

Der Foto- und Essayband „Ten Cities“ dokumentiert das Subkultur- und Nachtleben in zehn Großstädten, von 1960 bis heute. Johannes Hossfeld Etyang, Joyce Nyairo und Florian Sievers sind die Herausgeber*innen des Buches, das vom Beat verschiedenster Metropolen erzählt.

Mahragan-Party in Kairo, 2013. "Ten Cities" zeigt, wie in den großen Städten rund um die Welt gefeiert wurde. Foto: Mosa'ab Elshamy / @mosaabelshamy.
Mahragan-Party in Kairo, 2013. „Ten Cities“ zeigt, wie in den großen Städten rund um die Welt gefeiert wurde. Foto: Mosa’ab Elshamy/@mosaabelshamy

„Ten Cities“ zeigt die Kontraste des Partylebens

Manchmal hilft die Flucht in die Nischen – und manchmal der Weg aufs Dach. Im Sammelband „Ten Cities“ erzählt der Journalist Florian Sievers, wie sich Blixa Bargeld und N. U. Unruh in einen Spalt im Pfeiler einer Autobahnbrücke zwängten, um den Lärm der vorbeidonnernden Autos aufzunehmen: die Grundlage für den klaustrophobischen Sound der Einstürzenden Neubauten.

Dreißig Jahre später zieht es junge, freiheitshungrige Ägypter*innen hinaus aus der Enge: Auf den Mahraganat-Partys in den Slums von Kairo tanzen sie auf den Dächern. Es sind genau solche Kontraste, die „Ten Cities“ so spannend machen.

Am Ende des wohl partyärmsten Berliner Jahres seit Beginn der modernen Clubzeitrechnung kann man im Foto- und Essayband „Ten Cities. Clubbing in Nairobi, Cairo, Kyiv, Johannesburg, Berlin, Naples, Luanda, Lagos, Bristol, Lisbon“ nachlesen, wie von 1960 bis zum Pandemiebeginn im März 2020 in den zehn titelgebenden Städten gefeiert wurde.

Florian Sievers, der übrigens nichts mit dem gleichnamigen Indie-Musiker zu tun hat, hat den Band gemeinsam mit Johannes Hossfeld Etyang und Joyce Nyairo herausgegeben. Er begleitet die Entstehung des Projekts im Auftrag der Goethe-Institute in Berlin und Nairobi seit fast zehn Jahren.

"Ten Cities" zeigt Subkultur in Lagos, Nigeria. Foto: Mike Calandra Achode, Tommaso Cassinis / @mikecalandra
„Ten Cities“ zeigt Subkultur in Lagos, Nigeria. Foto: Mike Calandra Achode, Tommaso Cassinis/@mikecalandra

Das Ziel der Beteiligten: einen Eindruck davon zu vermitteln, wie vielfältig, wild und inspirierend das Nachtleben auch außerhalb des globalen Nordens ist. Der Fokus liegt dabei auf dem afrikanischen Kontinent und Europa.

Geschichte der Musik und Politik des Stadtraums

Jede Stadt wird in zwei Essays abgehandelt – oder in zwei Sets, wie es die Macher*innen formulieren. In der Sektion „Music/Spaces“ steht die Geschichte von Musik und Subkulturen im Vordergrund, im zweiten Essay unter dem Titel „Spaces/Politics“ schauen die Autor*innen verstärkt auf Politik und Urbanistik.

DJ Invizable im Orange Farm Township, Johannesburg, 2015. Foto: Chris Saunders  / @chrissaundersphoto
DJ Invizable im Orange Farm Township, Johannesburg, 2015. Foto: Chris Saunders / @chrissaundersphoto

Getrennt voneinander analysieren kann man Beats und den Rhythmus eines Landes allerdings eh nicht wirklich: Landscapes, die politische und geografische Landschaft, schreiben sich in die Soundscapes ein, wie man am Beispiel Südafrikas während der Anti-Apartheidsbewegung sieht. Umgedreht zeigt das Buch, wie im Nachtleben neue Ideen, Identitätsentwürfe und politische Strömungen entstehen.

Die Herangehensweisen in „Ten Cities“ sind so vielfältig wie die Szenen

Den Herausgebern war es wichtig, mit Expert*innen aus den jeweiligen Ländern zusammenzuarbeiten. Die Autor*innen der Essays – unter ihnen DJs, Aktivist*innen oder Musikjournalist*innen – bringen nicht nur lokale Feierexpertise ein, sondern auch ureigene Herangehensweisen: Manche von ihnen nähern sich ihrem Thema mit fast akademischer Präzision, andere bildhafter, sinnlicher. Der Kiewer Club-Betreiber Vitali Bard Bardetski etwa hakt sich beim Leser unter, um ihn im lockeren Ton durch die Nacht zu führen.

