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#„The Prom“ auf Netflix: Broadwaystars im Trump-Heartland

„The Prom“ auf Netflix: Broadwaystars im Trump-Heartland

Ryan Murphy hat für Netflix mit „The Prom“ ein starbesetztes Musical in Szene gesetzt. Schon Anfang des Jahres hat der Regisseur mit der Serie „Hollywood“ aus ausgesprochen queerer Perspektive die amerikanische Kinogeschichte erzählt. Auf dem Abschlussball zwischen „Glee“ und großer Ökumene tanzen nun Meryl Streep, James Corden, Nicole Kidman – und versöhnen die offenen USA mit Trumps Amerika. Die tipBerlin-Filmkritik.

„The Prom“ auf Netflix: Meryl Streep und James Corden (Mitte) als Broadwaystars Dee Dee und Barry peppen den Abiball einer prüden Kleinstadt auf. Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix

Mit der Prom, dem Jahresabschlussball an den High Schools, ist es wie mit so vielen Dingen in Amerika: Es ist alles ein bisschen größer, greller, dramatischer als zum Beispiel ein Abiball in Deutschland. Natürlich sollen die hiesigen Festlichkeiten anlässlich der Hochschulreife nicht unterschätzt werden, aber ein quasi nationales Initiationsritual mit der Kür von Prom-Königinnen und -Königen in allen Winkeln des Landes hat sich hier noch nicht etabliert.

Dass so eine Prom immer mal wieder auch mit Drama einhergeht, kann man sich denken, schließlich sind die Teilnehmer jung, und Eltern und Lehrer machen sich gern noch einmal wichtig. Das Netflix-Musical „The Prom“ von Ryan Murphy hakt mit seinem Drama bei einer traditionellen Regel für den Ball ein: Die Gäste kommen in Paaren, und unter einem Paar verstand man lange Zeit zwei Menschen „of the opposite sex“.

„The Prom“ spielt in Edgewater, Inbegriff des konservativen Amerikas

Und das auch noch ganz im Sinn einer Auslese: Der schönste Junge kommt mit dem schönsten Mädchen, und so weiter bis zu den Mauerblümchen. So war das früher immer, und so soll es auch noch heute sein, jedenfalls in Edgewater, Indiana, einem Ort im Mittleren Westen der USA, in einer Gegend, die man gern auch als „Heartland“ bezeichnet. Amerika ist dort besonders amerikanisch. Das heißt heute aber zumeist: besonders konservativ.

Anpassung oder Coming-out? Ariana Debose als Alyssa Greene und Kerry Washington als deren Mutter haben in "The Prom" Redebedarf. Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix
Anpassung oder Coming-out? Ariana Debose als Alyssa Greene und Kerry Washington als deren Mutter haben in „The Prom“ Redebedarf. Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix

Emma aus Edgewater aber will mit ihrer Freundin Alyssa zum Ball. Sie ist lesbisch, nun ist eine gute Gelegenheit, dass alle davon erfahren. Allerdings ist Alyssa noch unschlüssig, ob sie das auch ihrer Mutter zumuten kann, die zufällig auch noch eine wichtige Funktion in der Elternvereinigung innehat. Mrs. Greene ist eine Tigermutter, sie will für ihre Tochter nur das Allerbeste, und darunter versteht sie auch ein angepasstes Leben. Alyssa sieht sich also mit konkurrierenden Ansprüchen konfrontiert und weiß sich nur mit einem Lied zu helfen: „It’s not easy being Alyssa Greene.“

Das Musical ist ein Genre, in dem sich alles mit Bewegung, Emotion, Gesang und Tanz zum Ausdruck bringt. Damit das auch gut funktioniert, schlägt „The Prom“ eine Brücke vom Broadway in New York nach Edgewater in Indiana, also, ein wenig zugespitzt, von Alexandria Ocasio-Cortez-Land nach Donald Trump-Land.

Meryl Streep, Nicole Kidman und James Corden sind die Stars in „The Prom“

Ryan Murphy hat ein Broadway-Musical für Netflix als Film in Szene gesetzt, und in dem Musical geht es noch dazu um vier Stars aus New York, die vom Broadway nach Indiana fahren, um Emma zu unterstützen – und dabei der eigenen Karriere ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Meryl Streep spielt Dee Dee, eine Frau, die an Ruhm gewöhnt, jetzt aber nicht mehr ganz so beliebt ist. Nicole Kidman spielt ein Chorus Girl, das nie den ganz großen Sprung geschafft hat. James Corden spielt den pummeligen Barry, der mit jeder flamboyanten Geste zu kompensieren versucht, dass ihn einst seine Mutter zutiefst im Stich gelassen hat.

Ein Musical kann ja nicht mit einem Trauermarsch enden

Als „Celebrity Activists“ wollen sie Edgewater aufmischen und die mutmaßlichen Hinterwäldler von den Vorzügen einer „inklusiven Prom“ überzeugen. Das gelingt schließlich auch, ein Musical kann ja nicht mit einem Trauermarsch enden. Aber zuerst müssen viele Missverständnisse über das Leben in der Provinz ausgeräumt werden, und natürlich muss bei jeder Gelegenheit „in ein Lied ausgebrochen“ werden – „to burst into a song“ ist das Um und Auf in einem Musical.

