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#Was Deutschland (Österreich) tut, hat auf das globale Klima doch keinen Einfluss (Die neuen Klimamythen 11) – Astrodicticum Simplex

Was Deutschland (Österreich) tut, hat auf das globale Klima doch keinen Einfluss (Die neuen Klimamythen 11) – Astrodicticum Simplex

In meiner Serie über die neuen Klimamythen ist heute ein sehr beliebtes Scheinargument an der Reihe. Man hört es oft aus Reihen der Politik, besonders gerne von der sehr rechten Seite, wo man mit dem Klimaschutz ein fundamentales Problem hat. Es geht ungefähr so: “Deutschland trägt doch nur knapp 2 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Ob wir da was reduzieren oder nicht, hat doch keinen Einfluss. Es bringt nichts, wenn wir jetzt massiv Klimaschutz betreiben und dadurch unsere Wirtschaft ruinieren. Wenn, dann müssen China oder die USA was tun!”.

Wenn wir jetzt mal die Sache mit “Klimaschutz schadet der Wirtschaft” (ein weiteres Pseudoargument aus den Reihen der Klimamythen, das ich aber jetzt nicht behandeln will) absehen, dann ist die Aussage zumindest zum Teil richtig. Schaut man sich die Daten an, dann beträgt der Anteil Deutschlands an den globalen Treibhausgasemissionen tatsächlich nur knapp mehr als 2 Prozent. In Österreich sind es sogar nur 0,2 Prozent und in der Schweiz 0,1 Prozent (ich bleibe im weiteren Verlauf des Textes aber mal bei Deutschland, das von den dreien die meisten Emissionen produziert).

Die überwiegende Mehrheit der Treibhausgase, nämlich 98 Prozent, stammt also nicht aus Deutschland. Stimmt es also, dass wir noch so viel einsparen können, ohne global gesehen einen Einfluss zu haben? Ja. Oder Nein. Man muss sich das ganze richtig ansehen. Wenn die ganze Welt weitermacht wie bisher und nur Deutschland klimaneutral wird, bringt das natürlich in Sachen Klimakrise nichts. Aber darum geht es ja nicht. Zu behaupten, es wäre egal, was Deutschland macht, ist aus vielen verschiedenen Gründen falsch.

In Österreich gehen wir eh nur zu Fuß, wir müssen gar nix tun, solange die ganzen Chinesen mit dem Auto rumfahren! (Bild: Dorothea Witter-Rieder, gemeinfrei)

1) Wir sind nicht im Kindergarten

“Ich mach erst was, wenn die anderen was machen” ist ein Argument, das selbst im Kindergarten ein wenig peinlich wäre. Mit dieser Art die Dinge zu betrachten, kann man jegliche Aktivität bei allen möglichen Dingen verhindern. Deutschland ist nur ein Land von vielen, es spielt keine Rolle, ob wir was machen oder nicht. Thüringen (oder irgendein anderes Bundesland) ist nur eines von insgesamt 16 Bundesländern; es ist egal, was dort passiert. Jena (oder irgendeine andere Stadt) ist nur eine von vielen Städten in Thüringen, es ist egal was dort passiert. Und am Ende landen wir bei der angenehmen Erkenntnis, dass sowieso niemand etwas tun muss, weil es egal ist, ob irgendjemand was tut. Was aber natürlich großer Unsinn ist.

Wir alle – alle Menschen, alle Städte, alle Bundesländer und alle Nationen – haben in den letzten 250 Jahren die Treibhausgase gemeinsam in die Atmosphäre gepustet (nicht alle gleich viel, aber dazu später mehr). Das ganze CO2 ist nicht einfach so vom Himmel in die Atmosphäre gefallen, es ist Moleküle für Molekül aus Milliarden unterschiedlicher Quellen in unterschiedlichen Ländern in die Luft gelangt. Abgesehen davon ist es dem CO2 auch völlig egal, wo wir unsere Grenzen ziehen. Es verteilt sich über die ganze Erde und die Lösung der Klimakrise KANN nur global und gemeinsam erfolgen. Einfach zu sagen: Sollen erst mal die anderen was tun, bevor ich was tue – das ist kein Argument, das ist nur eine dumme Ausrede. Und es ist leicht zu erkennen, dass daraus nur Stillstand folgen kann.

2) Auch Kleinvieh macht Mist

Wie soll das jetzt aber gehen? Es stimmt ja, dass Deutschland direkt nur einen Einfluss auf 2 Prozent der Treibhausgase hat. Und das ist zu wenig, um irgendwas relevantes zu erreichen. Ja – aber neben dem direkten Einfluss gibt es auch einen indirekten Einfluss. Hier sind die Daten über die Anteile der jeweiligen Länder an den Treibhausgase (und Our World in Data ist eine wirklich hervorragende Datensammlung!):

