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#„Verbale Entgleisungen“ für Parteiausschlussverfahren nicht ausreichend

„Verbale Entgleisungen“ für Parteiausschlussverfahren nicht ausreichend

Bei den Grünen formiert sich Protest gegen das vom baden-württembergischen Landesverband angestrebte und von der ehemaligen grünen Kanzlerkandidatin und jetzigen Außenministerin, Annalena Baerbock, angestoßene Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Der Aufruf ist von mehr als 500 grünen Mitgliedern unterzeichnet. Gefordert wird, dass der Antrag für das Parteiausschlussverfahren auf dem nächsten Landesparteitag zurückgezogen wird. Zur Begründung heißt es, kein anderer deutscher Oberbürgermeister habe mit seiner Verwaltung, den Bürgern sowie der Verwaltung so viele „urgrüne Ziele“ realisieren können wie Palmer. „Verbale Entgleisungen“ seien als Gründe für ein Parteiausschlussverfahren nicht ausreichend, es sei nicht möglich, einen Kandidaten für die nächste Oberbürgermeisterwahl im Herbst diesen Jahres in Tübingen zu nominieren und gleichzeitig ein Parteiausschlussverfahren zu führen.

Zu den Unterzeichnern gehören viele prominente, ehemalige Mandatsträger der Partei und viele Mitglieder der Gründungsgeneration. So ist der Aufruf von der früheren Parlamentarischen Staatssekretärin Uschi Eid, dem früheren baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller, der Mitgründerin und ehemaligen Europaabgeordneten Eva Quistorp, der früheren EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rezzo Schlauch, der ehemaligen Berliner Bildungssenatorin Sybille Volkholz, der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und dem ehemaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Vollmer, mit unterzeichnet worden. Auch Klaus-Peter Murawski, der frühere Staatskanzleichef des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, ruft in dem Schreiben dazu auf, das Ausschlussverfahren einzustellen.

Verstoß gegen grüne Gründungsprinzipien

Zu denen, die sich für einen Verbleib Palmers in der Partei aussprechen, gehören nicht nur grüne Mitglieder aus Baden-Württemberg, auch von einzelnen Mitgliedern aus den Landesverbänden Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg oder Niedersachsen wurde der Aufruf unterzeichnet. Die Befürworter Palmers sehen in dem Ausschlussverfahren auch einen Verstoß gegen grüne Gründungsprinzipien: Vom Mainstream abweichende Meinungen müssten als Bereicherung und Anstoß zu einer programmatischen Auseinandersetzung begriffen werden.

„Es ist unsere Aufgabe, gesellschaftlich kontroverse Themen auch bei uns diskursiv auszutragen, immer in der Hoffnung, dass das beste Argument dann auch siegen wird“, heißt es in dem Aufruf. Wenn Palmer als „Querulant“, „Störenfried oder „Flüchtlingsfeind“ bezeichnet worden sei, dann seien das Klischees, die in den seltensten Fällen hinterfragt worden seien. Leider hätten es „intellektuelle Exzentriker“ und „Charakterköpfe“ in der grünen Partei heute schwer; sie würden nicht als bereichernd geschätzt. Ausdrücklich verteidigt werden Palmers inhaltliche Interventionen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik: Seine „bedenkenswerten Argumente“ seien diffamiert worden, die Grünen müssten, so wie es Palmer gefordert habe, die „längst überfällige Debatte“ über die künftige Migrationspolitik führen. Wer Palmers Buch „Wir können nicht allen helfen“ gelesen habe, der könne nicht mehr zur Auffassung gelangen, dass der Tübinger Oberbürgermeister ein Fremdenfeind sei.

Anfang Dezember hatte Palmer den Schriftsatz der Anwälte des baden-württembergischen Landesverbandes veröffentlicht, mit dem ein möglicher Parteiausschluss begründet wird und ihm parteischädigendes Verhalten nachgewiesen werden soll. Thematisiert werden zum Beispiel das Benutzen des Wortes „Negerschwanz“, die Ablehnung des UN-Migrationspaktes, die Verwendung des Begriffs „Menschenrechtsfundamentalismus“ sowie seine Kritik an der auf den Schutz älterer, vulnerabler Corona-Patienten ausgerichteten Pandemiepolitik. Mit zwei Aussagen könnte Palmer nach Auffassung der Anwälte des Landesverbandes sogar Normen des Grundgesetzes ignoriert haben: Etwa, wenn er von Asylbewerbern ein „gesetzestreueres“ Verhalten als von deutschen Staatsbürgern verlange oder wenn er vorschlage, in der Pandemie Menschen mit einer ohnehin nur geringeren Lebenserwartung nicht mehr zu retten. In dem Schriftsatz werden Palmer aber auch Vorwürfe gemacht, die von einem Gericht wohl niemals als parteischädigend gewürdigt würden, wenn zum Beispiel kritisiert wird, dass er sich 2021 beim Oberbürgermeisterwahlkampf in Aalen für die CDU-Kandidatin ausgesprochen hat und nicht für den Sozialdemokraten, der von den Grünen unterstützt wurde.

Vom Fortgang des Parteiausschlussverfahrens hängt Palmers politische Zukunft ab, denn in diesem Herbst muss er sich in Tübingen als Oberbürgermeister der Wiederwahl stellen, allerdings hat der Kreisverband beschlossen, den oder die Kandidatin per Urwahl zu bestimmen. Palmer will sich diesem Verfahren wahrscheinlich nicht stellen, er könnte aber als unabhängiger Kandidat gegen einen grünen Spitzenkandidaten antreten. Bislang bewirbt sich nur die grüne Kreisrätin Ulrike Baumgärtner für die Urwahl.

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