Staraufgebot bei "The Prom": James Corden, Nicole Kidman, Andrew Rannels und Meryl Streep (v.l.n.r.) Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix
Staraufgebot bei „The Prom“: James Corden, Nicole Kidman, Andrew Rannels und Meryl Streep (v.l.n.r.) Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix

Vor zwei Jahren sorgte Ryan Murphy für Aufsehen, weil er mit Netflix einen spektakulären Deal unterzeichnete: Für 300 Millionen Dollar band der Streaming-Gigant einen der erfolgreichsten Kreativen im amerikanischen Fernsehen an sich. Murphy wurde mit der Serie „Nip/Tuck“ bekannt, im Mittelpunkt standen zwei Schönheitschirurgen, das gab reichlich Gelegenheit, sich über Äußerlichkeiten und Idealvorstellungen in erzählerischer Form Gedanken zu machen.

Ryan Murphy: Von „Glee“ zu „The Prom“

Endgültig den Durchbruch schaffte Murphy mit „Glee“, einer High-School-Serie, in der Außenseiter aller Art sich mit dem Freigegenstand Theater und Show einen Weg zu einer selbstbewussten Identität ersingen und ertanzen konnten.

Seine Möglichkeiten bei Netflix hat Murphy seither schon gründlich genützt. Mit der Serie „Pose“ tauchte er in die New Yorker Drag-Ball-Kultur der 1980er Jahre ein, eine Szene, in der sich Leute trafen, die von einer inklusiven, gender-nonkonformen, LGBTQ+-positiven Prom damals noch auf lange Zeit nur träumen konnten.

Und in diesem Jahr hat er sich mit der Serie „Hollywood“ an die Traumfabrik selbst gewagt, und versucht, die große Zeit des amerikanischen Kinos aus einer anderen als der damals üblichen heteronormativen (Mann + Frau = Happyend) Sichtweise zu erzählen.

„The Prom“ ist nun der Weihnachts-Schinken, bei dem alles zusammenkommt. Murphy kann sich in Edgewater selbst ein bisschen wiederfinden, er wuchs auch in Indiana auf. Heute lebt er mit Partner und drei leiblichen, von Leihmüttern ausgetragenen Kindern in einer Familie, die das offene Amerika verkörpert. Und diese Botschaft wird in „The Prom“ auf unterschiedlichen Wegen vermittelt.

„The Prom“ dreht alle Klischees einfach noch ein bisschen weiter

Wenn in einer Shopping Mall ein ehemaliger Sitcom-Star eine didaktische Einlage über das christliche Gebot der Nächstenliebe tanzt, dann hat das etwas von dem Amateurcharme, von dem „Glee“ geprägt war.

Comedy-Star Keegan-Michael Key ist in "The Prom" der musicalaffine Schuldirektor. Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix
Comedy-Star Keegan-Michael Key ist in „The Prom“ der musicalaffine Schuldirektor. Foto: Melinda Sue Gordon/Netflix

Wenn Dee Dee auf einen Schuldirektor (Keegan-Michael Key) trifft, dessen größtes Hobby Broadway-Musicals sind, der allein lebt und formvollendete Manieren hat, und der wider jedes Klischee nicht schwul ist, dann werden die Rollenstereotypen einfach noch ein Stückchen weiter gedreht: Jeder Mensch kann immer noch ein bisschen anders sein, als man es erwarten würde.

Über die Dauer von zweieinviertel Stunden wird dann tatsächlich eine große Ökumene heraufbeschworen: Amerika ist in der ideal-diversen Gesellschaft, die Netflix längst auch mit den meisten seiner anderen Produktionen vertritt, nicht länger das gespaltene Land, von dem noch rund um die Präsidentenwahlen vor ein paar Wochen ständig die Rede war.

Stattdessen führen die Unterhaltungsgiganten alles zusammen, was in früheren Zeiten durch Vorurteile getrennt war. Hauptsache bleibt dabei aber immer, dass alles unter dem eigenen Firmendach stattfindet.

  • The Prom ab 11.12. auf Netflix, R: Ryan Murphy D: Meryl Streep, James Corden, Nicole Kidman, USA 2020, 131 Min.

Mehr zu Filmen und Streams

Sollte ein Kino-Hit werden, wurde dann aber wegen Corona auf die heimischen Bildschirme geschickt: Die sehr gute Gruselserie „Hausen“ auf Sky. Eine Miniserie über Schach ist der Überraschungshit des Jahres. Die Drehorte von „Das Damengambit“ in und um Berlin zeigen wir euch hier. Hommage oder Abgesang der goldenen Ära Hollywoods? David Fincher zeigt in „Mank“ das Leben des Autors von „Citizen Kane“.

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