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann steht China mit einem Anteil von knapp 27 Prozent an der Spitze, gefolgt von den USA mit fast 15 Prozent. Diese beiden Länder alleine sind also für 42 Prozent des CO2 verantwortlich! Solange dort nicht massiv reduziert wird, wird sich an der Klimakrise tatsächlich nichts ändern. Aber! Schon auf Platz 3 folgt die EU, mit knapp 9 Prozent. Das ist weniger als bei China und den USA. Aber ein gutes Zehntel der Emissionen ist auch nicht nichts. Deutschland als Teil der EU hat also durchaus einen indirekten Einfluss auf eine relevante Menge an Treibhausgasen. Lassen wir die EU aber mal als Einheit weg und bleiben bei individuellen Länder. China, USA, Indien und Russland sind zusammen für knapp mehr als die Hälfte der Treibhausgase verantwortlich. Das heißt im Umkehrschluss aber, dass alle anderen Länder der Welt zusammengenommen für die andere Hälfte des CO2s verantwortlich sind! Und genau so wie sich die Klimakrise nicht lösen lässt, wenn wir die 50 Prozent der Treibhausgase ignorieren, die von den Top-4-Ländern emittiert werden, lässt sie sich auch nicht lösen, wenn die vielen anderen Ländern es nicht schaffen, sich jeweils um ihren Anteil zu kümmern. Es müssen also tatsächlich alle Länder etwas tun, wenn wir die Sache mit den Treibhausgasen in den Griff kriegen wollen.

3) Land ist nicht gleich Land

Neben der reinen “Welches Land emittiert wie viel CO2”-Statistik kann man sich auch noch andere Daten anschauen. Zum Beispiel die CO2-Emissionen pro Kopf in den jeweiligen Ländern. Das sieht so aus:

Von China ist in dieser Liste lange nichts zu sehen. Bei den Pro-Kopf-Emissionen liegt China auf Platz 42 (zumindest wenn man in der Datenbank die ganzen winzigen Inseln die keine komplett selbstständigen Länder sind, weglässt). Und damit hinter Deutschland (auf Platz 26) und Österreich (auf Platz 37). Chinas gesamter Beitrag zu den globalen CO2-Emissionen ist vor allem deshalb so groß, weil dort so viele Menschen leben, nicht, weil die Menschen dort alle so viel mehr CO2 erzeugen als wir “braven” Leute in Mitteleuropa. Das ist jetzt natürlich vor allem ein moralisches Argument; an der Bevölkerungszahl Chinas lässt sich kurzfristig nichts ändern. Aber solange wir nicht auch als individuelle Deutsche und Österreicher*innen in der Lage sind, weniger CO2 freizusetzen als die Menschen in China, sollten wir nicht zu intensiv mit dem Finger nach Osten zeigen…

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die historischen Daten betrachtet. China liegt jetzt auf Platz 1, das war aber nicht immer so. Wer hat eigentlich insgesamt im Laufe der letzten Jahrhunderte am meisten CO2 in die Atmosphäre gepustet? Auch diese Daten gibt es und sie zeigen uns, dass zum Beispiel bis 1950 vor allem Europa der schlimmste Klimasünder war. Bis dahin kam mehr als die Hälfte des CO2s von uns und da wiederum von Großbritannien, das bis 1882 für die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich waren. Danach haben die USA aufgeholt und erst in den letzten 50 Jahren haben sich Ländern wie China und Indien an die Spitze vorgearbeitet.

Auch hier stehen wir wieder vor einem moralischen Problem. CO2 bleibt ja für lange Zeit in der Atmosphäre; der Abbau kann Jahrhunderte dauern. Das heißt, das CO2, das uns jetzt gerade Probleme bereitet, haben wir in Europa und in den USA in die Atmosphäre gepustet. Jetzt von Ländern wie China oder Indien zu verlangen, sie sollen sich erstmal einschränken, bevor wir anfangen, irgendwas zu tun, klingt ein kleines bisschen unfair…

Fazit

Die Klimakrise ist ein globales Problem. Und es lässt sich auch nur global lösen. Alle Länder müssen sich beteiligen. Ja – China und die USA sind aktuell die Länder, die am meisten Treibhausgase emittieren und bei denen es am wichtigsten ist, dass sie sich um den Klimaschutz kümmern. Aber alle anderen dürfen sich nicht einfach raushalten. Denn sonst kommen China und die USA, machen es so wie wir und sagen: “Solange die anderen Länder – die insgesamt für die Hälfte der Emissionen verantwortlich sind – nichts tun, bringt es auch nichts, wenn wir was machen. Also machen wir erst was, wenn ihr was macht”. Und wenn wir weiter immer nur auf die anderen schauen, als selbst etwas zu tun, dann tut niemand was!

Es führt also kein Weg darum herum, dass sich Deutschland JETZT um eine Reduktion der Treibhausgase bemüht. Und Österreich. Und die Schweiz. Und alle anderen Länder. Trittbrettfahrer können wir in der Klimakrise nicht brauchen und es ist durchaus auch die Aufgabe der Politik, sich darum zu kümmern. Durch Diplomatie, durch Zölle, durch alle anderen friedlichen Mitteln, die den Länder zur Verfügung stehen. Darauf zu warten, dass die anderen anfangen, etwas zu tun, ist idiotisch. Wir sind nicht mehr im Kindergarten.

Die komplette Serie

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