Kudoro-Fans in Luanda, 2015. Foto: Anita Baumann / @camera_africa_image_bank
Kudoro-Fans in Luanda, 2015. Foto: Anita Baumann/@camera_africa_image_bank

Bei solchen Touren bestätigen sich manche Klischees, andere werden völlig auf den Kopf gestellt. Dazu lernt man, die Ästhetik des Berliner Nachtlebens mit seinen nackten Betonwänden und Europaletten-Bänken in einen globalen Kontext zu setzen.

„In vielen afrikanischen Städten gibt es Clubs, die nach europäischem Vorbild modelliert sind – mit rotem Teppich, VIP-Bereich und Sektkühlern“, sagt Sievers. „Deren Publikum will eher nicht mit einer Ratte auf der Schulter in Kellern tanzen, wo einem das Wasser auf den Kopf tropft wie im Berlin der 1980er. Ist ja auch verständlich: Wer schon unter schwierigen Bedingungen lebt, will es beim Ausgehen natürlich so schön wie möglich haben.“

Mit Techno kann man in Afrika nichts reißen

Auf seinen Reisen ist ihm vieles über das Feiern in seiner Heimatstadt Berlin bewusst geworden. Zum Beispiel, wie unattraktiv die 4/4-Basedrum, das heilige Metrum der Technofans, in vielen Regionen auf der Welt ist. 2014 veranstalteten die am Projekt Beteiligten eine Konferenz am kenianischen Lake Naivasha.

Jeder sollte die zehn coolsten Tracks aus seiner Stadt mitbringen, „und da hat man gesehen, dass man mit Techno bei den afrikanischen Kollegen nichts reißen kann“, sagt Sievers. „Wenn man hier lebt, denkt man, Berlin sei in Sachen Nachtleben das Maß aller Dinge, aber global gesehen ist das nicht so.“

Das Berghain ist nicht der Nabel der Welt

Ein Anliegen des Bandes ist es, mit dem Mythos zu brechen, das Berghain sei der Nabel der Welt. Mit der Erzählung, elektronische Tanzmusik habe sich nur entlang der Achse Berlin-Detroit-Chicago-Manchester entwickelt.

„In derselben Zeit, in der sich Clubkultur in diesen Städten entwickelt hat, ist ganz vieles auf der Welt passiert, das wir nicht mitbekommen haben“, sagt Sievers. „Man muss sich ein wenig in der Welt umschauen, um die Dynamiken zu verstehen, die zwischen den Clubkultur-Zentren des globalen Nordens und der vermeintlichen Peripherie entstanden sind.“

Love Parade am Kurfürstendamm in Berlin, 1994. "Ten Cities" zeigt, dass Berlin nicht das Maß aller Dinge ist. Foto: Tilman Brembs | zeitmaschine.org | @zeitmaschine.analog.rave
Love Parade am Kurfürstendamm in Berlin, 1994. „Ten Cities“ zeigt, dass Berlin nicht das Maß aller Dinge ist. Foto: Tilman Brembs/zeitmaschine.org

Der Claim, dass Clubbing auch politisch sei, kam einem im Berlin der späten 2010er-Jahre manchmal fast sinnentleert vor. Im Corona-Sommer wurde das Bild der Schlauchbootfahrer*innen im Urbanhafen, die als Rechtfertigung zum Feiern während der Pandemie pflichtschuldig ein „Black Lives Matter“-Plakat aufgehängt hatten, zum Fanal des gewissenlosen Hedonismus. Was tipBerlin zur Schlauchboot-Demo schrieb, lest ihr hier.

Die Essays in „Ten Cities“ erinnern daran, dass Clubs nicht nur ein Image- und Standortfaktor sind, sondern Gesellschaftslabore; dass Spaßkultur ein Gut ist, das hart erarbeitet wurde – und in anderen Ländern noch immer erarbeitet wird, Krisen, autoritären Regierungen und anderen Widrigkeiten zum Trotz. Und dass Partys sowohl im Underground als auch auf dem Dach funktionieren.

  • Ten Cities. Clubbing in Nairobi, Cairo, Kyiv, Johannesburg, Berlin, Naples, Luanda, Lagos, Bristol, Lisbon herausgegeben von Johannes Hossfeld Etyang, Joyce Nyairo, Florian Sievers, Spector Books, 560 S., 40 €

Mehr zu Clubkultur

Berlins heilige Hallen sind 2020 zum Kunstraum geworden. Nun ist der Katalog zur Boros-Ausstellung „Studio Berlin“ im Berghain erschienen. Es sieht für die Clubs und die Veranstaltungshäuser düster aus. Viele machen mit der Kampagne #GeschlossenFürMorgen auf die Not der Kulturszene aufmerksam. Bis die Clubs wieder öffnen, muss man wohl zuhause feiern. Hier geben wir euch Tipps fürs Club-Feeling allein. Ihr wollt vorbereitet sein, wenn es wieder losgeht? So kommt ihr ins Berghain. 

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