#Umstrittenes Sexualstrafrecht wird in Spanien wieder geändert
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„Umstrittenes Sexualstrafrecht wird in Spanien wieder geändert“
Ausgerechnet am Vorabend des Weltfrauentags wurde der Wettstreit der Feministen zu einem der schwärzesten Tage für die linke Minderheitsregierung in Madrid. Traditionell begeht Spanien den 8. März mit großen Kundgebungen und Demonstrationen. Doch an diesem Mittwoch werden die beiden Lager getrennt marschieren. Die Sozialisten und ihr Juniorpartner Podemos haben sich über die Reform des neuen Sexualstrafrechts zerstritten.
Statt Frauen besser zu schützen, hatte ein handwerklicher Fehler dazu geführt, dass seit dem vergangenen Oktober rückwirkend die Freiheitsstrafen von mehr als 720 Sexualstraftätern verringert wurden und mehr als 74 vorzeitig in Freiheit kamen. Die Sozialisten wollen diese Gesetzeslücke so schnell wie möglich schließen. Gleichstellungsministerin Irene Montero (Podemos) geht der Eingriff in ihr Paradegesetz („Nur ein Ja ist ein Ja“), aber zu weit. Von „Verrat am Feminismus“ ist bei Podemos empört die Rede.
Seit seinem Amtsantritt im Juni 2018 arbeitet der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez daran, sich als führender Feminist Spaniens zu profilieren. Doch Gleichstellungsministerin Montero will die Sozialisten noch überholen, seit ihre linksalternative Podemos-Partei vor drei Jahren der Minderheitsregierung beigetreten ist. Im Superwahljahr, in dem im Mai Kommunal- und zwölf Regionalwahlen und am Jahresende Parlamentswahlen anstehen, kämpft die Linke um die Stimmen der Wählerinnen. Ohne sie haben PSOE und Podemos gegen die konservative PP keine Chance, die laut Umfragen die stärkste Partei ist.
Kabinett beschließt Entwurf für Paritätsgesetz
Wie tief die Gräben zwischen den Vorkämpfern für Frauenrechte sind, ließ sich am Dienstag erst im Kabinett und danach im Parlament beobachten. Der Ministerrat beschloss am Mittag einen Gesetzentwurf, der für mehr Parität sorgen soll. Es war eine Initiative der Sozialisten, mit der Gleichstellungsministerin Montero nichts zu tun hatte. Frauen machten die Hälfte der Gesellschaft aus, deshalb stehe ihnen auch „die Hälfte der politischen und wirtschaftlichen Macht zu“, fordert Pedro Sánchez. Das Gesetz sieht vor, dass die Führung börsennotierter Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro zu 40 Prozent aus Frauen bestehen muss. Außerdem sollen auf den Wahllisten der Parteien jeweils zur Hälfte Frauen und Männern stehen.
Sánchez ist stolz auf die Regierung mit den meisten Ministerinnen – elf neben acht Ministern – in der Geschichte der spanischen Demokratie. Zudem hat er drei Stellvertreterinnen. Im Parlament beträgt der Frauenanteil 42 Prozent. An der Spitze der 19 autonomen Regionen und Städte stehen jedoch nur vier Frauen. Bei den Führungspositionen spanischer Unternehmen stellen Frauen ein Drittel und ganz oben gibt es mit den beiden prominenten Verwaltungsratschefinnen der Santander-Bank und des Textilkonzerns Inditex („Zara“) nur zwei prominente Ausnahmen. Der Unterschied des durchschnittlichen Bruttoverdienstes zwischen Frauen und Männern ist in Spanien mit neun Prozent nur halb so hoch wie in Deutschland.
Sexualstrafrecht wird überarbeitet
Kritiker wenden ein, dass Sánchez nur die Frauenquote auf 2024 vorzieht, die die EU für 2026 beschlossen hat. Der Gleichstellungsministerin reicht der Vorschlag nicht aus, weil er zu wenig gegen die strukturelle Benachteiligung der Frauen tue. Die oppositionelle PP warf Sánchez ein Ablenkungsmanöver vor: Das Paritätsgesetz sei ein „Griff in die Propagandakiste und eine Nebelkerze“, mit der die Regierung vom missglückten Sexualstrafrecht ablenken wolle. Bei dessen Reform ist die konservative Opposition jedoch bereit, dem Regierungschef zu helfen.
Schon während der Debatte über den sozialistischen Korrekturvorschlag zeichnete sich am Nachmittag eine so breite Mehrheit im spanischen Parlament ab, wie es sie in dieser Legislaturperiode nur selten gab. Podemos hielt Wort und stimmte am Ende mit mehreren kleineren Parteien gegen den Entwurf der sozialistischen Justizministerin. Dafür kam die Rechte Sánchez zur Hilfe: PP und Ciudadanos votierten dafür, die rechtspopulistische Vox-Partei enthielt sich. Am Ende stimmten 231 Abgeordnete für die Korrektur des Gesetzes, das jetzt ohne die Gleichstellungsministerin überarbeitet wird.
Für Irene Montero ist das ein Rückfall in alte Zeiten. Für sie bleibt einzig ein klares „Ja“ zum sexuellen Kontakt entscheidend, alles andere ist eine Vergewaltigung. Sie wird im bisherigen Gesetz härter geahndet, während die Strafen für einige andere Sexualtatbestände herabgesetzt wurden. Jetzt erhöhen die Sozialisten zusammen mit ihren neuen Partnern bei Gewalt oder Einschüchterung das Strafmaß. Gegen härtere Strafen hat auch Montero nichts, sie will aber nicht, dass der Kern ihres Gesetzes verwässert wird und die Beweislast wieder bei den Opfern liegt. Wegen ihrer Gleichstellungspolitik gehört die Linksregierung in Europa zur Avantgarde, in Madrid verbindet die beiden Partner in Spaniens erster Koalition immer weniger. Selbst bei Podemos gibt man zu, dass das Bild „verheerend“ sei, das sie am Frauentag abgeben.
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