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Steinzeit und Migration

John Aubrey, der Altertumsforscher und Naturphilosoph, der im 17. Jahrhundert Stonehenge genauer untersuchte, rühmte sich, die Erkundung des rätselhaften megalithischen Denkmals „aus der völligen Dunkelheit in einen dünnen Nebel“ geführt zu haben. Das stimmte nur zum Teil. Durch seine im folgenden Jahrhundert von William Stukeley, dem sogenannten Vater der Feldarchäologie, popularisierte These, wonach der berühmte prähistorische Steinkreis im Südwesten Englands ein Heiligtum der Druiden gewesen sei, hat Aubrey die romantische Imagination auf neue Irrwege geleitet. Wie die kultischen Zusammenkünfte zur Winter- und Sommersonnenwende alle Jahre wieder vor Augen führen, lässt sich der Mythos nicht ganz austreiben, obwohl inzwischen feststeht, dass die Anfänge von Stonehenge um einige Jahrtausende älter sind als das keltische Druidentum.

Gina Thomas

Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

Immerhin haben deren neuzeitliche Epigonen mit den tatsächlichen Erbauern der heiligen Stätte das menschliche Urbedürfnis nach Sinngebung gemeinsam, das sich leitmotivisch durch die grandiose Ausstellung „Die Welt von Stonehenge“ im Britischen Museum zieht. Sie folgt dem gleichen Ansatz wie jüngst das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle bei seiner panoramischen Darstellung der Kultur, aus der die Himmelsscheibe von Nebra hervorgegangen ist – mit dem Unterschied, dass das Britische Museum die Herausbildung international erstaunlich weit vernetzter Gemeinschaften, die Menschen, Wissen und Materialien austauschten, durch die Geschichte von Stonehenge erzählt.

Das zwillingsköpfige Fabelwesen  (um 1200 bis 1000 vor Christus) wurde in Jütland gefunden.


Das zwillingsköpfige Fabelwesen (um 1200 bis 1000 vor Christus) wurde in Jütland gefunden.
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Bild: National Museum of Denmark

Die Schau setzt bei der Mittelsteinzeit an, rund fünftausend Jahre bevor die ersten Steine auf der Hochebene von Salisbury errichtet wurden. Damals war England noch mit dem Kontinent verbunden. Zur Einführung wird der Übergang der nomadischen Jäger und Sammler zu sesshaften Ackerbauern mit zunehmend gehobenen materiellen Ansprüchen erläutert. Eine Installation mit zahlreichen an einer Platte montierten Beilköpfen veranschaulicht den Verfeinerungsprozess unter dem Einfluss von Zuwanderern, die ihr Können in das rückständige Land mitbrachten. Am Anfang dieser Zeit lag Britannien in seiner Entwicklung ein Jahrtausend hinter der kontinentalen Bevölkerung zurück. Die in der Nähe von Stonehenge ausgegrabenen Überreste eines auf etwa 3900 vor Christus datierten Festmahles werden als Wendepunkt präsentiert. Aus Analysen der Tierknochen schließen die Wissenschaftler, dass es sich um eine Zusammenkunft von Jägern und Sammlern mit Viehzüchtern handelt. Im Zuge der Zeit führen die neuen Errungenschaften den Wandel von einer gemeinschaftlichen Gesellschaftsordnung zu einem ausgeprägteren Individualismus herbei. Das spiegelt sich freilich auch in der Grabkultur. Der Fortschritt verursacht allerdings auch eine Steigerung der organisierten Gewalt, wie die Funde auf dem Schlachtfeld im Tollensetal bei Neubrandenburg und später die zunehmend aufwendige Kriegsausrüstung im Jahrtausend vor Christus dokumentieren.

Mit dem allerersten Objekt bringt die Ausstellung bereits ins Bewusstsein, wie das Leben vom Lauf der Sonne bestimmt war. Die bronzene Sonnenstandarte aus Jütland sieht wie ein miniaturhafter Handspiegel aus, der statt Glas einen Bernstein fasst. Wenn das Licht durchscheint, wird ein Radkreuz sichtbar. Wie der in der Ausstellung reichhaltig vertretene, das kunsthandwerkliche Können dieser schriftlosen bronzezeitlichen Kultur prachtvoll zur Schau stellende Goldschmuck mit seinen kreisförmigen Verzierungen, unterstreicht auch das winzige Objekt die symbolische Bedeutung der Sonne für Gemeinschaften, die ihre Sakralbauten und oftmals auch ihre Grabstätten auf die Sonnenwende hin ausrichteten. Im ersten Abschnitt läuft der Besucher denn auch in der langen Galerie auf eine Endwand mit einer Animation des Sonnenverlaufes zu, die das zyklische Weltbild bekräftigt. In diesem Zusammenhang sticht die Himmelsscheibe von Nebra heraus. Mit seinen im Lauf der Zeit verschiedentlich modifizierten Konstellationen der Gestirne macht der grün patinierte Diskus die kosmischen, religiösen und magischen Vorstellungen der bronzezeitlichen Menschen auf eindringliche Weise anschaulich.

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