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#Wenn uns der Weltschmerz übermannt

„Wenn uns der Weltschmerz übermannt“

Eine der ersten Geschichten, die Ronja von Wurmb-Seibel in Afghanistan recherchierte, handelte von Faima. Das afghanische Mädchen ist gerade einmal 14 Jahre alt und konsumiert mehrfach am Tag Heroin, so wie der Rest ihrer Familie. „Ich fühle mich ruhig, wenn ich sie nehme. Ich habe keine Schmerzen mehr.“ In Kabul gibt es viele drogenabhängige Kinder, darunter sogar Babys. Für eine Reihe der Wochenzeitung „Die Zeit“ lebte die Journalistin dort acht Monate lang. Eine Zeit, die sie auslaugte. Aber auch eine Zeit, in der sie das wahre Potenzial einer konstruktiv erzählten Geschichte erkannte.

Krieg, Naturkatastrophen, Kriminalität – die Nachrichtenlandschaft ist voller Hiobsbotschaften. Viele Studien zeigen die teilweise problematische Wirkung vom nachrichtlichem Dauerkonsum: Angst, Scham, Schuldgefühle, Antriebslosigkeit und Stress bis hin zu psychischen Krankheiten wie Depressionen. Forscher der Universität von Tsukuba haben beispielsweise herausgefunden, dass uns der Konsum von Gewalt in Medien negativ beeinflusst und energieraubend wirkt. Eine Studie der Robert Wood Johnson Foundation zeigte, dass sich 40 Prozent der Befragten nach dem Nachrichtenkonsum gestresster fühlten.

Von Wurmb-Seibel befasste sich in ihrem Beruf jahrelang mit Schicksalsschlägen, Gewalt und menschlichen Abgründen. Als sie dann nach Afghanistan kam – in ein Land, das die meisten ausschließlich mit Krieg verbinden – stellte sie fest, dass es dort trotz allem noch viel mehr gab als nur Verderben. Sie erkannte, wie sehr solch negative Berichterstattung ihr und unser aller Weltbild beeinflussen. Ihr neues Buch „Wie wir die Welt sehen“ handelt nun genau davon: von verkürzten Geschichten, ihrem Einfluss auf uns und wie wir selbst das Narrativ verändern können.

Ausschnitte bestimmen unser Weltbild

„Okay, jetzt schreibst du eine Geschichte darüber, was hier alles schlecht ist. Und dann? Was haben die Leser davon?“, dachte von Wurmb-Seibel oft, wie sie im Gespräch mit der F.A.Z. erzählt. Sie war als Reporterin in das Land gereist, schrieb regelmäßige Kolumnen über die Geschehnisse vor Ort. Über die negativen, versteht sich. Dabei merkte sie an sich selbst, wie ihr die schlechten Nachrichten die Lebenskraft entzogen. „Während der Jahre, die ich in Kabul verbrachte, erlebte ich das immer wieder: Wenn ich zu viele aussichtslose Geschichten hörte, zog es mir den Boden unter den Füßen weg.“

Ronja von Wurmb-Seibel


Ronja von Wurmb-Seibel
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Bild: Niklas von Wurmb-Seibel

Obwohl wir die Dinge nicht selbst erleben, tangieren sie unsere Psyche – denn unser Gehirn kann beim Verarbeiten von Informationen oft nicht unterscheiden, was wir wirklich erlebt und was wir in den Medien gesehen haben, schreibt von Wurmb-Seibel. Diese These geht auf die Psychologin Jodie Jackson zurück. Wir fühlen uns hilflos, benommen. Die Welt sei ein schlechter Ort und daran könnten wir sowieso nichts ändern. Dieser Glaubenssatz prägt viele: Laut einer Ipsos Umfrage glaubt nur ein Viertel der Deutschen, ihre Lebensbedingungen könnten sich verbessern. Besonders junge Menschen scheinen pessimistisch. Aus einer Befragung von Infratest dimap geht hervor, dass sich 86 Prozent der 14- bis 24-Jährigen um ihre Zukunft Sorgen. Nur acht Prozent gehen davon aus, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden als sie selbst. Dabei sind Nachrichten immer nur ein Ausschnitt der Welt, kein Abbild der Realität. „Wirklicher Fortschritt ist meist das Ergebnis vom langjährigen Engagement vieler Menschen. Doch wir erzählen diese Geschichten immer als Heldengeschichten eines Einzelnen“, bemerkt die von Wurmb-Seibel.

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